EU will Brexit-Durchbruch bis nächste Woche
10. Oktober 2018Bis zum Treffen der Europäischen Rats am kommenden Mittwoch solle ein Austrittsabkommen "in Reichweite" sein, sagte Michel Barnier. "So versuchen wir, die Chancen auf einen geordneten Rückzug zu maximieren und die Kosten des Brexits für die Wirtschaft und für unsere Unternehmen zu minimieren." Ohne Fortschritte könnte der EU-Gipfel entscheiden, die Vorbereitungen auf ein sogenanntes No-Deal-Szenario ohne Vereinbarung zu beschleunigen, hatte zuvor ein Sprecher der EU-Kommission erklärt.
Nordirland-Frage weiter ungeklärt
Barnier wiederholte, dass 80 bis 85 Prozent des Abkommens bereits ausgehandelt seien. Er verwies aber vor allem auf die offene Frage, wie eine harte Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland im Notfall vermieden werden kann. Barnier verteidigte noch einmal ausführlich die Vorschläge der EU, wonach in Nordirland EU-Zoll- und Produktregeln weiter gelten sollen. Zwischen Nordirland und dem übrigen Großbritannien soll es Waren- und Hygienekontrollen geben, sofern sie unumgänglich sind. Die EU sei auch offen für eine Zollunion mit Großbritannien, sagte Barnier.
Die Rede löste sofort heftige Kritik beim früheren britischen Außenminister Boris Johnson aus. In einer Serie von Tweets warf Johnson der britischen Regierung vor, über eine Lösung zu verhandeln, "die Großbritannien zu einer dauerhaften Kolonie der EU macht". Diese Lösung würde alle britischen Optionen verschließen, so auch die, die EU ohne Vertrag zu verlassen oder ein besonders weitreichendes Freihandelsabkommen anzustreben.
Merkel äußerst sich optimistisch
Trotz des Störfeuers aus London äußerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Arbeitsessen mit ihrem niederländischen Kollegen Mark Rutte optimistisch über den Verlauf der Brexit-Verhandlungen. Die Signale aus Brüssel seien sehr positiv, sagte Merkel am Abend in Den Haag. Wenn man bei den Verhandlungen über den Austrittsvertrag ein Stück weiterkommen könne, "dann wäre das ein sehr gutes Signal". Gleichzeitig warnte Merkel vor voreiligem Jubel: "Manchmal liegt die Tücke im Detail."
Ungeachtet der offenbar erreichten Fortschritte befasst sich die EU-Kommission weiter mit den Vorbereitungen auf ein mögliches Scheitern der Verhandlungen, wie ein Sprecher der Behörde in Brüssel mitteilte. Die Kommission riefe Regierungen und Unternehmen auf, sich "auf allen Ebenen" auf alle möglichen Szenarien vorzubereiten. Ohne Einigung zwischen der EU und Großbritannien würde ein plötzlicher und vermutlich chaotischer Bruch drohen, mit weitreichenden Folgen für den Waren- und Reiseverkehr und die Wirtschaft.
ww/ehl (afp, dpa)