EU verschärft den Ton im Nahost-Konflikt
8. Dezember 2009Die Diskussion innerhalb der Europäischen Union läuft seit Tagen. Von einer Verschärfung des Tones gegenüber Israel ist die Rede und von Uneinigkeit innerhalb der Mitgliedsländer. "Die Zeit ist reif, klare Worte zu sprechen und durchaus den Druck auf beide Seiten zu erhöhen", sagte Österreichs Außenminister Michael Spindelegger am Montag (07.12.2009). Es sei nicht akzeptabel, dass sich im Nahen Osten nichts bewege.
Diplomaten in Brüssel erklärten, der Entwurf der schwedischen Ratspräsidentschaft bezeichne Jerusalem als die künftige gemeinsame Hauptstadt von Palästinensern und Israelis. Er mache auch klar, dass die EU weder die israelische Besetzung Ost-Jerusalems noch die Besetzung des Gazastreifens und des Westjordanlandes nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 anerkenne. Die EU fordere auch den sofortigen und völligen Stopp israelischer Siedlungen in den besetzten Gebieten.
Israel: EU riskiert Mittlerrolle
Die israelische Regierung zeigte sich empört. Die schwedische Initiative sei gefährlich und könne die Bemühungen um die Wiederaufnahme der Nahost-Verhandlungen gefährden, weil sie die Haltung der Palästinenser radikalisiere, sagte der israelische Vizeaußenminister Daniel Ayalon. Außerdem setze die EU durch eine derartige Stellungnahme ihre Rolle als Vermittler im Nahost-Friedensprozess aufs Spiel.
EU-Diplomaten sagten dagegen, die Formulierungen der Erklärung sollten lediglich die Haltung der EU deutlicher machen als bisher. Israel und den Palästinensern solle klar signalisiert werden, dass die EU eine Wiederbelebung des Friedensprozesses im Nahen Osten fordere.
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn wies israelische Vorwürfe zurück, Schweden versuche die EU-Politik zu ändern. "Wir sagen ja alle, dass Ostjerusalem besetzt ist – und wenn es besetzt ist, gehört es nicht zu Israel", so Asselborn. Palästina, das sei Gaza, Westjordanland und Ostjerusalem. Das werde nicht in Brüssel oder Stockholm entschieden. "Das wird seit Jahren immer wieder in den Vereinten Nationen so beschlossen."
Finnlands Außenminister Alexander Stubb sprach sogar von einem ausgezeichneten schwedischen Vorschlag. Die EU habe Verpflichtungen und Prinzipien, an denen sie im Nahen Osten festhalte müsse. Dazu gehöre die Zwei-Staaten-Lösung, der Stopp der Siedlungen und eine Einigung über en Status von Jerusalem.
Italiens Ressortchef Franco Frattini warnte dagegen vor einseitigen Stellungnahmen. Aber auch er betonte, die EU unterstütze alles, was die beiden Seiten wieder an den Verhandlungstisch zurückbringe.
Neubestimmung der deutschen Nahost-Politik
Das ist auch Ziel einer Initiative 24 ehemaliger deutscher Spitzendiplomaten. In Briefen an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle fordern sie nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" ein Umdenken in der Nahost-Politik und eine entschlossene Haltung gegenüber der israelischen Siedlungspolitik. Israel werde nicht darauf hoffen können, sowohl den Frieden zu gewinnen als auch die palästinensischen Territorien zu behalten, zitiert das Blatt aus einem Positionspapier der Gruppe. Zwar habe sich Deutschland auf Grund seiner Geschichte zum Schutz Israels verpflichtet, wirkliche Sicherheit könne aber nur auf politischem Wege hergestellt werden, nicht durch Besetzung und Besiedlung. Von einer Existenzbedrohung Israels durch die Palästinenser könne "nicht mehr ernsthaft gesprochen" werden. Vielmehr berge die Fortsetzung des Nahost-Konfliktes "unvorhersehbare Risiken".
Um eine Zwei-Staaten-Lösung voranzubringen, sei eine härtere Gangart gegenüber den Israelis wie auch den Palästinensern nötig. So könnten "die Aufrechterhaltung bestimmter Vergünstigungen oder Transferleistungen an die eine oder andere Seite, aber auch eine stärkere Annäherung an die EU von konkreten Fortschritten bei der Konfliktbewältigung abhängig gemacht werden", schlagen die Ex-Diplomaten vor. Außerdem müssten die radikal-islamische Hamas in die Verhandlungen eingebunden und die Grenzübergänge zum Gazastreifen dauerhaft geöffnet werden. Als Initiator des Papiers nennt die "SZ" den früheren Botschafter Deutschlands in Jordanien, Martin Scheller.
Autor: Gerhard M Friese (dpa,afp,ap,rtr)
Redaktion: Martin Muno