EU-Grenzkontrollen sollen verlängert werden
30. April 2016Eine entsprechende Initiative zur Verlängerung der Grenzkontrollen sei für den kommenden Montag geplant, hieß es in Regierungskreisen in Berlin. Demnach wollen Deutschland, Frankreich, Österreich, Belgien, Dänemark und Schweden in einem gemeinsamen Brief darauf dringen, dass Kontrollen an den internen Schengen-Grenzen auch nach dem 12. Mai möglich sind. Seit einer Ausnahmeregelung im Herbst 2015 kontrolliert beispielsweise Deutschland wegen der Flüchtlingszuwanderung wieder die Grenze zu Österreich. Diese Ausnahmeregelung läuft am 12. Mai aus.
"Es existierten noch Versäumnisse"
Die sechs EU-Staaten begründen ihren Vorstoß für verlängerte Kontrollen damit, dass die Lage an den EU-Außengrenzen zwar weniger dramatisch sei als in der Vergangenheit, dass aber an einigen Orten noch andauernde Versäumnisse existierten. Innenminister Thomas de Maizière hatte Anfang April allerdings noch eine Aufhebung der Kontrollen ins Gespräch gebracht. "Wenn die Zahlen so niedrig bleiben, würden wir über den 12. Mai hinaus keine Verlängerung der Grenzkontrollen durchführen." Nun die Kehrtwende von de Maizière.
Sinkende Flüchtlingszahlen
Die Kontrollen waren Mitte September wegen des Flüchtlingsandrangs eingeführt worden. Nach der Schließung der Balkanroute ist die Zahl der Neuankömmlinge in Deutschland und Österreich drastisch gesunken. In Deutschland wurden im März gut 20.000 Asylsuchende registriert - im Februar rund 60.000, im Januar 90.000. Befürchtet wird jedoch nun, dass viele Flüchtlinge auf neue Routen über Italien ausweichen könnten. Österreich bereitet sich deshalb auf Grenzkontrollen am Brenner, dem wichtigsten italienisch-österreichischen Übergang, vor.
De Maiziere (CDU) und die Innenminister der anderen Staaten fordern dem Schreiben nach die EU-Kommission auf, einen für die Verlängerung von Binnen-Grenzkontrollen notwendigen Krisenmechanismus gemäß dem Schengener Grenzkodex zu aktivieren. Die EU-Kommission ist offenbar bereit, dafür grünes Licht zu geben. In der EU-Kommission hieß es, Grundlage solle der Artikel 29 des Grenzkodex des Schengenraums sein. Danach kann die EU-Kommission erlauben, dass Länder Grenzkontrollen über die erlaubten sechs Monate hinaus bis auf maximal zwei Jahre verlängern können. Vorgeschlagen werden dürfte, die Regelung bis November auszuweiten und dabei einen schrittweisen Abbau vorzuschreiben.
Wenn die EU-Kommission die rechtliche Grundlage schafft, hätte die Bundesregierung es in der Hand, die Grenzkontrollen trotz derzeit sinkender Flüchtlingszahlen zu verlängern. Zuletzt waren es laut Bundespolizei jeden Tag noch etwa 200 Neuankömmlinge. Vor allem Bayern dringt auf eine Fortsetzung der Kontrollen. Der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), erklärte, solange man etwa angesichts der Bedrohung durch Terrorismus nicht lückenlos wisse, wer in die EU ein- und ausreise, seien Grenzkontrollen unverzichtbar.
Merkel verteidigt Freiheit des Schengen-Raums
Mahnend äußerte sich Kanzlerin Angela Merkel zum Thema. Der Schutz der EU-Außengrenzen in der Flüchtlingskrise dürfe nicht auf Kosten der Freiheiten im Schengen-Raum gehen. Deswegen sei die Europäische Union (EU) in einer "ganz entscheidenden Phase", sagte die CDU-Politikerin in ihrem wöchentlichen Video-Podcast in Berlin. Sie habe sich entschieden, "dafür zu kämpfen, dass wir unsere Außengrenzen schützen können, dass wir den Raum der Reisefreiheit, der Bewegungsfreiheit, der Niederlassungsfreiheit behalten". Derzeit gebe es eine Diskussion zur Frage "Wie weit muss ich mich erstmal um mein eigenes Land kümmern? Wie weit kann ich europäische Solidarität üben?", sagte Merkel.
Wichtig sei ihr eine Teilung der humanitären Verpflichtungen. Die Frage sei, ob sich die EU dafür entscheide, Europa zu festigen und den Schengen-Raum zu schützen - "oder aber fallen wir zurück, und jeder macht wieder seine Grenzkontrollen". Dies habe Folgen für Wirtschaft und Reisefreiheit. Es gehe ihr darum, die friedliche Entwicklung innerhalb Europas zu befördern, betonte die Kanzlerin. Natürlich behielten die Länder ihre nationalen Eigenständigkeiten, aber in wichtigen Fragen "sollten wir gemeinsam auftreten". Wenn Europäer in internationalen Verhandlungen gemeinsam aufträten, hätten sie eine ganz andere Stimme, als wenn wir zum Beispiel als Deutsche mit 80 Millionen Einwohnern in eine Auseinandersetzung, in einen Wettbewerb mit China, mit Indien oder den USA treten, so Merkel.
cgn/sti (dpa, epd, rtr)