1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Faktencheck: Falsche Behauptungen im Harris-Trump-TV-Duell

Anwar Ashraf | Kathrin Wesolowski
12. September 2024

Die TV-Debatte zwischen dem früheren US-Präsidenten Donald Trump und der amtierenden Vizepräsidentin Kamala Harris steckte voller Falschbehauptungen über Migranten und Abtreibung. Sogar von einem "Blutbad" war die Rede.

https://p.dw.com/p/4kWDa
Trump und Harris im Studio an Stehpulten
Donald Trump und Kamala Harris beim TV-DuellBild: Win McNamee/Getty Images

Die US-Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump trafen am Dienstagabend in einer teilweise hitzigen Debatte in Philadelphia aufeinander.

Im Laufe der langen Nacht wurden einige wilde Behauptungen aufgestellt - von übertriebenen Aussagen zur Arbeitslosigkeit bis hin zu bizarren Erzählungen, mit denen die Stimmung gegen Einwanderer angeheizt werden sollte. DW ist einigen dieser Behauptungen nachgegangen, um Fakten von Fiktion zu trennen.

Essen Einwanderer Haustiere?

Behauptung: Während des TV-Duells griff der ehemalige US-Präsident Trump die Behauptung auf, Einwanderer in den USA würden Haustiere essen, besonders im Bundesstaat Ohio: "In Springfield essen sie Hunde. Die Menschen, die gekommen sind. Sie essen die Katzen. Sie essen die Haustiere der Menschen, die dort leben."

DW Faktencheck: Unbelegt.

Trump hat sich im Laufe der TV-Debatte immer wieder einer migrantenfeindlichen Sprache bedient. Die konkrete Behauptung hatte sich bereits in den Tagen zuvor im Netz verbreitet und wurde am Montag auch von Trumps Vizepräsidentschaftskandidat und Senator aus Ohio, JD Vance, auf X, ehemals Twitter, geteilt. Einen Tag später schrieb Vance in einem weiteren Post, es sei möglich, dass sich "all diese Gerüchte als falsch herausstellen".

Donald Trump hebt die Arme und verzieht das Gesicht während er im TV-Duell spricht
Donald Trump griff im TV-Duell die von Rechtsextremen propagierte Falschbehauptung auf, Einwanderer in Ohio äßen HaustiereBild: Win McNamee/UPI Photo via Newscom picture alliance

In Springfield, Ohio, gibt es keine Beweise für solche Behauptungen. Nach Trumps Kommentar merkte Moderator David Muir an, dass der US-Nachrichtensender ABC News bereits Kontakt mit dem Stadtdirektor von Springfield aufgenommen habe, der bestätigte, dass es keine Berichte über die angebliche Verletzung oder den Missbrauch einheimischer Haustiere durch Migranten gebe.

Auch anderenPressekanälen zufolge bestätigten die Behörden für Springfield, Ohio, dass sie keine glaubwürdigen Berichte darüber erhalten hätten, dass Migranten Haustiere entführt oder gegessen hätten.

Dennoch fand die DW weiterhin auf konservativen und rechtsextremen Webseiten Artikel , die behaupteten, dass Migranten angeblich Tieren Leid zufügten. Beweise dafür wurden jedoch nicht geliefert.

Unterstützen Demokraten die Hinrichtung von Babys?

Behauptung: Trump zufolge können "nach [der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs] Roe v. Wade Abtreibungen noch im siebten, achten, neunten Monat erfolgen". Er fügte hinzu, dass dies "wahrscheinlich auch nach der Geburt" noch möglich sei.

DW Faktencheck: Irreführend.

"Roe v. Wade" war eine richtungsweisende Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahr 1973, die das Recht auf Abtreibung in den USA schützte. Das Gericht legte nicht fest, bis zu welchem Schwangerschaftsmonat eine Abtreibung legal ist. Ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel kann ein Bundesstaat Abtreibungen regeln (oder verbieten), um die Gesundheit der Schwangeren oder die Lebensfähigkeit des Fötus zu schützen.


Demonstrant*innen halten Schilder hoch mit den Worten "Keep Abortion Legal" (Abtreibung sollen legal bleiben)
"Roe v. Wade", die Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofs sollte die Abtreibung in den Vereinigten Staaten landesweit schützen. Sie wurde 2022 gekippt.Bild: FREDERIC J. BROWN/AFP

Spätabtreibungen sind in keinem Bundesstaat erlaubt und Kindestötungen sind landesweit verboten. Das US-amerikanische Nachrichtenportal Axios hat eine Übersicht über die Bundesstaaten und ihre jeweiligen Regelungen zu Spätabtreibungen erstellt. Daten des Centers for Disease Control and Prevention (CDC), der zentralen Gesundheitsbehörde der USA, zeigen, dass weniger als ein Prozent der Abtreibungen nach der 21. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden, und zwar in der Regel aus schwerwiegenden medizinischen Gründen. Am 24. Juni 2022 hat der mittlerweile konservativ dominierte Supreme Court mit fünf zu vier Stimmen das landesweite Recht auf Abtreibung gekippt. 

Unterstützt Trump ein landesweites Abtreibungsverbot?

Behauptung: "Wenn Donald Trump wiedergewählt wird, wird er ein landesweites Abtreibungsverbot unterschreiben", versicherte Harris. "Ihr müsst verstehen, dass sein Projekt 2025 ein landesweites Abtreibungsverbot beinhalten würde."

DW Faktencheck: Falsch.

Der Plan mit dem Titel "Projekt 2025" umfasst fast 1000 Seiten und wurde 2023 von der konservativen Denkfabrik "The Heritage Foundation" verfasst. Er besteht aus detaillierten programmatischen Vorschlägen, die von Hunderten Konservativen zusammengetragen wurden, die hoffen, dass Trump sie im Falle seiner Wiederwahl übernehmen wird. In dem Plan wird ein landesweites Abtreibungsverbot nicht ausdrücklich erwähnt, aber es werden einige Ideen angesprochen, die zu einem solchen Verbot führen könnten.

