Grünen-Nachwuchs greift an
7. Februar 2014Rebecca Harms ist nicht bekannt dafür, schnell aufzugeben. Die 57-jährige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament kämpft um den ersten Listenplatz und wirft dabei ihre große politische Erfahrung in die Waagschale. Herausgefordert wird die streitbare Atomkraftgegnerin von einer viel Jüngeren, von Franziska Keller, genannt Ska, 32 Jahre alt und seit fünf Jahren Mitglied des Europaparlaments. Sie gehört zur Generation der jungen Grünen, die mit großem Einsatz die dicken Bretter der Europapolitik bohren.
Rückenwind bekam Ska Keller in einer europaweiten Online-Abstimmung über die grünen Spitzenkandidaten. In diesen sogenannten "Green Primaries" landete die Brandenburgerin auf dem ersten Platz. Allerdings erwiesen sich die erstmals abgehaltenen Vorwahlen als wenig repräsentativ. Die Beteiligung war mau, auch wegen technischer Probleme. Anstatt der erhofften 100.000 Stimmen gingen nur gut 22.000 ein. "Es war ein Experiment mit einer etwas unglücklichen Versuchsanordnung", resümiert Michael Kellner, der Bundesgeschäftsführer der Grünen. "Wir sind nicht zufrieden mit der Beteiligung."
Jung gegen Alt
Die Idee der Grünen war es, die Wähler schon lange vor dem Urnengang im Mai in Entscheidungen mit einzubeziehen. Beschert hat dieses unglückliche Experiment den Grünen nun eine Kampfabstimmung bei ihrem Europaparteitag in Dresden (07.-09.02.2014). Sollte Ska Keller gewinnen, dann setzt sich der Generationswechsel fort, der bei den Grünen nach der Bundestagswahl begonnen hat. Mit 8,4 Prozent der Stimmen waren sie im September 2013 deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben und sind weiterhin die kleinste Oppositionspartei im Bundestag.
Daraufhin hatten sich führende Grüne aus jener Generation zurückgezogen, zu der auch Rebecca Harms gehört. Sie aber stellt sich dem Duell "Jung gegen Alt", das die Parteispitze lieber als Zusammentreffen von Erfahrung und Erneuerung wertet - schließlich landet die Unterlegene sicher auf dem dritten Listenplatz. Bei den Männern haben der Globalisierungsgegner Sven Giegold und Reinhard Bütikofer die besten Karten, der Ko-Vorsitzende der Europäischen Grünen. Ihm wird allerdings die missglückte Online-Vorwahl angekreidet, deren Initiator er war.
Schwierige Ausgangslage
Giegold und Bütikofer sind beide im Europaparlament, wo die Grünen derzeit über insgesamt 58 Sitze verfügen. Nach der Wahl im Mai könnten es weniger sein, denn in vielen europäischen Ländern haben grüne Parteien einen schweren Stand. Die deutschen Grünen gehören europaweit zu stärksten - sie wollen ein Ergebnis von mehr als zehn Prozent erzielen. Dabei setzen sie auf klassische grüne Themen wie den Klimaschutz und den Ausbau der erneuerbaren Energien, fordern einen besseren Daten- und Verbraucherschutz und äußern scharfe Kritik am geplanten Freihandelsabkommen mit den USA.