Sorgenkind Südosteuropa
5. April 2007Vor gar nicht allzu langer Zeit, da hat man sich in der Europäischen Union die Köpfe heiß geredet über die Frage, wo denn die Ostgrenzen einmal liegen sollen. Kann ein Europa mit 30 oder 35 Staaten funktionieren? Welche Staaten gehören kulturell und zivilisatorisch überhaupt noch zu Europa? Diese Fragen sind aus den Schlagzeilen weitgehend verschwunden. Wichtigere Themen sind aufgetaucht, so wie die Debatte um die EU-Verfassung. Außerdem gibt es momentan auch keinen Grund zur Beunruhigung. Denn unter den Beitrittswilligen in Südosteuropa gibt es kaum ernste Kandidaten.
So klar wie die Streitfronten beim Thema Erweiterung sind auch die Grenzen der EU, zumindest auf die nächsten zwei Jahrzehnte hinaus. Mit der Neuen Nachbarschaftspolitik hat die EU quasi durch die Hintertür festgelegt, wen man draußen lassen will: Im Osten ist bei den jetzigen EU-Mitgliedern Schluss, Russland und Weißrussland wollen ohnehin nicht rein, die Ukraine will zwar - aber darf nicht. Und im Südosten die Türkei - dazu gibt es ein Jein der Staats- und Regierungschefs. Entscheidung vertagt.
Die Sorgenkinder Südosteuropas
Die EU bescheinigt zwar ganz Südosteuropa eine klare Beitrittsperspektive, doch konkrete Hoffnung in den nächsten Jahren beizutreten, kann sich nur Kroatien machen. Aussichten in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden hat vielleicht auch noch das winzige Mazedonien. Und dann kommt lange nichts.
Der Rest der Region hat noch nicht einmal den Kandidatenstatus erreicht. Bei Bosnien-Herzegowina und Kosovo ist das offensichtlich: Sie sind keine souveränen Staaten und kommen auch kaum einen Zentimeter auf diesem Weg voran. Serbien hält krampfhaft am Kosovo fest und bekommt vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen mangelhafter Zusammenarbeit schlechte Noten - weswegen die Beziehungen zur EU auf Eis liegen. Montenegro ist zwar seit einigen Monaten von Belgrad unabhängig, die erwarteten schnellen Schritte in Richtung EU hat das junge Land dennoch nicht vollbracht. Bliebe noch Albanien, das aber in den letzten Jahren nur durch ständige Wechsel an der Regierungsspitze von sich hören machte und in jüngster Zeit durch eine hausgemachte Energiekrise. Alle Chancen, sich auf die EU zuzubewegen, sind in den innenpolitischen Problemen erstickt.
Die EU ist keine Wundermedizin
Diejenigen, die bisher argumentierten, solche Probleme würden sich nach einer Aufnahme in die EU in Wohlgefallen auflösen, sind sehr leise geworden. Schon ein Blick nach Italien zeigt, dass die Mitgliedschaft weder ein Allheilmittel, noch eine Garantie für gute Regierungsführung und politische Stabilität ist.
Den jüngsten Beweis bietet Neuzugang Rumänien. Dort haben sich die Regierenden in Bukarest so in Querelen verstrickt, dass sogar EU-Hoffnungsträgerin Monica Macovei aus dem Justizministersessel geschasst wurde - eine willkommene Rechtfertigung für alle, die Rumänien und Bulgarien nur eine Mitgliedschaft zweiter Klasse mit Auflagen und strengem Monitoring zubilligen. Rumäniens Regierungskrise ist Wasser auf die Mühlen jener, die den Erweiterungsschwung der Gemeinschaft bremsen oder gar zum Stillstand bringen wollen. In einem müssen ihnen auch die größten Befürworter neuer Erweiterungen zustimmen: In der EU braucht man stabile Partner - und keine Sorgenkinder.