EU will Libyen stabilisieren
18. April 2016Die Meldung konnte bis in die Nacht nicht bestätigt werden: Vom Sender BBC und später aus somalischen und italienischen Quellen war der Hinweis gekommen, es habe im Mittelmeer eine neue Flüchtlingskatastrophe mit mehreren hundert Toten gegeben. Italiens Außenminister Paolo Gentiloni sprach von einer weiteren Tragödie.
Aber ob tatsächlich vier mit Somaliern besetzte Boote untergingen, ließ sich nicht verifizieren. Genau ein Jahr nach dem bislang größten Unglück vor der libyschen Küste, beim dem etwa 800 Menschen gestorben waren, wäre das ein weiterer Fingerzeig für die EU gewesen, wie lückenhaft ihr Einsatz gegen Schlepper nach wie vor ist.
EU will Mission "Sophia" ausweiten
"Wir müssen unser Augenmerk weiter auf die zentrale Mittelmeer-Route richten", sagt dazu die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Bisher hätten die europäischen Schiffe der "Sophia"-Mission dort 13.000 Bootsflüchtlingen das Leben gerettet, 68 Schmuggler verhaftet und 104 ihrer Boote versenkt. Jetzt aber gehe es darum, in welchem politischen Rahmen der Einsatz erneuert werden könne.
Das bisherige Mandat läuft im Sommer aus. Großbritannien, Italien und Spanien wollen dann mehr: Die neue Regierung in Tripolis solle zustimmen, dass "Sophia" auch in libysche Hoheitsgewässer wirken, also nah an der Küste Schmuggler und Flüchtlinge vom Versuch der Überfahrt abschrecken könne. Gleichzeitig solle die Mission die Aufgabe übernehmen, eine neue libysche Küstenwache auszubilden.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier betont, der Premierminister der neuen Einheitsregierung, Fajes al-Sarradsch, habe gerade diesen Wunsch an die Europäer gerichtet: Er brauche eine funktionierende und verlässliche Küstenwache. Die Ausbildung soll eventuell zunächst in Tunesien stattfinden.
Neue UN Resolution?
Frankreich will darüber hinaus, dass die EU-Mission gleichzeitig in den Kampf gegen den Waffenschmuggel eingebunden wird. Nach Geheimdienst-Berichten werden Waffen für den die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) über Ägypten nach Libyen gebracht. Für diesen Kampf aber solle man besser eine UN-Resolution beantragen, sagt der Bundesaußenminister, um ein klares Mandat zu erhalten. Dieser Punkt ist also zunächst von der Tagesordnung.
Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz wiederum kritisiert die gesamte Mission: Die Seenotrettung durch "Sophia" sei nichts weiter als ein "Ticket nach Europa", weil Schmuggler wie Flüchtlinge sich darauf verließen, von europäischen Schiffen aus dem Meer gefischt zu werden.
Lage in Libyen bleibt instabil
Die Außenminister der großen EU Länder gaben sich in den letzten Tagen bei al-Sarradsch in Tripolis die Türklinke in die Hand. Der Deutsche, Steinmeier, warnte vor zu großer Zuversicht: Noch sei nichts sicher, die Lage in Tripolis könne wieder kippen, auch wenn die Unterstützung für die unter Vermittlung der Vereinten Nationen zustande gekommene Einheitsregierung wachse. Klar ist, dass die Europäer jeden einzelnen Schritt mit der neuen Regierung absprechen müssten. Die Libyer seien misstrauisch gegen westliche Eingriffe und die Regierung brauche zudem vor allem die Unterstützung der eigenen Bevölkerung, so Steinmeier.
In einer kurzen Videokonferenz stellte sich am Abend al-Sarradsch den europäischen Außenministern vor, die ihn noch nicht in Tripolis besuchen konnten. Eine Art vertrauensbildende Maßnahme für beide Seiten am Verhandlungstisch. Es müssten zunächst auch ganz einfache Dinge angepackt werden, sagt dazu Frank-Walter Steinmeier: Deutschland habe zum Beispiel drei Millionen Euro für die Gesundheitsversorgung bereit gestellt. Man müsse helfen, Wasser- und Stromleitungen zu reparieren, Straßen instand zu setzen und das öffentliche Leben wieder in Gang zu bringen.
Das gesamte Paket der EU umfasst 100 Millionen Euro. Daraus sollen zunächst alle anfallenden Unterstützungsmaßnahmen der Union für Libyen bezahlt werden. Humanitäre Hilfen und kleinere Summen für erste Stabilisierungsaufgaben fließen bereits. Die Europäer wollen außerdem Unterstützung bei Polizeiarbeit, Anti-Terror-Maßnahmen, Grenzschutz und Menschenschmuggel leisten. Aber die Kooperation steht und fällt damit, ob die Regierung in Tripolis sich politisch in den nächsten Wochen stabilisieren kann.