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Russland Putin

28. November 2011

Putin ist nun offiziell Präsidentschaftskandidat. An seiner Wahl im März 2012 ist kaum zu zweifeln. Doch Russland hat sich verändert. Putin wird nicht weitermachen können wie bisher, meint Ingo Mannteufel.

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Themenbild Kommentar
Bild: DW

Vordergründig läuft für Russlands starken Mann Wladimir Putin alles nach Plan: In einer reibungslosen Show haben ihn die 614 Delegierten seiner Partei "Geeintes Russland" an diesem Sonntag (27.11.2011) einstimmig zu ihrem Kandidaten für die russische Präsidentschaftswahl in drei Monaten bestimmt. Genau neun Wochen ist es her, dass Putin und der jetzige Präsident Medwedew ankündigten, ihre politischen Ämter im nächsten Jahr tauschen zu wollen.

Die offizielle Nominierung war nun der notwendige nächste Schritt, damit Putin ab Sommer 2012 auch formal wieder der erste Mann im russischen Staat sein kann. Jetzt fehlen nur noch die offizielle Bestätigung seiner Kandidatur durch die russische Wahlkommission sowie der Wahlsieg am 4. März 2012. An dem zu erwartenden Ergebnis dieser Abstimmung gibt es kaum Zweifel. Dasselbe gilt auch für die russischen Parlamentswahlen in einer Woche: Die Putin-Partei "Geeintes Russland" dürfte stärkste Kraft werden.

Gesellschaftliche Stimmung und administrative Ressourcen

Die Ursachen und Gründe für den absehbaren Ausgang russischer Wahlen sind wohlbekannt: Die in ihrer Mehrheit apolitische russische Gesellschaft sehnt sich nach Stabilität, was Putin in seiner PR-Strategie seit Jahren konsequent für sich ausnutzt und ihm hohe Zustimmungsraten in der Bevölkerung garantiert. Zudem ist der gesamte politische Prozess in den Händen des Kremls monopolisiert.

Porträt Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen Redaktion der Deutschen Welle Foto: DW/Per Henriksen
Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen Redaktion der Deutschen WelleBild: DW

Insbesondere Wahlen werden bis ins kleinste Detail gesteuert. Systemkritische Politiker und Gruppen werden frühzeitig marginalisiert und aus dem politischen Prozess und der medialen Öffentlichkeit ausgegrenzt. Die sogenannten administrativen Ressourcen, also der Einsatz staatlicher Strukturen zugunsten der Regierungspartei, garantieren dann in letzter Instanz das gewünschte Ergebnis. Momentan gibt es wenig Hinweise dafür, dass es bei der Parlamentswahl und erst recht bei der Präsidentenwahl im März anders kommen wird.

Störungen in Putins politischer Maschinerie

Doch auch wenn die politische Maschinerie des Kremls in beiden Wahlen das gewünschte Ergebnis produzieren dürfte, zeigen sich erste Risse im System Putin: Russische Meinungsumfragen dokumentieren in den letzten Wochen und Monaten nicht nur einen kontinuierlichen Vertrauensverlust in Putins Partei "Geeintes Russland", sondern auch in Putin selbst. Insbesondere in der jungen, großstädtischen Mittelschicht sowie unter den russischen Bildungsbürgern - der Intelligentsia - wächst die Unzufriedenheit mit Putin und seiner Regierungspartei.

Der Kreml hat zwar über politische Projekte versucht, diesem Prozess Einhalt zu gebieten, aber dies ist weitgehend misslungen. Die von Putin im Sommer geschaffene "Gesamtrussische Volksfront" um seine Partei "Geeintes Russland" hat den gesellschaftlichen Zuspruch nicht wesentlich vergrößert. Auch die Bildung einer rechtsliberalen Partei um den Milliardär Michail Prochorow, mit der die kritische Mittelschicht ins System Putin eingebunden werden sollte, ist gescheitert. Ein Blick in die russische Blogosphäre macht deutlich, wie groß die Unzufriedenheit in einigen Bereichen der russischen Gesellschaft mit der politischen Entwicklung in Russland ist.

Pfiffe für den starken Mann

Zwar sollte diese Tendenz nicht überschätzt werden: Eine reale Gefahr für Putin bei der russischen Präsidentenwahl im März 2012 gibt es momentan noch nicht. Aber dass Putin wie vor einer Woche bei der Siegerehrung eines russischen Kampfsportlers in einem russischen Stadion ausgepfiffen und ausgebuht wird, wäre vor einigen Monaten noch undenkbar gewesen. Ein wichtiges Indiz für die Frage, wie stark der Kreml den politischen Prozess in Russland noch kontrolliert, werden die Parlamentswahlen in einer Woche sein. Wird "Geeintes Russland" die Zweidrittelmehrheit verlieren?

Doch unabhängig vom Ausgang der Parlamentswahlen scheint es für Putin bis März 2012 nur zu heißen: "Augen zu und durch". Im Sommer 2012, wenn Putin wieder als russischer Präsident bis 2018 ins Amt eingeschworen worden ist, wird er jedoch feststellen, dass er nicht mehr einfach da weitermachen kann, wo er 2008 als Präsident, respektive vor einigen Wochen als Ministerpräsident aufgehört hat: Russland hat sich verändert. Ob das bislang bewährte System Putin bis 2024 funktionieren kann, ist mit Recht zu bezweifeln.

Autor: Ingo Mannteufel

Redaktion: Tamas Szabo/Monika Dittrich