neue Härte
20. März 2014Sanktionshungrig ist niemand in der EU. Jeder weiß, weitere Strafen für Russland können auch Europa treffen. Länder im Osten der EU, die stark von russischen Energielieferungen abhängig sind, könnten Opfer russischer Vergeltungsaktionen werden. Auch deutsche Exporteure müssen damit rechnen, dass ihnen Geschäfte entgehen. Aber Konsens ist auch, dass man Russland mit der Annexion der Krim nicht einfach davonkommen lassen kann.
Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann fasste die Stimmung in Brüssel vielleicht am besten zusammen: "Sanktionen wünscht man sich nicht. Aber wenn man sich für Werte einsetzt, kann man nicht sagen, etwas kostet zuviel."
Frankreichs Staatspräsident François Hollande stellte Moskau vor die Wahl: "Wenn Russland zu Verhandlungen bereit ist, dann werden wir nicht zu weiteren Sanktionen übergehen. Umgekehrt: Wenn es weitere unrechtmäßige Forderungen gibt, wenn Truppen operieren, wenn es Drohungen gibt, dann wird es weitere Sanktionen geben."
Drei Phasen
Die Frage ist dann immer noch: welche Sanktionen? In der ersten Phase hatte die EU nur die laufenden Verhandlungen über Visaerleichterungen und Wirtschaftszusammenarbeit ausgesetzt. Phase zwei ist ebenfalls angelaufen: 21 Personen in Russland und auf der Krim, die die EU direkt mit der Annexion der Halbinsel in Verbindung bringt, haben Einreisesperre und kommen nicht mehr an ihre Konten in der EU heran.
Dieser Kreis könnte erweitert werden auf vielleicht 100 Personen. Der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel rät: "Wir sollten erstmal die Phase zwei ausschöpfen und dann über Phase drei reden." Phase drei wären handfeste Wirtschaftssanktionen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, eigentlich keine Freundin dieser drastischen Form der Bestrafung, zeigte sich in Brüssel nun dafür offen: "Wir werden sehr deutlich machen, dass wir bei weiterer Eskalation bereit sind, wirtschaftliche Sanktionen einzuführen."
Russland wird gebraucht
Sanktionen allein, auch das ist klar, sind aber noch keine Strategie. Parlamentspräsident Martin Schulz mahnt, letztlich müsse die EU auch wieder auf Russland zugehen: "Wir brauchen für die Lösung vieler weltweiter Probleme die Kooperation mit Russland, in Syrien zum Beispiel oder im Iran. Wir müssen nach Dialogmöglichkeiten suchen und gleichzeitig Härte zeigen." Und zu einer Strategie gehört nach Bundeskanzlerin Merkel auch, "dass die ukrainische Regierung eine Regierung aller Ukrainerinnen und Ukrainer ist, egal welcher Nationalität, welchen Wohnortes." Mit anderen Worten: Auch die starke russischsprachige Bevölkerungsgruppe muss sich in einer neuen demokratischen Ukraine zuhause fühlen.
Französische Kriegsschiffe für die russische Marine
Unterdessen hat sich Parlamentspräsident Schulz auch für ein Waffenembargo gegen Russland ausgesprochen. Die Forderung ist keineswegs rein theoretisch. Denn auch wenn Russland einer der wichtigsten Waffenhersteller der Welt ist, liefern ihm auch EU-Staaten Rüstungstechnik.
Betroffen wären vor allem Frankreich und Deutschland. Frankreich will der russischen Marine in Kürze zwei Kriegsschiffe liefern. Bei Deutschland geht es unter anderem um kleinere Schusswaffen und Geräte für die Schießausbildung. Vor allem im wirtschaftlich angeschlagenen Frankreich zieht das Argument, bei einem Lieferstopp gingen dem Land etliche Millionen Euro und viele Arbeitsplätze verloren.
Schon bald Handelserleichterungen für Kiew
Während die EU oder die NATO der Ukraine keinerlei Anzeichen geben, dass sie sich Hoffnungen machen kann, die Krim wiederzubekommen, hat die Krise für Kiew auch Vorteile. Denn die EU kommt der Ukraine jetzt politisch und wirtschaftlich schneller entgegen als ursprünglich geplant: Das Assoziierungsabkommen, das der abgesetzte Präsident Viktor Janukowitsch Ende vergangenen Jahres auf russischen Druck hin platzen ließ, soll nun schnellstens unterzeichnet werden.
Bereits während des Gipfels wollen EU und ukrainische Regierung den politischen Teil des Abkommens unter Dach und Fach bringen. Darin werden zum Beispiel Demokratie und Rechtsstaat, Marktwirtschaft und die europäische Integration der Ukraine festgeschrieben. Der wirtschaftliche Teil mit den Handelserleichterungen soll später folgen.
Aber bereits vom Juni an und zunächst ohne ukrainische Gegenleistung will die EU weitgehend auf Zölle auf ukrainische Waren verzichten. Die Ukraine wird damit nach Kommissionsberechnungen um jährlich 500 Millionen Euro entlastet. Die Zusammenarbeit in Energiefragen wird ebenfalls forciert, um die Ukraine unabhängiger von russischem Gas zu machen. Und eine weitere Maßnahme betrifft grundsätzlich alle Ukrainer. Unter bestimmten Voraussetzungen werden sie wohl bald ohne Visum in die EU einreisen können.