Extremwetter weltweit: Was sind die Gründe?
27. Mai 2024Überschwemmungen und Hitzewellen in vielen Regionen in Afrika, Überschwemmungen im Süden Brasiliens, Dürre im Amazonasgebiet und extreme Hitze in ganz Asien, einschließlich Indien: Die Nachrichten waren in den ersten Monaten dieses Jahres voller alarmierender Wetterkatastrophen.
Nach Angaben der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) war 2024 bisher ein besonders schlimmes Extremwetterjahr. Dürren, extreme Hitze und Überschwemmungen schädigten Lebensgrundlagen und Gesundheit vieler Menschen schwer.
"Fast jede Region der Welt hatte extreme Wetter- und Klimaereignisse unterschiedlicher Art", sagt WMO-Klimaexperte Alvaro Silva im Gespräch mit der DW.
Das letzte Wochenende im Mai war keine Ausnahme. In den USA gab es Dutzende Todesopfer, nachdem schwere Stürme und eine Flut von Tornados über den Süden des Landes hinweggefegt sind.
Es wird angenommen, dass in Papua-Neuguinea Tausende Menschen unter der Erde begraben sind, nachdem es im nördlichen Teil des Landes zu einem massiven Erdrutsch kam. Verursacht wurde er vermutlich durch mehrere Faktoren, darunter starken Regen. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration wurden auch eine Grundschule, mehrere Geschäfte, ein Gästehaus und eine Tankstelle begraben.
Und im Golf von Bengalen löste Zyklon Remal Windgeschwindigkeiten von bis zu 135 km/h aus, als er auf die Küsten Bangladeschs und Indiens traf. Laut BRAC, einer internationalen Entwicklungsorganisation in Bangladesch, sind rund zwei Millionen Menschen direkt vom Sturm betroffen.
Dabei ist der Klimawandel nicht für jedes einzelne Extremwetter verantwortlich. Doch durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas steigt der Treibhauseffekt und Extreme Wetterereignisse werden darum wahrscheinlicher und intensiver.
Letztes Jahr erlebte die nördliche Hemisphäre den heißesten Sommer seit 2000 Jahren, und das Jahr 2024 ist weltweit auf dem besten Weg, sogar noch heißer zu werden.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Klimawandel und Wetter?
Durch den Anstieg der Temperatur verdunstet mehr Wasser und die Luftfeuchtigkeit steigt. Dies führt in einigen Regionen zu stärkeren Niederschlägen und Überschwemmungen, in anderen Regionen zu extremeren Dürren. Höhere Meerestemperaturen intensivieren bestimmte Klimamuster, und höhere Gesamttemperaturen führen zu häufigeren Hitzewellen.
Das hat verheerenden Auswirkungen auf die globalen Wettermuster und hat uneinheitliche Auswirkungen auf dem gesamten Planeten. "Es ist nicht nur die Häufigkeit und Intensität, von der man normalerweise hört, sondern auch die Veränderungen wann und wie lange die Extreme auftreten", sagt Alvaro. "Wir wissen nicht mehr, was im Klima normal ist, weil wir immer mehr Extremereignissen sehen."
Welche Wetterextreme werden durch den Klimawandel verursacht und welche nicht?
Der Einfluss des Klimawandels ist bei langfristigen Wettertrends deutlich, doch es ist erst seit kurzem möglich, festzustellen, welche Rolle er bei bestimmten Wetterereignissen genau spielt.
Die DW hat sich drei große Wetterereignisse dieses Jahr angesehen, um herauszufinden, ob der Klimawandel ein entscheidender Faktor dabei war.
Verstärkte der Klimawandel die Hitzewelle in Indien?
Im April und Mai litt Indien so wie viele Teilen Asiens unter einer drückenden Hitzewelle. In einigen Teilen Indiens herrschten Temperaturen von 47 Grad Celsius mit schweren gesundheitlichen Folgen und Todesfällen. Die Hitzewelle hat auch auch die mehrwöchige indische Wahl beeinträchtigt.
Berichten zufolge erkrankten wegen der Hitze mehrere Wahlhelfer, Wahlkampfmanager und Politiker, der Minister für Straßenbau brach auf einer Bühne zusammen. "Mehr als 900 Millionen Wähler mussten stundenlang draußen in der Sonne anstehen", so Leena Rikkila Tamang, Asiendirektorin von IDEA, einer demokratiefreundlichen NGO mit Sitz in Schweden. "Wir sehen einen deutlichen Rückgang der Wahlbeteiligung im Vergleich zu den Wahlen 2019."
