EU-Mission Sophia in Seenot
20. November 2018Die EU-Verteidigungsminister haben jetzt noch sechs Wochen Zeit, um eine Verlängerung der gemeinsamen Marine-Mission Sophia im Mittelmeer auszuhandeln. Am Silvestertag würde die seit drei Jahren operierende EU-Flotte - darunter die deutsche Fregatte "Augsburg" - in die Häfen zurückkehren müssen, weil dann das erteilte Mandat endet. Die Minister konnten sich in Brüssel nicht auf die Änderungen des Mandats einigen, die die rechtspopulistische Regierung Italiens seit dem Sommer fordert. "Alle wollen, dass die Operation fortgesetzt wird. Das war einstimmig", sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nach der Sitzung der Verteidigungsminister. "Ich bin deshalb zuversichtlich, das man sich noch einigen wird."
Italien will Verantwortung loswerden
Bislang war Italien nach den 2015 beschlossenen Einsatzregeln verpflichtet, Migranten, die von Sophia-Schiffen aus Seenot gerettet wurden, in italienischen Häfen an Land gehen zu lassen. Der rechtspopulistische Innenminister Matteo Salvini von der Lega-Partei weigert sich jedoch, überhaupt noch Schiffbrüchige nach Italien einreisen zu lassen. Er droht damit, auch internationalen Marine-Einheiten das Anlegen in italienischen Häfen zu verweigern. Salvini will genauso wie Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta (Fünf-Sterne-Bewegung) erreichen, dass andere EU-Staaten die Schiffbrüchigen aufnehmen und sich um deren Asylverfahren kümmern. "Es ist nicht mehr möglich, dass Italien der einzige Landehafen ist und für alle Migranten aufkommt", sagte Elisabetta Trenta schon vor der Sitzung.
Beim Treffen der Verteidigungsminister in Brüssel an diesem Dienstag stellte sich aber heraus, dass kein Land dauerhaft zur Öffnung seiner Häfen für Migranten bereit ist. Den Vorschlag der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini das Mandat der von allen Seiten eigentlich als sinnvoll erachteten Sophia-Mission wenigstens provisorisch um ein Jahr zu verlängern, lehnte Italien ab. Denn nur eine Handvoll EU-Staaten wären bereit gewesen, auf freiwilliger Basis, aus Seenot gerettete Migranten, die üblicherweise in Libyen starten, aufzunehmen.
Keine dauerhafte Lösung in Sicht
In den Monaten zuvor hatte Matteo Salvini, der italienische Innenminister, immer wieder verbindliche Zusagen gefordert. Salvini hat bereits mehrfach privaten Rettungsschiffen die Einfahrt in italienische Häfen verweigert. Malta folgte seinem Beispiel. Diese Praxis führt dazu, dass private Hilfsorganisation ihre Arbeit weitgehend eingestellt haben.
Italien setzt wie die EU mehr und mehr darauf, dass Migranten in Seenot von der libyschen Küstenwache gerettet und dann nach Libyen zurückgebracht werden. Im Sommer hatte die im Aufbau befindliche libysche Küstenwache eine Rettungszone vor der libyschen Küste im südlichen Mittelmeer übernommen, für die bis dahin Italien zuständig war.
Die Ausbildung und die Ausrüstung der Küstenwache des sehr fragilen Staates Libyen ist ein Teil des Auftrages der Operation Sophia. In Italien und Kroatien werden Lehrgänge zur Ausbildung libyscher Offiziere abgehalten. 300 Angehörige der Küstenwache sollen bis Ende des Jahres geschult sein. Die Zentralregierung beherrscht mit der offiziellen Küstenwache allerdings nur einen Teil Libyens.
In anderen Teilen geben Milizen den Ton an, die nach Erkenntnissen von Hilfsorganisationen entweder mit Schlepperbanden oder korrupten Küstenwache-Einheiten oder beiden zusammenarbeiten. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hat diesen Umstand und auch die schlechten Zustände in libyschen Migrantenlagern immer wieder scharf kritisiert.
Rettung aus Seenot keine zentrale Aufgabe
Neben der Ausbildung der Küstenwache gehört zum Auftrag der Mission Sophia auch die Jagd auf Schlepperbanden und deren Infrastruktur. In den letzten drei Jahren konnte Sophia nach Angaben des italienischen Konteradmirals Enrico Credendino, der die Mission leitet, 545 Schlepperboote beschlagnahmen oder zerstören und 143 Schleuser festnehmen. Aufgabe ist es auch, ein UN-Waffenembargo gegen Libyen durchzusetzen.
Die Rettung schiffbrüchiger Migranten, die versuchen von der nordafrikanischen Küste nach Italien zu gelangen, ist eigentlich nicht die hauptsächliche Aufgabe der EU-Flottille. Dennoch haben die Sophia-Schiffe, Flugzeuge und Hubschrauber nach Angaben der Bundesmarine in drei Jahren rund 49 000 Menschen aus dem Meer gefischt und überwiegend in italienische Häfen gebracht. In diesem Jahr ist die Zahl der versuchten Überfahrten und auch die Zahl der Schiffbrüchigen stark gesunken. Sophia hat ständig vier Schiffe und sechs Flugzeuge im Einsatz.
Weiter verhandeln
In Brüssel soll, so EU-Diplomaten, nun weiter verhandelt werden, um die Sophia-Mission über das Jahresende hinaus zu retten. Allerdings setzt Italien das angedrohte Aus für Sophia auch als Druckmittel im Haushaltsstreit mit der EU-Kommission ein. "Das macht die Lage nicht einfacher", meinten EU-Diplomaten, die mit den Verhandlungen vertraut sind.
"Wenn es zu keiner Lösung kommt, dann ist Sophia selbstverständlich beendet. Das wäre nicht gut", sagte der österreichische Verteidigungsminister Mario Kunasek. Er gehört der rechtspopulistischen FPÖ an, die den Lega-Politiker Matteo Salvini als Verbündeten ansieht. "Man darf Italien nicht alleine lassen", sagte Kunasek in Brüssel. Österreich will aber auch keine zusätzlichen Migranten aus italienischen Häfen aufnehmen.