EU-Finanzminister haben Visionen für den Euro
12. September 2015Am zweiten Tag ihres informellen Treffens in Luxemburg scheinen die Finanzminister der Europäischen Union ein gemeinsames Tagungsmotto zu haben: "Ball flach halten!" Trotz der Forderungen aus Griechenland, nach den vorgezogenen Wahlen am 20. September die Kreditvereinbarung mit den europäischen Geldgebern nachzuverhandeln, gibt man sich in Luxemburg betont gelassen. "Wir brauchen keinen Plan B", sagte der luxemburgische Ratspräsident Pierre Gramegna auf die Frage, ob die Euro-Zone bereit sei, erneut mit Griechenland in den Ring zu steigen.
"Kollektiver Unfug"
Der zurückgetretene linksradikale Ministerpräsident Alexis Tsipras, der mit einer geschrumpften Syriza-Bewegung erneut Regierungschef werden will, hatte gesagt, dass der "Kampf" mit den Kreditgebern wieder aufgenommen werden müsse. Vor vier Wochen hatten die Euro-Finanzminister 86 Milliarden Euro für ein drittes Hilfspaket für Athen gebilligt. Der Streit zuvor hatte Monate gedauert und Griechenland in die Pleite und fast aus der Eurozone getrieben. "Ich bin felsenfest überzeugt, dass sich Griechenland an das hält, was vereinbart wurde, wenn der kollektive Unfug, der Wahlkampf, einmal beendet ist", tat der Finanzminister Österreichs, Hans-Jörg Schelling, die Forderungen aus Athen ab.
Im Oktober werde überprüft, ob sich Griechenland an die Bedingungen des Kreditivertrages hält. Wenn die Überprüfung negativ ausfalle, könne eben kein weiteres Geld ausgezahlt werden, so Schelling. Der EU-Kommissar für Währungsfragen, Pierre Moscovici, trat ein wenig moderater auf. Das griechische Volk könne natürlich völlig frei und demokratisch entscheiden, wer regieren solle. Er gehe von einer klaren Mehrheit für Parteien aus, die den eingeschlagenen Kurs zur Rettung gegen Auflagen unterstützen, sagte Moscovici in Luxemburg. "Ich mache mir da überhaupt keine Sorgen."
Weidmann: Reformen sind nötig in der Eurozone
Ausführlich haben die Finanzminister der EU über eine Stabilisierung der Euro-Währungsgemeinschaft nach den anstrengenden Verhandlungen mit Griechenland nachgedacht. Die fünf Präsidenten der großen EU-Institutionen hatten dazu ein Papier vorgelegt. Bis zum Jahr 2025 soll eine vollständige Währungs- und Wirtschaftsunion verwirklicht werden.
In den kommenden zehn Jahren sollen weitere EU-Staaten den Euro als Währung einführen. Die Wirtschaftspolitik innerhalb der Euro-Zone soll gemeinschaftlicher gestaltet werden und am Ende zu mehr Wachstum, Arbeitsplätzen und Zufriedenheit der Bürger mit der Währungsunion führen.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, der an der Tagung in Luxemburg teilnahm, sagte der Deutschen Welle, es sei wichtig, dass man sich mit der Fortentwicklung der Euro-Zone beschäftigte. "Wir müssen jetzt mit einer institutionellen Ausgestaltung der Währungsunion dazu beitragen, dass dieser Rahmen, den wir beschlossen haben und der geltendes Recht ist, besser funktioniert."
Banken und Staaten müssten stärker getrennt, das Finanzsystem müsse robuster werden und man müsse eine Insolvenzordnung für Staaten diskutieren. Das Haftungsprinzip, so Weidmann, müsse durchgesetzt werden. Die Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, laufen allerdings auf eine weitere Vergemeinschaftung von Risiken hinaus, kritisiert die Bundesbank.
Europäischer Finanzminister soll gemeinsame Politik garantieren
Irgendwann soll dann auch eine europäische Wirtschaftsregierung oder ein europäischer Finanzminister eingeführt werden. Dazu müssen aber die europäischen Verträge geändert werden, was angesichts der europaskeptischen Stimmung in vielen Mitgliedsstaaten nicht einfach werden dürfte.
