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PolitikIndien

Fachkräftemangel: Bürokratie erschwert Zuwanderung

Christina zur Nedden aus Neu-Delhi
6. Juni 2023

Deutschland will mehr Fachkräfte aus Brasilien holen. Doch das Beispiel Indien zeigt, dass es zwingend notwendig ist, die Einreiseformalitäten zu vereinfachen. Christina zur Nedden berichtet aus Neu-Delhi.

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Symbolfoto Visum
Bild: imago images/blickwinkel

Für Harshad Dev aus der indischen Millionenstadt Nasik war es nicht leicht, die Einreiseerlaubnis für Deutschland zu erhalten. Das war 2018, noch vor der Corona-Pandemie. Der Software-Entwickler musste seinen indischen Informatik-Bachelorabschluss für eine Erwerbstätigkeit in Deutschland anerkennen lassen. Er musste sich eine Bescheinigung besorgen, dass ihn sein neuer Arbeitgeber als Nicht-EU-Bürger einstellen darf.

Als indische Fachkraft in die deutsche Provinz

Und am schwierigsten war der persönliche Vorstellungstermin für den Visaantrag in der deutschen Botschaft in Neu-Delhi. "Es gab keine freien Termine, monatelang", sagt Dev. "Nach wochenlangem Warten ergatterte ich einen Platz, weil jemand kurzfristig abgesagt hatte."

Der Blogger Harshad Dev steht vor dem Bundestag
Harshad Dev erklärt seinen Landsleuten DeutschlandBild: Privat

Seit 2018 wohnt und arbeitet Dev glücklich in Berlin. "In Berlin gab es viele Jobs für Leute wie mich aus dem IT-Bereich", sagt Dev, der ursprünglich in die USA auswandern wollte. "Deutschland ist für mich das neue Amerika." Neben seinem Job bei einem mittelständischen IT-Unternehmen erklärt der 31-Jährige auf seinem Youtube-Kanal, wie Fachkräfte in Indien ein Visum für Deutschland beantragen und welche Dokumente über welche Wege zu beschaffen sind.

Indien | Besuch Bundeskanzler Olaf Scholz in Bengaluru
(Archiv) Bundeskanzler Scholz spricht mit IT-Fachkräften auf seinem Indienbesuch im Februar 2023Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Deutschland braucht mehr Zuwanderung

Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft. "Wir gehen davon aus, dass in Deutschland rund zwei Millionen Arbeitsplätze vakant bleiben", sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks Anfang Januar. "Das entspricht einem entgangenen Wertschöpfungspotenzial von fast 100 Milliarden Euro."

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hält eine massive Anwerbung von Fachkräften von außerhalb der EU in den kommenden Jahren für notwendig. "Wir brauchen bis 2035 sieben Millionen zusätzliche Arbeits- und Fachkräfte", sagte Heil Ende Februar. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz versprach bei seinem Besuch in Indien Ende Februar, die Zuwanderung von Fachkräften, insbesondere aus dem IT-Bereich, zu beschleunigen.

Fachkräfte dringend gesucht 

Doch die Realität sieht anders aus. Denise Eichhorn von der Deutsch-Indischen Handelskammer in Mumbai unterstützt qualifizierte Inder bei der Auswanderung nach Deutschland. Die Anerkennung indischer akademischer Abschlüsse in Deutschland gelinge meist schnell, sagt sie. Bei Ausbildungen oder Pflegeberufen sei es komplizierter und mit hohen Kosten verbunden. "Eine Anerkennung kostet hier 400 bis 800 Euro. Das hat nicht jeder. Und nicht jeder will diese Summe investieren, nicht mal die deutschen Arbeitgeber", sagt Eichhorn. "Wir wünschen uns, dass diese Anerkennung günstiger wird."

Annelena Baerbock und Hubertus Heil in Brasilien
Bundesaußenministerin Baerbock und Bundesarbeitsminister Heil in BrasilienBild: Annette Riedl/dpa/picture alliance

Fokusländer für Anwerbung

Derzeit kommen laut Bundesagentur für Arbeit auf 100 freie Stellen nur 33 arbeitslose Pflegefachleute. Dies sei ein "deutlicher Engpass bei Pflegefachkräften", so die Bundesagentur. Neben Indien, Indonesien, Mexiko, Kolumbien, Vietnam, den Philippinen, Marokko, Tunesien und Ägypten kam diese Woche Brasilien als "Fokusland" für die Anwerbung von Pflegekräften hinzu. Doch all dies hilft nichts, wenn das Visaverfahren nicht vereinfacht wird, sagen auch viele deutsche Politiker.

Ärzte und Pflegende am Limit

Frank Müller-Rosentritt (FDP) ist Vizevorsitzender der Deutsch-Indischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Deutschland werde in Indien als "Land des Fortschritts und des Wohlstandes" wahrgenommen, sagt er.  "Allerdings zerplatzen die Träume von Deutschland wie eine Seifenblase in dem Moment, wenn die indischen Studierenden mit den deutschen Behörden in Kontakt kommen", sagt er der Tageszeitung WELT.

"Sie werden mit analogen Prozessen konfrontiert, stellen Anträge und warten viele Monate auf eine Rückmeldung", so Müller-Rosentritt. Die Bearbeitung müsse schneller werden.  Ansonsten werde es schwierig, im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte, Top-Talente, Auszubildende und Studierende zu bestehen.