Europa, Iran, USA - gefährliche Verhältnisse
25. Juli 2018In der Nacht zum 14. Juli waren es genau drei Jahre: Im Wiener Palais Coburg war nach 13 Jahren schwierigster Verhandlungen das Ende des Atomstreit mit dem Iran verkündet worden - der Abschluss des umständlich "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPoA) genannten Atomabkommens. Dieses Abkommen gilt den Europäern als größter Erfolg beharrlicher Diplomatie der jüngeren Vergangenheit. Seinen dritten Geburtstag erlebte das Atomabkommen in arg ramponiertem Zustand. Der JCPoA liegt nach dem Rückzug der USA Anfang Mai auf der Intensivstation. Und wie martialisch die Rhetorik speziell zwischen Washington und Teheran inzwischen geworden ist, zeigte sich in den per Twitter ausgetauschten Drohungen vom vergangenen Wochenende. Immerhin: US-Präsident Trump ließ seinen in Großbuchstaben auf Twitter ausgestoßenen Drohungen am Dienstag in Kansas bei einer Rede vor Veteranen versöhnlichere Töne folgen:"Wir sind bereit, einen echten Deal abzuschließen – nicht den Deal, den die vorherige Administration ausgehandelt hat, der eine Katastrophe war."
Sabotage von Seiten der USA
Es fehlt nicht an Bekundungen der verbliebenen Vertragspartner im JCPoA - also Deutschlands, Englands, Frankreichs, Russlands, Chinas und eben des Iran -, das von Trump so geschmähte Abkommen zu retten und an den Verpflichtungen festzuhalten. Allerdings sind die USA nicht bloß ausgestiegen. Ellie Geranmayeh vom European Council of Foreign Relations zufolge sabotiert Washington sämtliche Versuche zur Rettung des Atomdeals. "Die USA arbeiten aktiv daran, es für die Europäer unmöglich zu machen, ihre Seite des Atomabkommens einzuhalten", sagte Geranmayeh der DW.
Die Mittel der USA: Sie üben mit der Verhängung scharfer Sekundärsanktionen Drohungen und Druck auf jedes Land und jedes Unternehmen aus, das weiter wirtschaftliche Kanäle mit dem Iran offen halten will. Besonders schmerzhaft für Teheran sind die Finanzsanktionen, die das Land praktisch vom internationalen Zahlungsverkehr abkoppeln, sowie der Versuch der USA, den Export von iranischem Öl ab dem 4. November möglichst auf Null zu drücken. Die Ankündigungen der USA haben bereits jetzt zu einem Exodus internationaler Firmen aus dem Iran geführt und für eine wachsende Zahl europäischer Unternehmenslenker ist der Iran-Deal bereits tot.
Ohne wirtschaftliche Anreize aber wird Iran seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Deshalb betont der Grünen-Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour gegenüber der DW, die Schaffung dieser Anreize sei eine große Herausforderung. "Zentraler Punkt", sagt Nouripour, "sind die Ölexporte des Landes. Europa muss Instrumente schaffen, wie diese Lieferungen weiterhin abgewickelt werden können".
Türkischer Widerstand
Das ist leichter gesagt als getan. Seit Monaten sind Delegationen des US-Finanzministeriums und des US-Außenministeriums weltweit unterwegs, um bedeutende Käufer iranischen Öls von weiteren Käufen abzuhalten. Seltenheitswert hat bei diesen Reisen eine Abfuhr, wie sie sich letzte Woche in Ankara Marshall Billingslea abholte, der stellvertretender Leiter der Abteilung für die Finanzierung von Terrorismus im US-Finanzministerium. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavosoglu wird von türkischen Medien mit der Bemerkung zitiert, die türkische Seite habe der US-Delegation mitgeteilt, sie werde sich an den Sanktionen nicht beteiligen, halte die Sanktionen für falsch und werde weiterhin iranisches Öl kaufen.
