Facebook - Alles für alle?
28. September 2011Gleich zweimal machte das soziale Netzwerk Facebook in den letzten Tagen von sich reden. Beide Male waren es Premieren. Zum einen waren vergangene Woche erstmal mehr als eine halbe Milliarde Facebook Nutzer gleichzeitig im Netzwerk aktiv. Zum anderen stellte Facebook Gründer Mark Zuckerberg auf der Entwicklerkonferenz f8 in San Francisco ein aus seiner Sicht "von Grund auf neu durchdachtes" Netzwerk vor.
So wie der Internet-Gigant Google versucht auch das neue Facebook, dem Nutzer alles aus einer Hand zu bieten. Schon jetzt ersetzen Facebook Nachrichten die klassische Email. Es wird gechattet. Man verabredet sich zu Parties, stellt anschließend die Photos ein. Künftig sollen durch Kooperation mit Video und Audioanbietern User innerhalb des Facebook Netzwerks Musik hören und Filme anschauen können. Dadurch wird sich die Verweildauer der Nutzer bei Facebook weiter erhöhen. Da sich kaum ein Anbieter die insgesamt über 800 Millionen Facebook-Nutzer als Zielgruppe entgehen lassen möchte, mangelt es der Firma aus dem kaliformischen Palo Alto nicht an potentiellen Partnern.
Facebook als Lebensbuch
Das neue Facebook wird grafisch aufgepeppt und übersichtlicher gemacht. Die wichtigste Neuerung ist dabei die Umgestaltung der Benutzer-Profile zur sogenannten "Timeline". Diese Timeline gibt chronologisch geordnet sämtliche Aktivitäten auf Facebook und auf mit Facebook verknüpften Seiten wieder. Die Nutzer können die angezeigten Einträge nach ihren Vorlieben bearbeiten, besonders wichtige Fotos oder Videos hervorheben oder unpassende Einträge löschen. Facebook will zum Lebensbuch des Nutzers werden. Konsequent wird auch als Erstes um die Einstellung eines Babyfotos gebeten. Man kann bereits jetzt erwarten, dass viele Nutzer große Mühe auf die Pflege dieser Timeline verwenden werden. So wird ein wichtiges Unternehmensziel von Facebook erreicht: Der Wechsel zu anderen Netzwerken wird erschwert, schließlich hat man schon viel Zeit und Mühe bei Facebok investiert.
Das zweite neue Feature heißt Ticker und ist bereits für alle Nutzer im rechten Bereich der Startseite sichtbar. Hier werden Nutzer laufend und in Echtzeit über die Aktivitäten ihrer Freunde informiert. Wer gerade was kommentiert, wer gerade was mit einem "gefällt mir" Zeichen versieht.
Die wirklich revolutionäre Neuerung: Der erst vor einem Jahr eingeführte und mittlerweile weit verbreitete "gefällt mir"- Button wird automatisiert. Praktisch funktioniert das folgendermaßen: Der Nutzer besucht zum Beispiel die Musikplattform Spotify. Dort befindet sich ein sogenanntes "soziales Erweiterungsmodul" von Facebook. Das fragt den Nutzer, ob er künftig seinen Freunden mitteilen will, welche Musik er gerade hört. Stimmt der Nutzer hier einmal zu, wird künftig jedes Hören eines Musikstückes auf dem Facebook -Ticker automatisch an die Freunde vermeldet - in Echtzeit. Genauso würde das beim Besuch eines Informationsanbieters funktionieren oder bei einer Bestellung beim Onlinehändler. Auch hier würden - nach einmaliger Zustimmung - die Freunde über den Ticker stets über die Aktivitäten informiert.
Spaltung der "Online-Bevölkerung"?
Vor allem aber: Facebook selbst wäre natürlich auch informiert. Seine Nutzerprofile würden noch präziser. Und damit der eigentliche Unternehmenszweck gefördert: Die Verbreitung von personalisierter Werbung. Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs, erwartet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, "dass die Werbung mit den Informationen aus dem digitalen Lebensdatenstrom eine Qualität erreicht, die sie kaum noch von gut gemeinten algorithmischen Ratschlägen unterscheidbar macht."
Für Rieger könnte das neue Facebook zum Auslöser für die Spaltung der "Online-Bevölkerung" in zwei gegensätzlich Gruppen werden: Auf der einen Seite jene, die gerne ihren Alltag offenbaren. Sie glauben, nichts verbergen zu müssen und vertrauen auf die Versprechen einer besseren und vollvernetzten Zukunft. Vertreter dieser Gruppe haben die Neuerungen bei Facebook enthusiatisch begrüßt.
Auf der anderen Seite stehen jene, denen die Sammlung persönlicher Daten und die immer umfassendere Verarbeitung ihrer digitalen Lebensspuren unheimlich ist. Sie wollen ihre Privatsphäre schützen. Unterstützung bekommen sie von Datenschützern. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnte bereits, "einmal eingetragene Daten werden der eigenen Kontrolle entzogen. Einstellungen, die persönliche Daten automatisch veröffentlichen, haben in der Vergangenheit wiederholt zu Verletzungen der Privatsphäre geführt."
Autor: Matthias von Hein
Redaktion: Sonila Sand