Laut World Weather Attribution (WWA) war die Hitzewelle aufgrund des Klimawandels 45-mal wahrscheinlicher und 0,85 Grad heißer, als sie ohne Klimawandel gewesen wäre. Die WWA ist eine Initiative von Wissenschaftlern, die untersuchen, ob und inwieweit der vom Menschen verursachte Klimawandel eine Rolle bei den jüngsten Extremwetterereignissen hat.
"Es besteht absolut kein Zweifel daran, dass diese Hitzewellen häufiger, heftiger und länger anhalten werden, solange wir weiterhin fossile Brennstoffe verbrennen und damit die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre erhöhen", sagte die Leiterin von WWA, Friederike Otto, der DW.
Die durch extreme Wetterereignisse verursachten Schäden hängen auch davon ab, wie verwundbar die Bevölkerung ab. Schon ein scheinbar kleiner Temperaturanstieg um 0,85 Grad kann große Schäden anrichten. "In Ländern wie Indien und anderen Teilen Südasiens, wo sehr viele Menschen im Freien arbeiten, sind sie selbst relativ kleinen Veränderungen bei extremer Hitze viel stärker ausgesetzt und anfälliger", betont Otto.
Hat der Klimawandel die Überschwemmungen in Brasilien schlimmer gemacht?
Mehr als 100 Menschen kamen seit Ende April bei schweren Überschwemmungen im südbrasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul ums Leben. Hinzu kamen Schäden in Milliardenhöhe.
Fast 1,5 Millionen Menschen wurden dabei vertrieben, die bisher größte Klimamigration in Brasilien. Die Regierung überlegt inzwischen, ganze Städte zu verlegen, um künftige Katastrophen zu vermeiden.
Einige Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang mit dem Klimawandel , zusätzlich zur anhaltenden Erwärmung durch El Niño.
Eine Studie der französischen Gruppe Laboratoire des Sciences du Climat et de l'Environnement ergab, dass die starken Regenfälle, die zu Überschwemmungen führten, größtenteils auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückzuführen sind.
Die WWA arbeitet ebenfalls an einer Studie. Otto betont, dass bereits frühere Überschwemmungen im Land eindeutig mit dem Klimawandel in Zusammenhang stehen.
Die großen Schäden sind teilweise auch auf Probleme bei der Infrastruktur und mangelnde Vorbereitung auf Katastrophen zurückzuführen.
Macht der Klimawandel Tornados in den USA heftiger und häufiger?
In den USA tobten dieses Jahr bereits zahlreiche Tornados. Über einen Zeitraum von vier Tagen gab es im Frühjahr mehr als 100 Tornados im Mittleren Westen und in den nordamerikanischen Great Plains "mit erheblichen Schäden und Todesfällen", so die Behörden.
Der National Weather Service in Omaha, Nebraska gab es 48 Tornadowarnungen an einem einzigen Tag heraus - soviel wie noch nie.
Allerdings sind die genauen Ursachen von Tornados sehr schwer zu bestimmen, weil sie örtlich sehr begrenzt sind. Studien zur Zuordnung des Klimawandels funktionieren am besten bei Großereignissen, die deutliche größere Gebiete betreffen, wie etwa Hitze- und Kälteextremen sowie Dürren.
Mit Ausnahme tropischer Wirbelstürme im Nordatlantik sei der Klimawandel nicht mit erhöhten Windgeschwindigkeiten, insbesondere über Land, verbunden, so Prof. Otto gegenüber der DW. "Weil wir keine Veränderungen bei anderen Arten von Windgeschwindigkeiten oder anderen Arten von Stürmen sehen, würde ich keine großen Veränderungen erwarten. Aber das könnte bei Tornados ganz anders sein, weil sie auch ein anderes Phänomen sind", sagt sie.
Das bedeutet: Wissenschaftler können nicht sagen, welche Rolle der Klimawandel bei den jüngsten Tornados in den USA gespielt hat, und ob er überhaupt einen Einfluss hatte.
Gab es nicht schon immer Extremwetter?
Die Geschichte ist voll von Beispielen extremer Wetterereignisse - und das schon lange bevor die Menschheit begann, mit der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas die globalen Temperaturen zu erhöhen. Extremwetter sind natürliche Phänomene. Doch der Klimawandel hat sie inwzischen deutlich wahrscheinlicher und zerstörerischer gemacht, sagen Experten.
Vor den 1990er Jahren wurden pro Jahr etwa 70 bis 150 wetter- und wasserbedingte Gefahren gemeldet.
Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl auf jährlich 300 Extremereignisse erhöht. Auch wenn man berücksichtigt, dass früher möglicherweise nicht alle Ereignisse registriert wurden: "Der Unterschied unbestreitbar", betont Alvaro Silva von der WMO.
Redaktion: Jennifer Collins. Der Artikel erschien zuerst auf in Englisch. Adaption: Gero Rueter