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Politik

EU will "Whistleblower" besser schützen

16. April 2019

Wer Skandale aufdeckt, soll künftig rechtlich besser geschützt werden. Hinweisgeber erfüllen eine wichtige Aufgabe, meint das Europaparlament. Aus Straßburg Bernd Riegert.

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Europäisches Parlament in Straßburg | Rede zur Lage der EU von Jean-Claude Juncker
Europa-Parlament: Im letzten Plenum vor der Wahl im Mai wurde das Gesetz beschlossenBild: Reuters/V. Kessler

Bislang gewähren nur zehn der 28 EU-Staaten einen umfassenden Schutz für sogenannte Whistleblower, also Hinweisgeber und Informanten, die Rechtsverstöße wie Datenmissbrauch, Steuerskandale, Betrug oder Korruption aufdecken, in dem sie geheime Unterlagen aus Betrieben oder Behörden öffentlich machen. Mit der überwältigenden Mehrheit von 591 von 751 Stimmen beschloss das Europäische Parlaments, dass Whistleblower bald in der gesamten EU vor Entlassung und juristischer Verfolgung geschützt werden sollen, wenn sie Missstände aufdecken, die weite Bereiche des EU-Rechts berühren. Auch ihre Helfer und Journalisten, die die Informationen veröffentlichen, sollen in Zukunft besser vor Strafverfolgung geschützt werden.

Die zuständige Berichterstatterin für das neue Gesetz, die französische Sozialistin Virginie Roziere sagte, die jüngsten Skandale um Steuervermeidung in Luxemburg (LuxLeaks) und Steuerflucht in Panama (Panama Papers) hätten gezeigt, wie groß die Unsicherheit für Informanten sei. "Am Vorabend der Europawahl hat das Parlament ein starkes Signal gesendet", sagte Roiziere in Straßburg bei der Verabschiedung der neuen Regeln am Dienstag. "Es hat die Sorgen der Bürger gehört und auf strenge Vorschriften zur Gewährleistung ihrer Sicherheit gedrängt, und der Sicherheit derjenigen, die sich zu Wort melden und Missstände anprangern."

Initative Whistleblower-Schutz
EU-Kommissar Timmermans: Skandale offenlegen ist ein Dienst an der GesellschaftBild: picture-alliance/ZumaPress/W. Dabkowski

Schutz vor Strafverfolgung

Der Hinweisgeber, der die LuxLeaks-Affäre um Steuervermeidung durch große Konzerne in Europa 2014 ins Rollen brachte, wurde zusammen mit einem Kollegen und einem Journalisten in Luxemburg vor Gericht gestellt. Erst das höchste luxemburgische Gericht hob die verhängten Bewährungsstrafen schließlich teilweise auf. In vielen Staaten der EU konnten sich Behörden und Firmen bislang darauf berufen, dass Betriebsgeheimnisse von Mitarbeitern verraten oder Daten gestohlen wurden. Das soll auch in Luxemburg in Zukunft nicht mehr möglich sein. Hinweisgeber sollen sich nach dem neuen Gesetz über interne oder externe Kanäle an Beschwerdestellen wenden können. Je nach Umständen des Falles kann auch eine unmittelbare Veröffentlichung in den Medien rechtens sein - besonders dann nämlich, wenn es eine akute Gefahr wie zum Beispiel durch gepanschte Lebensmittel oder defekte Software gibt.

Luxemburg | LuxLeaks Prozess
Antoine Deltour machte die Steuerpraxis in Luxemburg öffentlich und wurde angeklagtBild: Getty Images/AFP/J. Thys

"Wir sollten Whistleblower davor bewahren, dass sie bestraft, entlassen oder verklagt werden, weil sie das Richtige für die Gesellschaft tun", sagte EU-Kommissar Frans Timmermans in Straßburg. "Genau das gewährleisten die neuen Regeln. Hinweisgeber können nun über Verstöße gegen EU-Recht in mannigfachen Bereichen berichten." Diese Bereiche umfassen Geldwäsche, Unternehmenssteuern, öffentliches Auftragswesen, Finanzdienstleistungen, Verbraucher- und Umweltschutz sowie Sicherheit von Atomanlagen. Nicht erwähnt werden in dem Gesetz, nach dem alle 28 EU-Staaten ihre Standards angleichen sollen, die Bereiche militärische Sicherheit, Außenpolitik und Staatsgeheimnisse. Deshalb würde wohl der Wikileaks-Gründer Julian Assange, der kürzlich in London verhaftet wurde, nicht den Schutz des EU-Gesetzes genießen. Er hatte vertrauliche E-Mails und Unterlagen zu militärischen Geheimnissen veröffentlicht, die unter anderem das Fehlverhalten von US-Truppen im Irak offenlegten.

Frankreich Straßburg EU-Parlament Pressesaal nach Enthüllungsjournalistin umbenannt
Der Pressesaal im Europaparlament ist nach der ermordeten Journalistin Galizia aus Malta benanntBild: EP/F. Marvaux

Ermordete Journalisten

Der deutsche CDU-Europaabgeordnete Axel Voss erinnerte daran, dass 2017 auf Malta und 2018 in der Slowakei zwei Journalisten ermordet wurden, mutmaßlich weil sie brisantes Material über korrupte Politiker veröffentlicht hatten. "Die neuen Regeln für so genannte Whistleblower sind Europas Antwort auf die schrecklichen Morde an der Journalistin Daphne Caruana Galizia aus Malta sowie dem slowakischen Journalisten Jan Kucziak. Beide recherchierten über die Veruntreuung von EU-Geldern", sagte Voss nach der Abstimmung in Straßburg. "Die Mitgliedsstaaten werden Whistleblower künftig besser schützen müssen. Es ist inakzeptabel, dass es dazu in vielen EU-Staaten bisher keine Strukturen gibt."

Die EU-Mitgliedsstaaten müssen dem Gesetz jetzt nochmals im Ministerrat der EU zustimmen, was aber als Formsache gilt. Danach wird es in nationales Recht umgesetzt. 2021 kann es voraussichtlich in Kraft treten. Malta und die Slowakei gehören übrigens zu den zehn Ländern, in denen der besondere Schutz von Informanten bereits geltendes Recht ist. Daphne Galizia und Jan Kucziak hat das nicht geholfen. Die übrigen acht EU-Länder sind Ungarn, Irland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Litauen die Niederlande und Schweden.

Whistleblower – Allein gegen das System

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union