Was sich für ausländische Fachkräfte in Deutschland ändert
29. Februar 2024"Wer hier bei uns anpacken will und wer hier bei uns anpacken kann, der ist hier bei uns in Deutschland willkommen", so warb Bundeskanzler Olaf Scholz bei deutschen Unternehmern dafür, dass sie das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz nutzen. Es sei eines der modernsten Gesetze auf der ganzen Welt, sagte Scholz. Zum Inkrafttreten vieler Neuerungen am 1. März mahnte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil: "Damit Fachkräfte aus der ganzen Welt nach Deutschland kommen und hier bleiben wollen, brauchen wir jedoch nicht nur gute Gesetze, sondern auch die Offenheit und den Willen, sie am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft willkommen zu heißen."
Den Arbeitgebern in Deutschland fehlen hunderttausende Arbeits- und Fachkräfte: in der IT ebenso wie in der Pflege, bei Handwerk, Technik, Logistik und vielen anderen Branchen.
Das im Sommer 2023 beschlossene "Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung" soll die Einwanderung von Fachkräften aus sogenannten Drittstaaten nach Deutschland erleichtern, also aus Nicht-EU-Ländern.
Die neuen Regeln treten in drei Schritten in Kraft, damit die Behörden sich darauf einstellen können. Ausführlich nachzulesen sind sie auf dem Portal der Bundesregierung für Fachkräfte aus dem Ausland auf Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch.
Die ersten Änderungen gelten seit November 2023.
Blaue Karte EU
Mehr akademische und vergleichbare Fachkräfte aus Drittstaaten können mit der Blauen Karte EU nach Deutschland einwandern - ohne Vorrangprüfung, ob Deutsche oder EU-Bürger verfügbar wären, und ohne den Nachweis von Sprachkenntnissen. Die Gehaltsgrenzen zur Vermeidung von Lohndumping sind gesenkt auf rund 41.000 Euro jährlich für Berufsanfänger und sogenannte Mangel- oder Engpassberufe sowie knapp 45.300 Euro für alle anderen Berufe (Stand 2024).
Die Liste der Engpassberufe (vorher: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und Medizin) wurde erweitert, so dass mehr Personen eine Blaue Karte EU erhalten können, darunter sind jetzt auch Erziehungs- und Pflegekräfte.
Für die IT-Branche gilt, dass auch Fachkräfte ohne Hochschulabschluss eine Blaue Karte EU erhalten können, wenn sie eine vergleichbare, mindestens dreijährige Berufserfahrung nachweisen können.
Anspruch auf Aufenthalt, mehr Flexibilität
Wer als Fachkraft mit Berufs- oder akademischer Ausbildung alle Voraussetzungen erfüllt, hat einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Vorher hatten Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden einen Ermessensspielraum.
Die Beschränkung auf eine Tätigkeit im erlernten oder studierten Berufsfeld ist aufgehoben. Eine gelernte Mechanikerin etwa kann auch in der Logistik arbeiten. Ausnahmen sind reglementierte Berufe, zum Beispiel im Bereich Medizin, Recht oder Lehre.
Auch bei Berufskraftfahrern ist die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erleichtert. Gestrichen wurde die Vorrangprüfung und die Voraussetzung von Sprachkenntnissen.
Weitere Änderungen treten am 1. März 2024 in Kraft.
Einwandern mit Berufserfahrung
Die Anerkennung von Berufsabschlüssen in Deutschland, bisher oft ein bürokratisches Hindernis, kann für erfahrene Fachkräfte entfallen. Wer einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufsabschluss hat und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung, kann als Arbeitskraft nach Deutschland einwandern. Ausgenommen sind reglementierte Berufe. IT-Spezialisten brauchen keinen Abschluss.
Anerkennungspartnerschaft
Wer eine Qualifizierung in Deutschland braucht, um eine Gleichwertigkeit seiner ausländischen Ausbildung zu erreichen, kann dazu künftig bis zu drei Jahre in Deutschland bleiben. Die Bewerber dürfen nebenbei bis zu 20 Wochenstunden arbeiten.
Die Möglichkeit, nebenbei zu arbeiten, wird auch für Studierende und Auszubildende ausgeweitet.
Wenn Arbeitgeber in Deutschland und Bewerber aus Drittstaaten eine Anerkennungspartnerschaft schließen, können Fachkräfte direkt nach Deutschland kommen und arbeiten, während das Verfahren zur Anerkennung ihres Abschlusses läuft. Der Aufenthalt kann auf bis zu drei Jahre verlängert werden. Voraussetzungen sind eine mindestens zweijährige Berufsqualifikation und Deutschkenntnisse (Niveau A2).
Neben Pflegekräften sollen künftig auch Pflegehilfskräfte mit weniger als drei Jahren Pflegeausbildung in Deutschland arbeiten können.
Familiennachzug
Wenn Ehepartner und minderjährige Kinder nachziehen sollen, müssen Fachkräfte zwar den Lebensunterhalt nachweisen, aber nicht mehr, dass sie genügend Wohnraum haben. Außerdem können sie ihre Eltern oder Schwiegereltern zu sich holen, wenn sie selbst ihre Aufenthaltserlaubnis erst ab März 2024 erhalten.
Weitere Änderungen sollen am 1. Juni 2024 folgen.
Chancenkarte für die Jobsuche
Im Juni soll erstmals eine Chancenkarte mit einem Punktesystem eingeführt werden. Damit können Menschen ein Jahr lang zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen, wenn ihr Lebensunterhalt gesichert ist. Wer die Gleichwertigkeit seiner ausländischen Qualifikation nachweisen kann, gilt als Fachkraft und bekommt die Karte ohne weitere Voraussetzungen. Alle anderen brauchen einen Hochschulabschluss oder einen mindestens zweijährigen Berufsabschluss, dazu entweder einfache deutsche Sprachkenntnisse (Niveau A1) oder englische Sprachkenntnisse (Niveau B2).
Darüber hinaus werden Punkte vergeben: für Berufserfahrung, Anerkennung der Qualifikation in Deutschland, Alter, Sprachkenntnisse in Deutsch und/oder Englisch, Verbindungen zu Deutschland und das Potenzial der mitziehenden Lebens- oder Ehepartnerinnen und -partner. Arbeitskräfte mit einer Chancenkarte dürfen bis zu 20 Stunden in der Woche arbeiten. Auch eine Beschäftigung auf Probe ist erlaubt. Die Chancenkarte kann um bis zu zwei Jahre verlängert werden, wenn es einen Arbeitsvertrag für eine qualifizierte Beschäftigung gibt.
Westbalkan-Regelung
Eine weitere Regelung betrifft Menschen aus Ländern auf dem Balkan. Die sogenannte Westbalkan-Regelung zur Anwerbung von Arbeitskräften aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien gilt seit November unbefristet. Ab Juni 2024 wird das jährliche Kontingent verdoppelt auf 50.000 Arbeitskräfte.
Dieser Artikel erschien erstmals am 17.11.2023 und wurde am 28.02.2024 aktualisiert.