Europas Christdemokraten haben neuen Chef
31. Mai 2022Manfred Weber steht künftig an der Spitze der größten europäischen Parteienfamilie EVP. Der 49-jährige Deutsche wurde am Dienstagabend bei einem Kongress in Rotterdam ohne Gegenkandidat mit 89 Prozent der Stimmen zum Präsidenten der christdemokratischen Organisation gewählt, der auch die Unionsparteien CDU und CSU angehören.
Empfindliche Niederlagen
Weber löst den früheren EU-Ratspräsidenten und polnischen Regierungschef Donald Tusk ab, der sich wieder ganz auf die nationale Politik konzentrieren will. Erklärtes Ziel Webers ist es, der EVP wieder mehr Bedeutung zu verleihen. Die Christdemokraten hatten zuletzt empfindliche Niederlagen hinnehmen müssen - etwa bei der Bundestagswahl in Deutschland oder der Präsidentschaftswahl in Frankreich.
Auch andere wichtige Länder der EU werden derzeit nicht von Christdemokraten regiert. In Italien ist der parteilose Mario Draghi an der Macht, Spanien wird vom Sozialdemokraten Pedro Sánchez regiert, und die Niederlande vom liberalen Mark Rutte. Insgesamt stehen nur rund ein halbes Dutzend Christdemokraten an der Staats- beziehungsweise Regierungsspitze eines EU-Landes. Das wirtschaftlich stärkste davon ist Österreich.
In seiner Rede zur Wahl betonte Weber, die EVP sei die Rechtsstaatspartei Europas. Nur die EVP garantiere eine soziale Marktwirtschaft. An der Bundesregierung übte er scharfe Kritik. Der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz zeige wegen starker russlandfreundlicher Netzwerke in der SPD, die auch Altkanzler Gerhard Schröder verkörpere, "keinen Willen, keine Entschlossenheit, keine Führung".
Zurück nach Bayern?
Weber führt bereits seit 2014 die EVP-Fraktion im Europaparlament. Als Spitzenkandidat seiner Parteienfamilie bei der Europawahl 2019 war er damit gescheitert, Präsident der EU-Kommission zu werden. Für denkbar wird gehalten, dass der EVP-Posten auch für Weber eine Zwischenstation auf dem Weg zurück in die Heimat sein könnte. Der amtierende CSU-Vorsitzende, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, hatte zuletzt mit weniger guten Umfragewerten zu kämpfen.
Zwar betonte Weber, dass er "mit Haut und Haaren" Europäer sei. Eine Kandidatur in Bayern schließt er aber nicht explizit aus. Diese Frage stelle sich einfach nicht, sagte der 49-Jährige zuletzt. Söder würdigte Weber im Gegenzug schon vor seiner Wahl als großen Europäer. "Wir sind stolz und freuen uns sehr für ihn."
haz/wa (dpa, afp, kna)