Mehr als 710.000 Flüchtlinge in der EU
14. Oktober 2015In den ersten neun Monaten dieses Jahres sind nach Angaben der EU-Grenzschutzbehörde Frontex mehr als 710.000 Flüchtlinge in die EU eingereist. Allein 190.000 Menschen kamen demnach im August und 170.000 im September. Allerdings schränkte die Behörde ein, dass "eine beträchtliche Zahl" der Einwanderer mehrfach registriert worden sein könnte. Viele Personen, die bei ihrer Ankunft in Griechenland gezählt wurden, könnten laut Frontex nach einer Durchreise durch Nicht-EU-Länder in Ungarn oder Kroatien erneut gezählt worden sein. Im gesamten vergangenen Jahr waren 282.000 Flüchtlinge registriert worden. Frontex-Chef Fabrice Leggeri forderte kurz vor dem EU-Gipfel, die Küstenwachen zu verstärken.
Die Flüchtlingskrise wird ein wichtiges Thema des EU-Gipfels am Donnerstag sein. Der Türkei kommt eine wichtige Rolle beim Umgang mit der Krise zu, weil sie für viele Migranten Durchgangsland ist. Die Türkei kann laut EU-Ratspräsident Donald Tusk aber nur mit einem Entgegenkommen rechnen, wenn sie dafür sorgt, dass die Zahl der Flüchtlinge abnimmt. Das schrieb der polnische Politiker in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten.
Weiter Streit über Transitzonen
In der Regierungskoalition ist derweil kein Ende des Streits über die Einführung von Transitzonen in Sicht. Wie andere führende SPD-Politiker betonte Fraktionschef Thomas Oppermann, große Einrichtungen mit "Haftanstalten für Tausende von Flüchtlingen" seien mit der SPD nicht zu machen. Unions-Fraktionschef Volker Kauder forderte dagegen die SPD auf, dem Plan der Union zuzustimmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer hatten sich auf die Transitzonen verständigt. Dort soll für bestimmte Gruppen von Flüchtlingen bereits an der Grenze über die Einreise entschieden werden. So lange müssen sie sich im Transitbereich aufhalten.
Finanzminister Wolfgang Schäuble brachte derweil geringere Finanzhilfen für anerkannte Flüchtlinge ins Gespräch, die Hartz IV bekommen können. Es stelle sich die Frage, ob man Menschen, denen man zum Teil noch Lesen und Schreiben beibringen müsse, genau so viel zahlen solle wie jemandem, der 30 Jahre gearbeitet habe und dann arbeitslos sei. SPD-Vize Ralf Stegner lehnte das ab. "Existenzminimum ist Existenzminimum, sagt das Bundesverfassungsgericht. Das unterliegt nicht parteipolitischer Willkür", sagte Stegner der "Bild"-Zeitung.
Nicht winterfeste Zelte
Viele Flüchtlinge in Deutschland müssen derzeit trotz sinkender Temperaturen in nicht winterfesten Zelten wohnen. Allein in den Unterkünften der Bundesländer waren Anfang Oktober rund 42.000 Flüchtlinge in Zelten und zeltähnlichen Behausungen untergebracht, wie die Zeitung "Die Welt" berichtete. Insgesamt befinden sich demnach in den Einrichtungen der Bundesländer rund 305.000 Flüchtlinge.
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Zustimmung schwindet
Der anhaltende Flüchtlingszuzug nach Deutschland lässt die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung weiter schwinden. Dem Meinungsforschungsinstitut YouGov zufolge halten inzwischen 56 Prozent der Bundesbürger die Asylbewerberzahlen für zu hoch. Mitte September hätten nur 46 Prozent das so gesehen. Umgekehrt sehen mittlerweile nur noch 19 Prozent der Umfrageteilnehmer Deutschland in der Lage, weitere Asylsuchende aufzunehmen. Vorher waren es demnach 28 Prozent.
ago/ml (dpa, afp, rtr)