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EU will Waren aus Zwangsarbeit verbieten

14. September 2022

Die Europäische Union will Güter, die unter Zwangsarbeit hergestellt wurden, gesetzlich verbieten. Einen entsprechenden Vorschlag hat die EU-Kommission nun in Straßburg vorgelegt.

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Symbolbild Moderne Sklaverei
Bild: Christoph Hardt/Geisler-Fotopres/picture alliance

Dem am Mittwoch präsentierten Entwurf zufolge sollen nationale Behörden der EU-Mitgliedstaaten künftig Ermittlungen aufnehmen, wenn Produkte in Verdacht stehen, an irgendeinem Punkt ihrer Herstellung mithilfe von Zwangsarbeit entstanden zu sein.

Die Vorschrift erstreckt sich auf Güter aller Art, gleich ob sie eingeführt werden, in der EU für den eigenen Markt produziert wurden oder für den Export bestimmt sind.

Beweise können der Kommission zufolge Berichte von Nichtregierungsorganisationen sein oder auch Videos und Zeugenaussagen von Betroffenen.

Abschreckung durch Kosten

Erhärtet sich ein Verdacht, dürfen die Produkte gar nicht erst auf den Markt oder müssen von den nationalen Behörden umgehend abgesetzt und entsorgt werden. Die dabei anfallenden Kosten müssen von den Unternehmen getragen werden, die entsprechende Produkte auf den Markt gebracht haben. "Dies stellt einen starken Abschreckungseffekt dar und bietet einen Anreiz zur Einhaltung für die Unternehmen", heißt es im Entwurf. Weigert sich ein Unternehmen, dem nachzukommen, drohen weitere Strafen.

Die Kommission wird laut Entwurf zudem eine Datenbank aufsetzen, in der Erkenntnisse über einzelne Produkte gesammelt werden.

Der Entwurf muss nun im Europäischen Parlament und im Rat diskutiert werden. Wenn die Regulierung angenommen wird und in Kraft tritt, gilt noch eine zweijährige Übergangsfrist.

Europa Puzzel Symbolbild
Die wirtschaftliche des EU-Binnenmarkts soll als Hebel dienen im Kampf gegen Zwangsarbeit, so die KommissionBild: Cigdem Simsek/Zoonar/picture alliance

Marktmacht als Hebel

EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis erklärte, Brüssel gehe mit dem Gesetzentwurf gegen "moderne Sklaverei" vor. Das geplante Verbot ziele auch auf Produkte aus Kinderarbeit ab. "Unser Ziel ist, alle Produkte, die mit Zwangsarbeit hergestellt wurden, vom EU-Markt zu entfernen, unabhängig davon, wo sie produziert wurden", sagte er.

Binnenmarktkommissar Thierry Breton nannte den gemeinsamen europäischen Markt einen "Hebel, um weltweit mehr Nachhaltigkeit voranzubringen".

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den Vorschlag bereits vor rund einem Jahr angekündigt. Damals betonte sie: "Menschenrechte sind nicht käuflich - für kein Geld der Welt."

Ende Februar hatte die EU-Kommission einen Entwurf für ein Lieferketten-Gesetz vorgestellt, das Unternehmen auf menschenrechtliche und umweltgerechte Mindeststandards entlang der gesamten Wertschöpfungskette verpflichten soll.

Im Unterschied dazu nimmt das neue Vorhaben nicht Firmen, sondern Waren in den Blick. Die Kommission begründete die Initiative mit der weiterhin hohen Verbreitung von Zwangsarbeit und den menschenrechtlichen Zielen der EU.

Weltweit rund 28 Millionen Menschen in Zwangsarbeit

Nach einem Bericht zu moderner Sklaverei, den die Internationale Arbeitsorganisation ILO, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, am Montag veröffentlicht hatte, sind weltweit 27,6 Millionen Menschen in Zwangsarbeit beschäftigt, unter ihnen 3,3 Millionen Kinder.

Die ILO definiert Zwangsarbeit als "jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat".

Darunter fallen Situationen, in denen Personen durch Gewaltanwendung oder Einschüchterung oder durch indirektere Mittel wie manipulierte Schulden, Einbehaltung von Ausweispapieren oder Androhung von Denunziation bei den Einwanderungsbehörden zur Arbeit gezwungen werden.

Die Lage in China

China wird in dem 60-seitigen Gesetzentwurf nicht namentlich erwähnt. Experten schätzen aber, dass in der chinesischen Provinz Xinjiang mehr als eine Million Menschen in Gefängnissen und Arbeitslagern inhaftiert sind. In der vor allem von Muslimen bewohnten Region befinden sich viele Fabriken unter anderem zur Textilherstellung. Nach Angaben von Experten und Menschenrechtsorganisationen beliefern sie auch internationale Firmen, darunter auch deutsche Unternehmen.

Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), begrüßte, dass die EU-Kommission Forderungen aus der Volksvertretung aufgenommen habe. "Die Frage der Umgehungsmöglichkeiten muss sicherlich noch durchleuchtet werden", betonte Lange. Der Entwurf geht nun zur Beratung an das EU-Parlament und die Mitgliedsländer.

bea/hb (kna, dpa, afp, ec.europa.eu)