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Eurasische Wirtschaftsunion in schwerer Zeit

Evlalia Samedova / Markian Ostaptschuk30. Dezember 2014

Einige Experten bezeichnen die Eurasische Wirtschaftsunion als Fiktion. Andere halten sie für notwendig. Das Projekt wird von der Krise in Russland belastet. Die Beziehungen zwischen den Partnern sind gespannt.

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Gipfel der Eurasischen Wirtschaftsunion in Moskau (Foto: EPA/MAXIM SHIPENKOV, dpa)
Die Präsidenten Armeniens, Weißrusslands, Russlands, Kasachstans und KirgisistansBild: picture-alliance/epa/Maxim Shipenkov

Wie geplant nimmt am 1. Januar 2015 die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) ihre Arbeit auf. Im Gegensatz zur Zollunion, aus der die EAWU hervorgegangen ist, wird die neue Gemeinschaft nicht mehr aus drei, sondern aus fünf Ländern bestehen. Neben Russland, Weißrussland und Kasachstan werden ihr noch Armenien und Kirgisistan beitreten. Im Mai 2011 hatten Russland, Weißrussland und Kasachstan die Gründung der Wirtschaftsunion vereinbart. Die Arbeit am EAWU-Vertrag begann noch im selben Jahr.

Treffen zwischen Alexander Lukaschenko und Petro Poroschenko in Kiew Ende Dezember 2014 (Foto: Lazarenko/Handout via Reuters)
Treffen zwischen Alexander Lukaschenko und Petro Poroschenko in Kiew Ende Dezember 2014Bild: Reuters/Ukrainian Presidential Press Service/Lazarenko

Der Start der EAWU fällt jedoch in eine schwierige Zeit. Russland hat mit Wirtschaftsproblemen zu kämpfen. Auch gibt es Spannungen zwischen den Mitgliedern der Union. Vor kurzem hatten der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko und dessen kasachischer Amtskollege Nursultan Nasarbajew Kiew besucht. Dort trafen sie den ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko. Er gilt als Hauptgegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Experten sehen darin kein gutes Signal für Moskau und die Zukunft der Union.

Schwierige Partnerschaft

"Die Situation ist nicht ermutigend. In dieser Phase der Integration hätte es eigentlich positive Errungenschaften geben müssen. Aber alles ist umgekehrt. In letzter Zeit sehen wir Komplikationen in Russlands Beziehungen zu seinen Partnern. Mit Weißrussland gibt es Streit wegen des Transits von Waren, und mit Kasachstan wegen Strom- und Kohlelieferungen nach Russland", sagte Alexej Portanski, Professor für Handelspolitik an der Moskauer Wirtschaftshochschule, im Gespräch mit der Deutschen Welle .

Ihm zufolge werden auch nach dem Beitritt von Kirgisistan und Armenien etwa 80 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts (BIP) der EAWU auf Russland entfallen, das die Hauptlast der Integration tragen wird. "Dies sieht man schon jetzt an den ständigen Zugeständnissen und finanziellen Hilfen für Weißrussland. Es werden Zugeständnisse an Kirgisistan und Armenien folgen. Jeder neue Beitritt zur Union bedeutet für Moskau Kosten", so Portanski.

"Eine Fiktion wie die GUS"

"Moskau braucht supranationale Organisationen, um sich groß und mächtig zu fühlen", meint der russische Politologe Andrej Piontkowski. Russlands Nachbarn hätten in den vergangenen Jahren "Moskaus imperiale Komplexe" nur ausgenutzt. Lukaschenko habe für die Teilnahme an den Integrationsprojekten des Kreml Geld bekommen und Nasarbajew die Garantie, dass die kasachische Staatsgrenze unangetastet bleibt. "Nasarbajew hat ein schwaches Gebilde geerbt, dessen nördlicher Teil von Russen dicht besiedelt ist", erläutert Piontkowski.

Gründung der GUS-Staaten 1991 (Foto: NOVOSTI/AFP/Getty Images)
Die Ukraine, Weißrussland und Russland gründeten 1991 die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)Bild: Novisti/AFP/Getty Images

Doch jetzt hätten Lukaschenko und Nasarbajew Putins Schwäche erkannt. Die westlichen Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise würden sie beobachten und sehen, wie anfällig Russlands Wirtschaft sei.

Trotz Spannungen werde aber die EAWU, wenn auch nur formal, ihre Arbeit am 1. Januar aufnehmen. "Es wird eine Totgeburt sein, eine Fiktion wie die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Eigentlich wollen die Teilnehmer nicht, dass sich Moskau für sie irgendwie abmüht oder sie noch belehrt", sagte der Politikwissenschaftler. Doch dies zu ändern, werde sehr schwierig sein.

Geopolitische Interessen

Wladimir Scharichin vom Moskauer GUS-Institut wies im Gespräch mit der DW darauf hin, dass die EAWU nicht allein am wirtschaftlichen Gewinn gemessen werden dürfe. "Wenn man die Vor- und Nachteile Russlands von der EAWU rein wirtschaftlich betrachtet, dann gibt es nur Verluste. Aber wenn man das geopolitisch und strategisch sieht, dann gibt es durchaus Vorteile", sagte der Experte der DW. Ein Beispiel sei die Präsenz der russischen Luftabwehrkräfte in Weißrussland. "Wirtschaft und Geopolitik kann man in der EAWU nicht trennen", so Scharichin. Er ist überzeugt, dass die EAWU zunehmend zu einem "Konkurrenten für den energiearmen Westen" werde.

Aber so schnell, wie man es geplant habe, werde die EAWU nicht zu einem wirklich wettbewerbsfähigen Block werden, meint Alexej Portanski. Dem Professor der Moskauer Wirtschaftshochschule zufolge hängt der Erfolg des gesamten Unterfangens vor allem davon ab, wie schnell Russland die gegenwärtige Krise überwindet. Je länger die geopolitischen Interessen Russlands vor den wirtschaftlichen Vorrang hätten, desto länger würde der Aufbau der Union dauern. "Heute überwiegt die politische Komponente. Aber die Integration sollte in erster Linie im Bereich des Handels und der Wirtschaft stattfinden", so Portanski.