1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

EU will schneller abschieben

13. Oktober 2016

Afrikanische Flüchtlinge, die die EU aus dem Mittelmeer fischt, sollen nicht mehr nach Italien gebracht werden. Allerdings geht dieser Plan noch nicht auf. Die Innenminister beraten. Aus Luxemburg Bernd Riegert.

https://p.dw.com/p/2RBfp
EU Libyen Migranten
Bild: picture alliance/AP Photo/E. Morenatti

Die EU-Innenminister werden sich nicht mehr, wie ursprünglich angekündigt, auf eine Reform des Asylrechts und der sogenannten Dublin-Regeln bis Ende des Jahres einigen können. Damit werden wohl auch die im Zuge der Flüchtlingskrise eingeführten Personenkontrollen an manchen Binnengrenzen im Schengen-Raum bestehen bleiben. Das zeichnet sich nach den mehr oder weniger ergebnislosen Beratungen zum Kern der Reformen, einer Verteilung von Asylsuchenden und Migranten auf die EU-Mitgliedsstaaten, in Luxemburg ab. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere sprach sich bei den Beratungen mit einigen seiner Ressort-Kollegen für eine Verlängerung der Grenzkontrollen aus, wie sie zum Beispiel zwischen Deutschland und Österreich bestehen. "Wir wollen zurück zu einem Raum frei von Grenzkontrollen im so genannten Schengengebiet. Das setzt aber voraus, dass wir einen noch besseren Schutz der Außengrenzen haben. Deshalb ist es nach meiner Auffassung richtig, die Möglichkeit zu Grenzkontrollen möglichst auf europäischer Basis noch einmal zu verlängern."

Infografik Flüchtlingsroute und Grenzkontrollen im Schengen-Raum Deutsch

"Außengrenzen besser schützen"

Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen haben wegen der Flüchtlingswanderung Kontrollen an Landgrenzen und Häfen eingeführt. Frankreich und Belgien begründen ihre verstärkten Kontrollen mit der Terrorgefahr. Die EU-Kommission hatte im Frühjahr gewarnt, die Personenkontrollen würden den Reiseverkehr behindern und Schäden in Milliardenhöhe auslösen. Dazu legte Dimitris Avramopoulos, der in Luxemburg für ein Ende der Kontrollen warb, allerdings noch keine konkreten Zahlen vor. Auch der Innenminister Österreichs Wolfgang Sobotka kann sich eine Rückkehr zum Schengen-Gebiet ohne Kontrollen zurzeit nicht vorstellen. "Der Schutz der Außengrenzen reicht so noch nicht aus. Die Flüchtlinge sollten außerhalb Europas registriert werden." Sobotka sprach sich dafür aus, im Krisenfall auch Militär entlang der Grenzen einzusetzen. Die 1500 Grenzbeamten, die die europäische Frontex-Behörde demnächst als Reserve vorhalten will, seien zu wenig. Grenzschutz sei im Grunde Aufgabe der Mitgliedsstaaten, so Sobotka.

Rückschiebe-Abkommen mit Nordafrika

Deutschland Innenminister Thomas de Maizière
Innenminister de Maiziere: Abkommen mit AfrikaBild: Getty Images/S. Gallup

Die Innenminister sehen das Abkommen mit der Türkei, das zu einem Rückgang der Neuankömmlinge auf der Balkanroute geführt hat, als eine Art Blaupause, um auch die Reise von Migranten über das südliche Mittelmeer von Libyen nach Italien einzudämmen. Diesen gefährlichen Seeweg wählen in diesem Jahr fast genau so viele potentielle Asylbewerber wie im vergangenen Jahr. Die Frontex-Mission "Triton" und die italienische Küstenwache haben von Januar bis September bereits 120 000 Menschen aus dem Meer gefischt. Durch Abkommen mit nordafrikanischen Staaten sollen nun auch diese Migranten davon abgehalten werden, mit Hilfe von Schleuserbanden Europa anzusteuern. Mit mehreren Staaten verhandelt die EU bereits. Ein Abkommen mit Niger stehe kurz vor dem Abschluss, heißt es von EU-Diplomaten. "Wir brauchen Abkommen mit Staaten in Nordafrika, möglichst so, dass Menschen die gerettet wurden, dorthin zurückgebracht werden in sichere Unterkunftsmöglichkeiten in Nordafrika und dort der Schutzbedarf geprüft wird", skizziert Bundesinnenminister Thomas de Maiziere seinen Plan. "Von dort führen wir dann mit großzügigen Kontingenten Umsiedlugen nach Europa durch, fair aufgeteilt unter den europäischen Staaten. Und die anderen müssen dann zurück in ihre Heimat."

