Arsenal will "für Micki" siegen
29. Mai 2019Aus der geplanten Solidaritätsaktion seiner Mitspieler wird nichts. Die Europäische Fußball-Union (UEFA) verbot den Profis des FC Arsenal, sich vor dem Anpfiff des Europa-League-Finals in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku gegen den FC Chelsea in Mkhitaryan-Trikots aufzuwärmen. Die Arsenal-Profis wollten auf diese Weise ein Zeichen setzen und alle Welt darauf aufmerksam machen, dass ihr armenischer Kollege Henrikh Mkhitaryan wegen Sicherheitsbedenken nicht nach Baku kommen konnte - oder wollte, wie es die Regierung Aserbaidschans interpretierte, die für Mkhitaryans Absage wenig Verständnis zeigte. Die Sicherheit des 30-Jährigen sei garantiert, ließen die Behörden in Baku wissen.
Willkürliche Verhaftungen
Amnesty International weist seit Jahren auf gravierende Verletzungen der Menschenrechte in Aserbaidschan hin. Man dürfe es nicht zulassen, dass die Machthaber in Baku ihre "empörende Menschenrechtsbilanz" durch Fußballfolklore "sportwasche", sagte Kate Allen, Direktorin bei Amnesty Großbritannien. Journalisten, Blogger und Menschenrechtsaktivisten würden rücksichtslos verfolgt, Homosexuelle und Transgender festgenommen.
"Die Menschenrechtslage ist hier ein Problem", räumte UEFA-Präsident Aleksander Ceferin in einem Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" ein, schob aber gleich nach: "Das ist sie in anderen europäischen Staaten jedoch auch." Wie gefährlich die Reise nach Baku für Mkhitaryan wäre, lässt sich schwer abschätzen. Präzedenzfälle, bei denen prominente armenische Sportler in Aserbaidschan festgehalten oder angegriffen worden wären, sind nicht bekannt. Mkhitaryan hat in der Vergangenheit mehrfach auf Reisen nach Aserbaidschan verzichtet, weil er um seine Sicherheit fürchtete.
So blieb er 2015 zu Hause, als sein damaliger Arbeitgeber Borussia Dortmund in der Europa League beim aserbaidschanischen Klub FK Qäbälä antrat - und auch 2018 beim Spiel des FC Arsenal bei Qarabag Agdam. Hintergrund der Sorge Mkhitaryans ist der seit drei Jahrzehnten schwelende Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg Karabach im Südkaukasus. Sie liegt im muslimisch geprägten Aserbaidschan, wird aber von christlich-orthodoxen Armeniern bewohnt.
Mkhitaryan war mehrfach in Berg Karabach
Der Konflikt, dessen Wurzeln rund 100 Jahre zurückliegen, brach Ende der 1980er Jahre aus. Mehrere zehntausend Menschen starben, viele wurden vertrieben. Der seit 1994 geltende Waffenstillstand wird immer wider gebrochen. Aserbaidschan besteht darauf, dass jeder, der nach Berg Karabach einreisen möchte, zuvor eine Genehmigung des Außenministeriums in Baku einholen muss. Bei Verstößen drohen Gefängnisstrafen.
2017 wurde ein russischer Blogger deswegen zu drei Jahren Haft verurteilt. Mkhitaryan besuchte mehrmals Berg Karabach, unter anderem 2012 als Spieler des ukrainischen Top-Klubs Schachtjor Donezk.
Mitspieler im Hinterkopf
Bernd Leno, deutscher Torwart des FC Arsenal, kann die UEFA-Vergabe des Finals nach Baku nicht verstehen. "Wenn die Voraussetzung nicht gegeben sind und ein Spieler aus politischen Gründen nicht antreten kann, dann ist das nicht richtig", sagte der 27 Jahre alte Nationaltorwart dem "Kicker". Er habe volles Verständnis für Mkhitaryans Entscheidung, nicht nach Baku zu fahren. "Unsere Mannschaft hat das natürlich im Hinterkopf. Wir wollen auch für Micki siegen", sagte Shkodran Mustafi, neben Leno und Mesut Özil einer von drei Deutschen beim FC Arsenal.
Arsenal wartet seit 25 Jahren auf europäischen Titel
In sportlicher Hinsicht sehen die Experten im Londoner Stadtduell eher den FC Chelsea in der Favoritenrolle. Für den FC Arsenal geht es aber um mehr als nur den Titel. Als Fünfter der Premier League verpassten die "Gunners" die Champions League. Ein Final-Sieg würde die nachträgliche Qualifikation für die Königsklasse bedeuten, die Chelsea als Dritter schon sicher hat. "Für uns geht es um zwei Erfolgserlebnisse", sagte Mustafi: "Daher sind wir doppelt motiviert."
Während Chelsea 2012 als Spielverderber im Münchener "Finale dahoam" die Champions League gegen Gastgeber FC Bayern gewann und ein Jahr später auch die Europa League, wartet Arsenal seit dem Gewinn des Europapokals der Pokalsieger vor 25 Jahren auf eine weitere europäische Trophäe für die Pokalvitrine.