EU-Migrationsreform - trotz Durchbruch noch viel zu tun
4. Oktober 2023Gegenstand der Debatte im EU-Parlament ist die Notwendigkeit zu einer raschen Annahme des Asyl- und Migrationspaktes. Seit Jahren versucht die Europäische Union (EU) die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems GEAS. Das Reformpaket enthält mehrere Gesetzesvorschläge. Unter anderem sieht es schnellere Verfahren an den Außengrenzen und eine verbindlichere Verteilung von Geflüchteten innerhalb der EU vor. Derzeit wird es von den beiden europäischen Gesetzgebern, dem Rat der Europäischen Union - das sind die Vertreter der Mitgliedstaaten - und dem Europäischen Parlament verhandelt.
Weg frei für weitere Verhandlungen
Zwischenzeitlich sind die Verhandlungen über Teile der Reform wegen der Uneinigkeit der Mitgliedstaaten über die sogenannte Krisenverordnung blockiert gewesen. Am Mittwoch verkündete die spanische Ratspräsidentschaft schließlich eine Einigung. Die Krisenverordnung sieht in Ausnahmesituationen verschärfte Maßnahmen vor, wenn EU-Staaten besonders von Migration betroffen sind. Dann können Migranten etwa über einen längeren Zeitraum festgehalten werden, oder das geplante beschleunigte Grenzverfahren öfters angewendet werden. Nun dürften die Verhandlungen mit dem Europaparlament wieder in Gang kommen.
Bereits im Vorfeld der Einigung betonte die Sozialdemokratin Gabriele Bischoff, man werde diese Verhandlungen hart führen und vor allem das Grundrecht auf Asyl nicht in Frage stellen. Sie ruft dazu auf, gemeinsame Lösungen der Mitte zu finden und dem "Gift des Populismus" nicht zu unterliegen. Auch Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei, betont, dass es sich bei diesem Reformpaket um die vielleicht größte und wichtigste Reform in dieser Legislaturperiode handle. "Wenn es uns nicht gelingt, wird es ein Wachstumsprogramm für Populisten sein", warnt der Christdemokrat im Plenum.
Rechten Parteien den Wind aus den Segeln nehmen
Rechtspopulistische und rechte Parteien werfen der EU ein Versagen bei der Bekämpfung illegaler Einwanderung vor. So auch heute im EU Parlament. Marco Zanni, Parteimitglied der rechtspopulistischen Lega-Partei und Fraktionsvorsitzender der rechten Fraktion Identität und Demokratie. Er meint, dass sich in den letzten zehn Jahren seit einem Bootsunfall vor Lampedusa mit über 300 Todesopfern absolut nichts geändert habe. Seiner Ansicht nach müssten die Abreisen gestoppt werden.
Das sieht der Ko-Fraktionsvorsitzende der Grünen Partei, Philippe Lamberts, anders. Er kritisiert, die Europäische Union habe sich dazu entschieden eine Festung zu werden und dies sollten die neuen Gesetze festschreiben. "Jetzt geht es darum, die Abreisen zu verhindern, die Grenzen zu stärken, die Anreisenden einzusperren und das Ganze in Zusammenarbeit mit autokratischen Diktatoren", sagt Lamberts.
Die EU hat erst jüngst ein sogenanntes Partnerschaftsabkommen mit Tunesien abgestimmt. Weitere, etwa mit Marokko oder Ägypten, könnten folgen.
Streitfall Solidarität
Im EU-Parlament geht es am Mittwoch auch viel um die Frage der Solidarität. Dahinter steht die Dublin-II-Verordnung des europäischen Asylrechts, wonach der Staat zuständig ist, in dem ein Flüchtling oder Migrant zum ersten Mal den Fuß auf europäischen Boden setzt. Seit Jahren beklagen die Staaten an den europäischen Außengrenzen ihre Überlastung. Das neue Paket soll jetzt zu einer verpflichtenden Verteilung führen, beziehungsweise Zahlungen vorsehen, wenn Staaten keine Flüchtenden aufnehmen wollen. Dies wird von Ungarn und Polen abgelehnt. Die polnische Abgeordnete und ehemalige Regierungschefin Beata Szydlo der nationalkonservativen Regierungspartei PiS betont im Plenarsaal, ihr Land werde sich niemals darauf einlassen, illegale Migranten aufzunehmen. Den Vorschlag von Zahlungen statt der Aufnahme von Flüchtlingen bezeichnet die Politikerin als absurd.
Am Ende der Debatte betont der Vizepräsident der EU-Kommission Margaritis Schinas noch einmal diesen Aspekt der Solidarität und sagt, dass es politisch, rechtlich und moralisch ungerecht sei, die fünf EU-Staaten mit Außengrenzen mit dem Grenzschutz allein zu lassen. Es handele sich um eine gemeinsame Aufgabe.
In Brüssel und Straßburg weiß man um den Zeitdruck. Es besteht weitgehend Konsens darüber, das Reformpaket bis zu den EU-Wahlen im Juni 2024 abzuschließen.