Erst nachdenken, dann reden, sagt der Bundesfinanzminister
26. Januar 2015"Wir werden sehen, wie die neue Regierung (in Athen) die Lage sieht, wir haben heute nicht viel zu bereden", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vor dem Treffen mit seinen Kollegen der Eurogruppe. Damit wollte er die wartenden Journalisten wohl eher amüsieren, räumte Schäuble doch gleichzeitig auf die Frage nach den möglichen Konsequenzen aus der Griechenlandwahl ein : "Wir spielen vieles durch, wir verbieten das Denken nicht, aber wir denken erst nach, bevor wir was sagen…". Und nachgedacht wurde zunächst hinter verschlossenen Türen, wobei sich der deutsche Finanzminister am Spiel "was wäre wenn" am wenigsten beteiligte. Einen kleinen Warnschuss in Richtung Alexis Tsipras aber mochte auch er sich nicht verkneifen: "Niemand drängt Griechenland etwas auf", aber die getroffenen Verabredungen müssten nach wie vor gelten. Und ungefragt wolle er Athen auch keine guten Ratschläge geben, betont Wolfgang Schäuble. Er weiß, dass die sowieso nur weitere Trotzreaktionen bei der neuen Regierung auslösen würden.
Erste Warnungen, aber keine Drohung
Auch Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem übte Zurückhaltung: Man müsse erst einmal abwarten, bis die Regierung in Athen im Amt sei und ihre Vorstellungen vorgetragen habe, sagte er nach dem Treffen in Brüssel. Jetzt brauche man ein wenig Geduld. Auf jeden Fall unterstütze die EU den Wunsch in Athen nach wirtschaftlicher Erholung und den Willen, in der Eurozone zu bleiben. Am Mittag allerdings war Dijsselbloem schon etwas deutlicher geworden: Er sehe kaum Unterstützung für den von Tsipras geforderten Schuldenschnitt. Wer in der Eurozone bleibe, müsse sich an Verabredungen halten. Außerdem hätten die Mitgliedsstaaten schon viel getan, um die Schuldenlast in Athen zu mindern, etwa über niedrige Zinsen und gestreckte Kreditlaufzeiten. "Es ist die Frage, ob wir noch mehr dazu tun müssen", so der Niederländer. Und was die erwarteten Gespräche über die Verlängerung des Rettungsprogrammes angeht, das Ende Februar ausläuft, verwies er auf das nächste Treffen in wenigen Wochen - bis dahin werde man schon mehr wissen.
Südeuropa wartet auf Lockerung der Sparpolitik
Hinter den Kulissen aber reißen die unterschiedlichen Interessenlagen der Euroländer auf. Die Linksparteien in Südeuropa, vor allem in Spanien und Portugal, fühlen sich massiv im Aufwind: Sie feiern den Wahlsieg von Syriza als ein Votum gegen die Sparpolitik und das "Diktat von Angela Merkel", wie etwa die spanische Podemos-Bewegung, die nach griechischem Muster ebenfalls auf Erfolge bei den Parlamentswahlen im Winter hofft. Schon während des Wahlkampfes in Griechenland hatten ihre Vertreter das Bild einer europäischen Revolution entworfen, die vom Süden her für eine neue Politik in Europa sorgen werde. Die früheren Krisenländer Portugal und Spanien sind inzwischen dem EU Rettungsprogramm entwachsen und können sich selbst wieder am Kapitalmarkt finanzieren, müssen ihre Staatsschulden aber in den nächsten Jahren restrukturieren. Nach wie vor ist in beiden Ländern die Arbeitslosigkeit hoch und die Bevölkerung leidet unter Sparmaßnahmen. Zwar haben sich die konservativen Regierungen in Madrid und Lissabon noch nicht offiziell zu den griechischen Forderungen geäußert. Klar ist aber, dass sie mit Argusaugen beobachten, ob Griechenland mit seinen Schulden einen Sonderstatus erhält. Steht so etwas an, werden sie auf Gleichbehandlung pochen.
Auch die Schwergewichte in Rom und Paris wollen mehr Geld ausgeben
Italien hält sich zunächst in der Griechenlandfrage bedeckt: Es sei klar, dass man mit der neuen Regierung in Athen reden werde, betonte Finanzminister Pier Carlo Padoan in Brüssel, aber in punkto Schuldenschnitt will er nichts sagen: Kein Wunder, Italien gehört mit zu den Gläubigern Griechenlands. Ansonsten spielt er das italienische Lied vom Vorrang für Wachstum, das in Rom seit Monaten auf dem Programm steht. Dort will man schon lange mehr Flexibilität im Umgang mit dem Stabilitätspakt, weil die Regierung Renzi ihn im Prinzip nicht einhalten kann. Jede partielle Abkehr von der Sparpolitik würde daher von Italien begrüßt und sofort genutzt.
Ähnliches gilt auch für Frankreich: Dort ist die Lage zwar nicht weniger prekär, aber auch Präsident Hollande dürfte sich vom Syriza Sieg beflügelt fühlen – er warb bereits für eine enge Zusammenarbeit mit Griechenland, um "für Wachstum und Stabilität in der Eurozone" zu sorgen. Finanzminister Michel Sapin äußerte sich in Brüssel daher auch zweideutig: Man werde mit der neuen Regierung in Athen über alles reden, über die Regeln, über Reformen und den besten Weg, wieder Wachstum zu erzielen. Schließlich müssten die Griechen die Freude an Europa wieder gewinnen, die sie in den letzten Jahren verloren hätten.
Der nächste Zeitpunkt dafür kommt noch vor Ende Februar: Bis dahin muss über eine Verlängerung des Hilfsprogramms entschieden werden, aus dem Griechenland noch rund 7 Milliarden Euro zu erwarten hat. Noch unter der konservativen Vorgängerregierung waren die Geldgeber nicht zufrieden mit dem Stand der versprochenen Reformen. Wie Alexis Tsipras sie nun überzeugen will, die von ihm dringend benötigten Milliarden zu überweisen, ist offen. In einem Interview mit der BBC sprach der designierte Finanzminister Yanis Varoufakis inzwischen von der Sparpolitik als "fiskalischem Waterboarding, das Griechenland in eine Schuldenkolonie" verwandelt habe. Die ersten Verhandlungen mit ihm am Tisch der Eurogruppe dürften interessant werden.