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Fachkräftemangel und Strukturwandel

27. Dezember 2021

Beim Strukturwandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft werden unzählige neue Fachkräfte gebraucht. Aber schon jetzt herrscht ein Mangel in vielen Bereichen. Auch die Politik ist gefordert, hier aktiv zu werden.

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Symbolbild | Fachkräftemangel in Deutschland
Bild: Rupert Oberhäuser/imago images

An deutschen Werkbänken könnten bald Millionen von Arbeitskräften fehlen. Die Bundesagentur für Arbeit will vor allem mit Weiterbildung gegensteuern. Es dürfe niemand aus dem Erwerbsleben verloren gehen, sagt der Chef der Nürnberger Behörde.

Im Kampf gegen den eklatanten Fachkräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt müssen nach Expertenansicht so viele Menschen wie möglich im Arbeitsleben gehalten werden - auch weniger Qualifizierte. "Wichtig ist, dass wir möglichst alle potenziellen Arbeitskräfte im Inland gewinnen und erst recht niemanden verlieren", sagte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele. In der Zukunft entstünden genauso viele neue Arbeitsplätze wie durch Automatisierung und Transformationsprozesse wegfielen - allerdings mit anderem Anforderungsprofil.

Es geht nur mit Weiterbildung 

Diejenigen Menschen, denen durch den Wegfall geringer qualifizierter Jobs Arbeitslosigkeit drohe, dürften keinesfalls aus dem Erwerbsleben ausscheiden, sagte Scheele. "Sie muss man weiterbilden", betonte er. Die Bundesagentur habe allein für die Weiterbildung von Beschäftigten für das Jahr 2022 rund 900 Millionen Euro in der Kasse. "Die sollten verwendet werden, weil das Geld dazu dient, den Strukturwandel, die Transformation zu bewältigen und Menschen in Arbeit zu halten", sagte Scheele.

Es seien vor allem auch die Arbeitgeber gefordert, weil diese definieren müssten, wohin die Qualifizierung gehen müsse. Die Bundesagentur sehe als eine ihre wesentlichen Aufgaben für die kommenden zehn Jahre an, die Rolle des Moderators zu übernehmen. "Wie kommt man von Firma A zu Firma B", beschrieb Scheele das Kernproblem. Es gebe dazu bereits Modellversuche mit Industrie und Handwerk. "Wir lernen, die Drehscheibe in der Transformation zu sein", sagte Scheele.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Erwerbspersonen in Deutschland ist mit 34,3 Millionen laut Scheele schon jetzt auf einem Rekordhoch. Die Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass - ohne jede Gegenmaßnahme - bis 2035 gut sieben Millionen Arbeitskräfte in Deutschland fehlen würden.

Im Ausland nach Fachkräften suchen

Deswegen sei es notwendig, auch Fachkräfte aus dem Ausland innerhalb und außerhalb der EU nach Deutschland zu holen - etwa in der Pflege kämen Menschen aus Ländern wie Kolumbien, Mexiko oder Indonesien ins Land. Diese Menschen aus der EU und aus Drittstaaten würden in Deutschland dringend gebraucht. Wenn sie nicht in ausreichender Zahl kämen, drohe für Deutschland ein Wachstumsproblem. Fehlende Zuwanderung könne selbst zur Wachstumsbremse werden.

Infografik - Fachkräfteengpässe - DE

Zudem müsse versucht werden, auch zumindest einen Teil der eine Million Langzeitarbeitslosen in Deutschland wieder in den Arbeitsprozess zurückzuholen. Die im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aufgenommene Entfristung des Teilhabe-Chancengesetzes sei ein richtiger Schritt gewesen, sagte Scheele. Durch die Entfristung des Gesetzes können erhebliche Zuschüsse für die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen länger fließen.

Weniger Steuern für ausländische Fachkräfte gefordert

Außenhandelspräsident Dirk Jandura hat die Bundesregierung aufgefordert, die Steuerlast von ausländischen Fachkräften in Deutschland vorübergehend zu verringern. "Ich könnte mir vorstellen, dass man Fachkräften, um Deutschland für sie attraktiv zu machen, für die ersten zwei, drei Jahre als Anreiz einen Steuernachlass gewährt", sagte Jandura der Zeitung Rheinische Post (Montagausgabe).

Der Fachkräftemangel sei heute schon ein entscheidender Wettbewerbsnachteil. Die Ampel-Regierung müsse die Standortattraktivität daher zügig durch eine gezielte Zuwanderungspolitik steigern. Ihm seien die Formulierungen im Koalitionsvertrag zu vage. "Ich wünsche mir einen systematischen Ansatz mit glasklaren Regeln, wer zu uns mit welchen Berufsabschlüssen kommen soll, und entsprechende Anreize für diese Menschen. Der weltweite Kampf um die besten Köpfe ist im vollen Gange. Wir drohen ihn zu verschlafen."

Gewerkschaften und Arbeitgeber: Weiterbildung extrem wichtig

Das Weiterbildung ein Kernbereich des Strukturwandels sein muss, ist keine Frage. Nur wer soll dafür zuständig sein? Die Gewerkschaften sehen die Regierung in der Verantwortung. Sie müsse Arbeitnehmende beim Strukturwandel unterstützen, beispielsweise mit einem Recht auf Qualifizierung und auf lebenslanges Lernen und Weiterqualifizierung, so DGB-Chef Reiner Hoffmann.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger meint dagegen: "Die Betriebe brauchen keinen bürokratischen und unkoordinierten Rechtsanspruch." Die Weiterbildung "von morgen" müsse vor allem flexibel und zielführend sein. "Die Unternehmen und ihre Beschäftigten können am besten über die individuellen Möglichkeiten und Rahmenbedingungen entscheiden."

Weiterbildung sei eine der Herausforderungen, die der Strukturwandel mit sich bringe, so Dulger. "Wir brauchen eine Weiterbildungsrevolution - die muss und wird in den Betrieben stattfinden." Er gehe davon aus, dass die Summe von rund 41 Milliarden Euro, welche die Betriebe bereits in die Fort- und Weiterbildung investierten, weiter steige.

iw/hb (dpa, rtr)