Kaum Verständnis für Referendum
2. Juli 2015"Welchen Sinn hat ein Referendum, wenn die Regierung schon entschieden hat?", schreibt die liberale slowakische Tageszeitung "Sme". Sie hält das Referendum für überflüssig. Noch weiter geht die tschechische Zeitung "Hospodarske noviny", die harsche Kritik an Ministerpräsident Alexis Tsipras übt: "Tsipras hätte schon im April oder Mai zurücktreten müssen, um eine Regierung an die Reihe kommen zu lassen, die sich mit Europa hätte einigen können. Stattdessen ging er bis zum bitteren Ende und hatte sogar noch die Dreistigkeit, ein völlig überflüssiges Referendum auszurufen."
Für einige europäische Medien kommt das Referendum zu schnell und zu kurzfristig. So schreibt die belgische Tageszeitung "De Morgen": "Diese Frage ist zu wichtig, um auf die Schnelle abgehandelt zu werden. Noch dazu zu einem Zeitpunkt, an dem die Bevölkerung sich den Kopf darüber zerbricht, wie sie angesichts blockierter Konten noch Brot auf den Tisch bringen soll, wie sie im September das Studium ihrer Kinder bezahlen und am Ende des Monats ihre Miete oder Hypothekzinsen überweisen soll."
Verständnis für die Not der griechischen Bevölkerung und den möglichen positiven Ausgang des Referendums äußert auch die polnische "Gazeta Wyborcza": "Jeder will ein höheres Lebensniveau, daher ist nicht ausgeschlossen, dass die Mehrheit für den Vorschlag der Regierung stimmt: Wir sind dagegen. Vielleicht gelangt die Mehrheit aber auch zu dem Ergebnis, dass hinter den technischen Dingen sich die einfache Wahl verbirgt: Sind wir für den Verbleib in der Eurozone oder nicht."
"Schmerzhafte Reformen durchsetzen"
Eine klare Ansage zur Sparpolitik kommt von der französischen Tageszeitung "Le Figaro": "Mit Ausnahme Griechenlands haben sich alle, Irland, Portugal, und Spanien, im Eiltempo reformiert, um den Euro zu behalten. Wenn Griechenland in der Eurozone bleiben will, muss das Land die dringenden und schmerzhaften Reformen durchsetzen, die öffentlichen Ausgaben senken und Wettbewerbsfähigkeit schaffen."
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Blick in das EU-Krisenland Spanien. Hier schreibt die "La Vanguardia" aus Barcelona, dass die Währungseinheit auch eine politische Einheit benötige. "Diese wird aber erst dann kommen, wenn alle Länder jene Reformen durchgeführt haben, die sie ermöglichen - mit dem Ziel, dass alle Bürger wirksame und reale Mitsprache haben."
"De Standaard" aus Belgien sieht die Glaubwürdigkeit des "europäischen Projekts" gefährdet : "Dass ein Mitglied der Eurozone zum Verstoß gegen seine Zahlungsverpflichtungen getrieben wurde, ist eine beschämende Niederlage für alle betroffenen Führer." In Deutschland blickt die Presse auch auf die Zukunft der Euro-Zone. So appelliert die "Süddeutsche Zeitung" für einen Euro-Finanzminister: "Wer Europa wirklich will, der muss sagen, dass das auf Dauer ohne ein Euro-Zonen-Parlament, einen Euro-Finanzminister, einen Finanzausgleich, eine gemeinsame Einlagen- und Arbeitslosenversicherung nicht geht."
Russische Medien kritisieren Merkel
Ein Blick nach Russland zeigt: Die russischsprachigen Medien kritisieren die EU und legen ihren Fokus dabei besonders auf die deutsche Rolle in der Krise. Die Tageszeitung "Nesawissimaja Gaseta" spricht von einem "politischen Sturm" in Europa und bezeichnet die Bundesregierung als "in nicht geringem Maße verstrickt in die Vertiefung des griechischen Schuldenproblems". Die "Rossijskaja Gaseta" aus Moskau vergleicht die derzeitige Krise mit einem griechischen Drama, bei dem jetzt das Volk als neue Figur auf die Bühne trete. Als Grund für diese Krise sieht die Tageszeitung die "tiefe Strukturkrise der EU".