Die sofortige Rückführung von auf See aufgenommenen Flüchtlingen soll dann eine ähnlich abschreckende Wirkung entfalten wie die angedrohte Rückführung von den griechischen Inseln in die Türkei, hoffen die Minister. Viele Details sind noch unklar. Menschenrechtsorganisationen warnen davor, Migranten, Asylbewerber und Flüchtlinge ohne angemessene Verfahren direkt in nordafrikanische Staaten zurück zu schieben, weil dort für die Sicherheit der Menschen niemand garantieren könne. Deutschland hatte vor kurzem die Maghreb-Staaten zu sicheren Drittstaaten erklärt, was eine Abschiebung von Migranten erleichtert.

Keine Einigung auf Verteilung

Das von de Maiziere skizzierte System kann aber nur funktionieren, wenn sich genug EU-Staaten bereitfinden, umgesiedelte Menschen aus Nordafrika, Griechenland oder Italien tatsächlich aufzunehmen. Ein Beschluss vom letzten Jahr, die Flüchtlinge und Asylsuchenden nach einer festen Quote zu verteilen, ist nie umgesetzt worden. Ungarn und Tschechien klagen dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof. Ohne ein aus deutscher Sicht gerechtes Verteilsystem könne es aber keine europäische Lösung geben, meint der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere. Osteuropäische Mitgliedsstaaten, die keine oder nur sehr wenige Flüchtlinge aufnehmen, hatten dafür plädiert, kein starres Quotensystem einzuführen, sondern "flexible Solidarität" walten zu lassen. "Ich möchte erst einmal genau wissen, was unter flexibler Solidarität verstanden wird", sagte dazu Bundesinnenminister de Maiziere. "Wenn das arbeitsteilige Solidarität heißt, bin ich bereit, darüber nachzudenken. Aber die Leute, die den Begriff aufgeworfen haben, müssen jetzt mal erklären, was sie damit meinen."

"Migranten gehen eigenen Weg"

Flexible Solidarität heißt für den slowakischen Innenminister Robert Kalinak, der auch den Vorsitz in der Ministerrunde führt, dass man auf die Wünsche der Migranten eingeht. Die wollten nun einmal nicht in die Slowakei, nach Ungarn oder Polen, sondern nach Deutschland und Großbritannien. "Bei Migration gibt es keine einheitliche Lösung. Migranten sind ja keine Zahlen, sondern die haben ihren eigenen Willen und gehen ihren eigenen Weg. Man muss die Lösungen an die Situation anpassen", so Robert Kalinak in Luxemburg.

Der Innenminister Österreichs plädierte dafür, im Zuge der diskutierten Reform des Asylrechts in Europa auch den Familien-Nachzug zu begrenzen. Es könne ja nicht sein, dass man als Flüchtling seine ganze Familie, auch Brüder und Schwestern im Erwachsenenalter nachholfen dürfe. Er sei jetzt viel mit afrikanischen Kollegen in Kontakt gewesen und die hätten ihm gesagt, die Afrikaner hätten alle "hunderte von Brüdern und Schwestern", sagte Wolfgang Sobotka. Es gebe eine Zuwanderung in die Sozialsysteme der EU, die verhindert werden müsse.

 

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union