"Wir brauchen auf jeden Fall eine europäische Institution - man kann das Finanzminister nennen -, die Fiskalpolitik politischer betrachtet als bisher und den Ministern Vorschläge unterbreitet, wie sie ihre Fiskalpolitik machen sollen, so dass sie im Interesse des ganzen Euro-Raums ist", glaubt der Ökonom Guntram Wolff. Der Leiter der Denkfabrik "Bruegel" hat in Luxemburg mit den Ministern diskutiert. "Europäische Fiskalpolitik kann nicht nur nach Regeln funktionieren. Es muss jemand da sein, der wirklich europäische Interessen vertritt. Ich denke, ein europäischer Finanzminister macht da Sinn."
Sicherung von Bankeinlagen: Alle für einen oder einer für alle?
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Zuvor sind einige kurzfristige Entscheidungen zu treffen. Über eine streiten die EU-Kommission und Deutschland im Moment besonders heftig: Die Sicherung der Bankeinlagen von Sparern und kleinen Anlegern. Die EU-Kommission möchte die gemeinsame Sicherung für alle Bankkunden in der Euro-Zone möglichst schnell einführen.
Deutschland bremst, denn im Krisenfall könnten vor allem deutsche Geldquellen angezapft werden. Verkürzt könnte man sagen: Der deutsche Sparer und Steuerzahler müsste für gescheiterte Banken in anderen Ländern haften. Die gemeinsame Einlagensicherung soll kommen, aber erst wenn die Risiken und Altlasten aus der letzten Finanzkrise abgebaut sind.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble besteht darauf, dass die Euro-Staaten zuerst ihre nationalen Sicherungssysteme zügig aufbauen. "Die Staaten, die bisher wenig gemacht haben in dieser Richtung, sind immer sehr schnell dabei, neue Kreditlinien zu fordern", kritisierte Schäuble. Erst wenn alle auf dem gleichen Stand seien, könne eine Vergemeinschaftung der Haftung erfolgen. Die Einlagensicherung, die Guthaben bis 100.000 Euro schützt, ist Teil der größeren Bankenunion, die schrittweise umgesetzt wird. "Es kommt vor allem auf den richtigen Zeitplan an", sagte Schäuble.
Zurzeit arbeitet die gemeinsame Bankenaufsicht, 2016 kommt die gemeinsame Abwicklung von Pleitebanken hinzu. Am Ende steht dann die gemeinsame Einlagensicherung. Dazu will die EU-Kommission Mitte Oktober einen Gesetzentwurf vorlegen.
"Zunächst brauchen wir - das sagt die deutsche Seite zurecht - ein bail-in-System", sagte der Ökonom Guntram Wolff der DW. "Das heißt: Wenn Kosten entstanden sind, müssen zunächst die anderen Gläubiger der Banken dran glauben und zahlen, bevor man überhaupt in die Einlagensicherung reingeht. Insofern ist die heiße Debatte jetzt: Wie viel bail-in kriegt man hin und wann ist der Zeitpunkt für die Vergemeinschaftung, also die Einlagensicherung?"
"Flüchtlinge und Fiskalpolitik nicht vermischen"
Vom Vorstoß einiger Staaten, die Ausgaben für Flüchtlinge von den Staatsschulden abzuziehen und so die Defizitkriterien der Euro-Zone zu umgehen, hält Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wenig. Es gehe jetzt um viel größere Dinge in der Flüchtingskrise. "Das muss jetzt bewältigt werden, sonst geht uns die europäische Einigung verloren, und noch viel mehr", sagte Schäuble.
Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann meint, Flüchtlinge und Fiskalpolitik solle man nicht vermischen. Der Fall zeige eher, dass es nötig sei, einen Finanzpuffer für eventuelle Krisenfälle anzulegen. Die EU-Kommission soll prüfen, ob die Ausgaben für Flüchtlinge eventuell unter den Paragrafen der Währungsunion fallen, der "außerordentliche Umstände" nennt. Die dürften dann zu einer Erhöhung des staatlichen Defizits führen.