1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Suche nach dem Endlager

Christian Ignatzi13. April 2014

Deutschland will bis zum Sommer ein neues Gesetz erlassen, das die Suche nach Endlagerstätten für Atommüll regelt. Die Suche könnte noch Jahre dauern - doch auch in den Nachbarländern gibt es kaum Fortschritte.

https://p.dw.com/p/1BgyE
Symbolbild Atommüll
Bild: picture-alliance/dpa

Gorleben kennt in Deutschland wohl noch immer jedes Kind. Der Name der Gemeinde in Niedersachsen steht unweigerlich für die Proteste der Atomkraftgegner. Seit mehr als 30 Jahren versuchen sie zu verhindern, dass im ansässigen Salzstock eine Endlagerstätte für radioaktiven Müll entsteht. Nun soll endlich Ruhe einkehren in dem Örtchen im Nordosten der Bundesrepublik. Bund und Länder einigten sich am Dienstag (08.04.2014) darauf, bis zum Sommer ein neues Gesetz zu erlassen. Das soll die Suche nach einem Endlager für radioaktiven Müll regeln.

Während ein Teil des deutschen Atommülls nach wie vor im heutigen Zwischenlager in Gorleben zwischengeparkt ist, sieht die Situation in den Nachbarländern nicht viel besser aus. Doch die Zeit drängt. Auf der ganzen Welt gibt es bislang kein Endlager, in dem radioaktiver Müll für die Ewigkeit deponiert werden kann. "Und bis das mal soweit ist, werden noch - optimistisch geschätzt - mindestens 20 Jahre vergehen", sagt der Geologe am Öko-Institut Darmstadt, Stefan Alt. Dabei fordert die EU von ihren Mitgliedsstaaten bis zum Jahr 2015 Pläne, wie und wo sie den gefährlichen Müll lagern wollen.

Auch in den Nachbarländern gerät die Suche ins Stocken

Die Suche läuft auf Hochtouren. Das Problem in den Nachbarländern sei die Beschaffenheit der Böden, sagt Alt: "Während Deutschland Salz-, Granit- und Tonböden hat, in denen man Atommüll lagern kann, ist die Auswahl etwa in Frankreich und der Schweiz nicht so groß." Frankreich etwa setze bei der Suche nach Endlagerplätzen fast ausschließlich auf Tonböden - und scheint zwischenzeitlich fündig geworden zu sein.

AKW Grafenrheinfeld
Stein des Anstoßes: Radioaktiver Müll, der bei der Stromgewinnung in Atomkraftwerken entstehtBild: picture-alliance/dpa

Im lothringischen Bure in der Nähe der deutschen Grenze untersucht die Regierung in einem Untertagelabor die Gesteinsschichten und plant dort ein Endlager. 2025 hofft Frankreich, den Betrieb aufnehmen zu können. Geologe Stefan Alt ist skeptisch: "Sie beginnen dort gerade erst mit den Prüfungen." Großen Widerstand der Bevölkerung gibt es nicht. "In Frankreich existiert traditionell keine große Anti-Atom-Bewegung", sagt Alt. "Wobei das natürlich ein bisschen anders aussieht bei den Leuten, die das Lager irgendwann vor ihrer Haustür haben sollen."

Kleine Länder auf der Suche nach Lagermöglichkeiten

In der Schweiz sind die Diskussionen dagegen schon heute lebhafter. "Je konkreter ein möglicher Standort wird, desto stärker melden sich die Bürger zu Wort", sagt Alt. Seit 2008 stehen in der Schweiz sechs potenzielle Standorte zur Debatte. Sogar Deutsche dürfen bei der Auswahl mitreden, zumindest dann, wenn es sich um mögliche Lagerstätten in Grenznähe handelt. 2019 könnte es eine Volksabstimmung darüber geben.

In Belgien stammt heutzutage 55 Prozent der Energie aus Atomkraft. "Belgien ist aber ein sehr kleines Land, das wenig Möglichkeiten für Endlagerstätten hat", sagt Alt. "In der Stadt Mol ist eine Forschungseinrichtung, das Problem ist aber, dass die Tonformationen dort nicht massiv genug sind, um als Lagerstätte infrage zu kommen."

Stefan Alt Geologe
Stefan Alt: "Bis Endlager fertig sind, werden noch mindestens 20 Jahre vergehen"Bild: Öko-Institut

Belgiens Nachbar, die Niederlande, haben ein ähnliches Problem. "Dort existiert nur ein kleines Atomprogramm", sagt Alt, "trotzdem müssen die Abfälle irgendwo unterkommen." Die Niederlande suchten deshalb verstärkt nach Kooperationen mit anderen Ländern. Denkbar sei solch eine Lösung auch deshalb, weil diese Vorgehensweise im europäischen Rechtssystem ausdrücklich vorgesehen ist.

Jahrzehntelange Tradition kritischer Stimmen

Mit diesen Überlegungen sind die Niederlande schon deutlich weiter als Tschechien. "Die Lage in Tschechien ist schon seit Monaten undurchsichtig", sagt Geologe Alt. Doch auch die Tschechen wehren sich gegen die Pläne der Regierung, Endlager in ihrer näheren Umgebung zu errichten.

Greenpeace Aktion gegen Gorleben
Proteste gegen Atommülll-Transporte in GorlebenBild: picture-alliance/dpa

Der Rundumblick zeigt: Bei den Nachbarländern tut sich viel bei der Suche nach Endlagern, bislang aber ohne greifbare Ergebnisse. Im Vergleich zum Ausland ist die Situation hierzulande deutlich schwieriger, glaubt Stefan Alt. "Das liegt zum einen an der jahrzehntelangen Tradition kritischer Stimmen gegenüber der Atomkraft in Deutschland." Die Fraktionen stünden sich unversöhnlich gegenüber. Ein weiterer Grund sei, dass die Atomkraft in Deutschland auf der Agenda nicht weit oben stünde: "Wir haben hier keine starke Abhängigkeit von ihr, und nach dem Ausstiegsbeschluss ist das Thema aus der Öffentlichkeit zurückgegangen."

Erste Endlagerstätte der Welt

Lediglich Skandinavien mache derzeit große Fortschritte bei der Suche nach Endlagern. In Finnland wird auf der Insel Olkiluoto gerade das erste Lager gebaut. "Die Akzeptanz der Bevölkerung ist viel höher als in Deutschland und den Nachbarländern", sagt Alt. "Das ist aber nicht verwunderlich, da der technische Wissensstand dort sehr hoch ist, und sich auf der Insel bereits ein Atomkraftwerk befindet." Außerdem wecke Atomkraft in Finnland andere Assoziationen als in Deutschland. Sie stehe für die Hoffnung auf Wohlstand und Arbeitsplätze.

Reibungslos läuft der Bau aber auch auf Olkiluoto nicht ab: Derzeit finden weitere Untersuchungen statt, die noch für einen Baustopp sorgen könnten. Wann das Lager letztlich in Betrieb gehen könnte, ist ebenfalls unklar. Geologe Alt: "So ein Lager entsteht nicht über Nacht. Das Atomzwischenlager Konrad in Deutschland war erst nach 20 Jahren fertig. Die Vorgeschichte reicht aber 30 bis 40 Jahre zurück."