Waffenembargo und Marktwirtschaft
20. September 2012Entspannt sahen die drei Politiker nicht gerade aus, schon als sie zusammen im Eingang des Brüsseler Palais Egmont standen: EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und der chinesische Premierminister Wen Jiabao lächelten steif in die Kameras. In ihren Begrüßungsreden bemühten sich die EU-Vertreter dann, die Leistungen Chinas, den besonderen Charakter der beiderseitigen Beziehungen und Wens Verdienste daran herauszustellen. Der Handelsaustausch habe sich in den zehn Jahren von Wens Amtszeit mehr als verdreifacht. Barroso sah in Chinas Entwicklung gar "eine der größten Transformationen der Weltgeschichte."
Freundschaft verträgt Offenheit
Besonders betonten Barroso und Van Rompuy auch, dass die Beziehungen zu China inzwischen Offenheit vertrügen. Barroso sprach von "einer Partnerschaft im Geiste der Freundschaft. Und in diesem Geist sind wir auch fähig, über Fragen zu reden, bei denen wir nicht übereinstimmen." Ganz ähnlich drückte sich Van Rompuy aus: "Wir haben ein Niveau gegenseitigen Verstehens und Respekts erreicht, das eine sehr solide Grundlage bildet, um auch über die Meinungsunterschiede sprechen zu können."
An welche Meinungsunterschiede er dabei dachte, sagte Van Rompuy nur sehr indirekt und in einem anderen Zusammenhang: Man wolle auch "über einige der wichtigsten internationalen und regionalen Probleme reden, die Frieden und Stabilität bedrohen" - ein Hinweis auf den Bürgerkrieg in Syrien, wo China bisher zusammen mit Russland wirkungsvolle UN-Maßnahmen gegen Präsident Baschar al-Assad verhindert hat. Van Rompuy verwies damit auch auf den Territorialstreit Chinas mit Japan um eine Inselgruppe im Ostchinesischen Meer.
Wen: zehn Jahre lang vergeblich bemüht
Auch Wen lobte in seinen Eingangsworten zunächst das gute Verhältnis. Europa habe ein "immer tieferes Verständnis für die chinesische Reform- und Öffnungspolitik". Beide Seiten seien "für eine multipolare Welt und gegen Unilateralismus." Doch dann nutzte der chinesische Premier die Aufforderung zum freien Wort vielleicht mehr, als den beiden EU-Vertretern lieb war. "Zum Schluss möchte ich ganz offen sein. Es geht um die Aufhebung des Waffenembargos und die Anerkennung Chinas als vollwertige Marktwirtschaft. Um diese zwei Dinge habe ich mich zehn Jahre lang bemüht, leider vergeblich. Und das bedauere ich zutiefst." Hier erwarte er von der EU "mehr Initiative", forderte Wen.
An dieser Stelle wurde die Übertragung der Rede plötzlich beendet. Nach Angaben eines Sprechers des EU-Ministerrates hatte die chinesische Delegation signalisiert, dies gehöre nicht mehr zum öffentlichen Teil der Eingangsworte. Die Übertragung habe man nicht wegen der geäußerten Kritik abgebrochen.
Streitpunkt Solarpaneele
Das EU-Waffenembargo gilt seit der Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989. Und die Anerkennung als Marktwirtschaft ist für China vor allem deshalb so wichtig, weil es dann besser gegen Anti-Dumping-Zölle geschützt wäre. Bei Schwellenländern kann die Kommission viel leichter Einfuhrbeschränkungen durchsetzen.
Jüngstes Beispiel sind chinesische Exporte von Solarzellen. Die Kommission prüft zurzeit, ob chinesische Hersteller ihre Solarzellen unter Selbstkosten verkaufen, um europäische Rivalen vom Markt zu verdrängen. In dem Fall drohen Einfuhrzölle. Besonders deutsche Produzenten haben unter den billigen chinesischen Importen zu leiden.
Journalisten beklagen chinesische Einflussnahme
Der Gipfel wurde nicht nur von der offenen Kritik Wens überschattet. Journalisten beklagten sich auch darüber, dass sie weder zum Tagungsort Zugang hatten, noch eine Pressekonferenz mit Wen stattfand. Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde gab offen zu, dass dies an der chinesischen Seite lag: "Wir hätten diesen Gipfel gerne mit einer Pressekonferenz gekrönt, aber das war einfach nicht möglich, weil wir uns nicht auf gemeinsame Bedingungen einigen konnten." Die Chinesen hatten offenbar gefordert, nur eine Handvoll europäische Journalisten zuzulassen, die Zahl der Fragen auf ganze zwei zu beschränken und Einfluss auf die Teilnehmerliste zu nehmen.
Der Internationale Presseverband hatte sich deswegen beim Rat beschwert. "Es ist nicht hinnehmbar, wenn die EU zustimmt, Journalisten aus bestimmten Ländern nicht zuzulassen, oder wenn dem Gastland ein Veto gegen Journalisten aus diesem Gastland eingeräumt wird", heißt es in einem Brief. Derartige Pressebeschränkungen sind allerdings nichts Neues für europäisch-chinesische Begegnungen. Auch bei früheren Gelegenheiten wurden zum Teil Pressekonferenzen kurzfristig abgesagt. Nach Ansicht des Presseverbands wollte die chinesische Seite damit unliebsame Fragen ausschließen.