Sehr viel häufiger haben die US-Delegationen Erfolg. In Europa haben bereits die französische Total und die niederländische Shell weitere Käufe iranischen Öls gestoppt. Total-Vorstandschef Patrick Pouyanne hatte den Schritt damit begründet, es sei undenkbar für ein internationales Unternehmen, den Ausschluss vom US-Finanzsystem zu riskieren. Das ist die angedrohte Strafe. Auch aus anderen wichtigen Abnehmerländern wie Indien, Südkorea und Japan werden Rückgänge bei den Bestellungen iranischen Öls gemeldet.
Ein Nadelöhr: Straße von Hormus
Die Fähigkeit zum Ölexport ist für den Iran aber eine rote Linie. Sein wirtschaftliches Überleben hängt davon ab. Deshalb hatte Irans Präsident Hassan Rohani bei seinem Besuch in Europa Anfang Juli mit Blick auf die von Iran kontrollierte Straße von Hormus auch erklärt: "Die Annahme, der Iran könne der einzige Ölproduzent werden, der sein Öl nicht exportieren könne, ist falsch". Der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden hat das ergänzt mit der Drohung, die Revolutionsgarden "würden sicherstellen, dass der Feind versteht, dass entweder jeder die Straße von Hormus benutzen kann oder niemand". Durch diese Meerenge passieren rund 35 Prozent des weltweit auf dem Seeweg exportieren Öls. Wer dieses Nadelöhr der globalen Ölversorgung schließt, würde eine militärische Auseinandersetzung zwischen der iranischen und der US-Marine riskieren.
Zwar zeigt sich in Rohanis Erklärung eine Verhärtung der iranischen Position. Insgesamt aber beobachtet Iran-Expertin Geranmayeh ein Festhalten Teherans an einer Strategie der "strategischen Geduld". Die werde vermutlich noch bis zum November anhalten. Denn zum einen warte Teheran die Wahlen zum US-Kongress im Oktober ab. Daraus wolle man Rückschlüsse ziehen, ob man es nur noch zweieinhalb Jahre mit Donald Trump als US-Präsident zu tun habe oder erheblich länger. Zum anderen wolle Teheran abwarten, was die Gespräche mit den Europäern, Russland und China an greifbaren Ergebnissen in wirtschaftlicher und auch politischer Hinsicht bringen.
Arbeitet Washington am Regimewechsel?
Die Abstimmung zwischen Brüssel, Moskau und Peking zum Thema Iran bewertet der Grünen-Politiker Nouripour als gut. Das transatlantische Verhältnis gerate dadurch allerdings in eine ernsthafte Krise. "Europa wird mit China und Russland gleichsam in eine diplomatische Zwangsehe gedrängt", kritisiert Nouripour, der auch außenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag ist. Nouripour kritisiert weiter, die amerikanische Politik gefährde die Sicherheit Europas: "Nicht zuletzt durch den wachsenden Einfluss der Volksmudschaheddin, einer autoritären, gewaltsamen und bei den Iranerinnen und Iranern weitgehend verhassten Oppositionsgruppe, hat in Washington die Idee eines Regimewechsels von außen Fuß gefasst. Diese Politik bedeutet in letzter Konsequenz Krieg", warnt der Grünen Abgeordnete.
In dem "sehr konfrontativen" Ansatz der amerikanischen Iran-Politik sieht Ellie Geranmayeh einen weiteren Konfliktpunkt zwischen Europa und den USA. Neben dem Versuch, die iranische Wirtschaft durch ein strenges Sanktionsregime abzuwürgen, zählt die Iran-Expertin weitere Instrumente auf, mit denen die USA direkten Einfluss auf die internen Angelegenheiten des Landes nehmen. Dazu gehört die Einrichtung neuer persisch-sprachiger Medien wie auch die regelmäßige Unterstützung demonstrierender Iraner durch Tweets von Donald Trump oder Außenminister Pompeo. "Dass nun auch noch John Bolton im Weißen Haus ist, der sich immer wieder für Regimewechsel im Iran ausgesprochen und die Bombardierung des Landes gefordert hat, sorgt für große Besorgnis in europäischen Hauptstädten, worauf die US-Strategie im Iran letztlich abzielt", fügt Geranmayeh abschließend hinzu.