Gericht: Orthodoxe Kirche in Bosnien muss weg
1. Oktober 2019Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ordnete zudem an, dass Bosnien-Herzegowina der muslimischen Familie ihren Grundbesitz vollständig zurückgeben muss. Darunter ist auch eine Parzelle, auf der 1998 eine serbisch-orthodoxe Kirche errichtet wurde. Das Grundstück sei ohne Kenntnis der Familie enteignet worden. Die Rückgabe müsse spätestens drei Monate nach dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Entscheidung rechtskräftig sei, entschied der Gerichtshof in Straßburg.
Der Streit um die Eigentumsrechte in der bosnischen Ortschaft Konjevic Polje geht auf die Zeit des Bosnien-Kriegs (1992-95) zurück. Die Klage wurde von 14 Mitgliedern einer Großfamilie eingereicht, die 1993 vertrieben wurde und ihr Land zurücklassen musste. Rund 20 Angehörige der Familie wurden bei dem Massaker von Srebrenica 1995 getötet.
31.000 Euro Schadenersatz
Der EGMR sprach nun der Hauptklägerin, der Witwe Fata Orlovic, 5000 Euro und den nachfolgenden Klägern je 2000 Euro Entschädigung zu. Als die Überlebenden Mitglieder der Familie Orlovic im Jahr 2000 in ihren Heimatort zurückkehrten, stellten sie fest, dass die große Kirche auf ihrem Land nur 30 Meter von der eigenen Haustür errichtet worden war.
Der Straßburger Gerichtshof verwies darauf, dass die Ansprüche der Kläger schon 1999 und 2001 in Bosnien juristisch anerkannt worden seien, ohne dass diese Entscheidungen in der Praxis befolgt worden wären. Bereits 2004 hatte es vor der Kirche heftige Auseinandersetzungen zwischen Serben und Bosniaken gegeben.
Konjevic Polje liegt nur 20 Kilometer östlich von Srebrenica im Osten Bosnien-Herzegowinas. In Srebrenica wurden im Sommer 1995 rund 8000 muslimische Männer und Jungen von Einheiten der bosnischen Serben ermordet. Das Massaker gilt als das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Zwei internationale Gerichtshofe haben die Massentötungen als Völkermord eingestuft. Srebrenica blieb auch nach dem Friedensabkommen, das die USA 1995 vermittelten, in serbischer Hand. Es gehört heute zur Serbischen Republik, einem der beiden Landesteile des Gesamtstaates Bosnien-Herzegowina.
Der EGMR in Straßburg gehört zum Europarat und ist kein Gericht der Europäischen Union. Der Gerichtshof ist zuständig für die Einhaltung und Verteidigung der Menschenrechte in den 47 Mitgliedsstaaten des Europarats.
kle/uh (afp, dpa, rtre, ape)