Es ist schwer zu sagen, welche Position Trump zu einem landesweiten Abtreibungsverbot einnehmen würde, sollte er erneut ins Weißen Haus einziehen. Obwohl er nie explizit gesagt hat, dass er ein landesweites Verbot anordnen würde, ist er der Frage mehrfach ausgewichen - so auch am Dienstagabend, als er während der Debatte kein klares "Ja" oder "Nein" sagen konnte oder wollte.

Vizepräsidentin Harris bezog sich auf das "Projekt 2025" und behauptete, ein landesweites Abtreibungsverbot sei Teil davon. Trump distanzierte sich jedoch mehrfach ausdrücklich von dem Projekt. Während der Debatte sagte er: "Ich habe nichts mit dem Projekt 2025 zu tun. Ich habe es nicht gelesen. Ich will es absichtlich nicht lesen. Ich werde es nicht lesen".

Wie steht es um die Arbeitslosigkeit?

Behauptung: "Donald Trump hat uns die höchste Arbeitslosigkeit seit der Großen Depression hinterlassen", so Harris im Duell.

DW Faktencheck: Irreführend.

Die Große Depression war eine schwere Weltwirtschaftskrise, die 1929 begann und etwa ein Jahrzehnt andauerte. Im Mai 1933 erreichte die Arbeitslosigkeit in den USA ihren Höhepunkt, als  etwa jeder vierte in den Vereinigten Staatenarbeitslos war. Die genauen Zahlen variieren leicht je nach den verwendeten Daten, da einige Statistiken saisonbereinigt sind, andere nicht.

Kamala Harris hebt den Finger während sie im TV-Duell spricht
Die amtierende Vizepräsidentin Kamala Harris lag laut Umfragen nach der Debatte gegen ihren Herausforderer Donald Trump am Dienstagabend knapp vorn.Bild: Alex Brandon/AP Photo/picture alliance

Im April 2020 kletterte die Arbeitslosenquote in den USA unter Trump auf rund 14,8 Prozent und erreichte damit den höchsten Stand seit 1933. Dabei ist zu beachten, dass sich das Land auf dem Höhepunkt der ersten Welle der COVID-Pandemie befand, als zahlreiche Schließungen und Verbote die Ausbreitung des Virus stoppen sollten.

Zwar erreichte die Arbeitslosigkeit unter Präsident Trump einen Rekordstand seit der Großen Depression, doch bis zum Amtsantritt von Joe Biden im Jahr 2021 war diese Zahl bereits wieder auf 6,4 Prozent gesunken.

Werden Millionen in Russlands Angriffskrieg getötet?

Behauptung: Als er eine Frage zu Israels Krieg gegen die Hamas beantworten sollte, schwenkte Trump auf Russlands Angriffskrieg in der Ukraine um und sagte: "Wenn ich Präsident gewesen wäre, wäre Russland nie, nie ... in die Ukraine einmarschiert und hätte dort Millionen von Menschen getötet, wenn man das zusammenzählt".

DW Faktencheck: Falsch.

Diese Aussage übertreibt stark. In einem Krieg ist es schwierig, die Zahl der Toten von unabhängiger Seite zu überprüfen, aber die Berichte zeigen, dass es sich um Tausende und nicht um Millionen von Toten in der Ukraine handelt. Ein Bericht der Vereinten Nationen zeigte kürzlich, dass seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 mehr als 10.000 Zivilisten getötet und 20.000 verletzt wurden.

Hat Trump Nord Stream beendet?

Behauptung: Trump sagte: "Ich habe die Nord Stream 2 Pipeline gestoppt und Biden hat sie am ersten Tag wieder repariert."

DW Faktencheck: Irreführend.

Tatort Ostsee - Wer sprengte die Nord Stream-Pipelines?

Die Nord Stream- oder Ostsee-Pipelines verliefen unter der Ostsee nach Deutschland und hätten es Russland ermöglicht, seine Erdgasexporte nach ganz Westeuropa zu erhöhen. Doch im September 2022 wurden die Pipelines bei einer Unterwasserexplosion beschädigt und seitdem nicht mehr in Betrieb genommen.

Zwar verhängte Trump 2019 Sanktionen gegen das russische Projekt Nord Stream 2. Zu diesem Zeitpunkt waren die Bauarbeiten jedoch fast abgeschlossen.

Im Mai 2021, fünf Monate nach seinem Einzug ins Weiße Haus, hob Biden diese Sanktionen mit der Begründung auf, sie seien "kontraproduktiv" für die transatlantischen Beziehungen zu Europa. Als Russland jedoch im darauffolgenden Jahr in die Ukraine einmarschierte, verhängte Präsident Biden die Sanktionen erneut.

Drohte Trump mit einem 'Blutbad'?

Behauptung: "Der Kandidat Donald Trump hat gesagt, dass es bei dieser Wahl ein Blutbad geben wird, sollte das Wahlergebnis nicht zu seiner Zufriedenheit ausfallen", so Harris.

DW Faktencheck: Irreführend.

Vizepräsidentin Harris bezog sich mit dieser Aussage auf Bemerkungen, die Trump im März bei einer Kundgebung in Vandalia, Ohio, gemacht hatte. Er stellt sofort klar, dass seine Verwendung des Wortes "Blutbad" im Kontext des Energiesektors zu verstehen war.

Damals hatte er über die Autoindustrie gesprochen und sich direkt an den chinesischen Präsidenten Xi Jinping gewandt: "Wir werden 100 Prozent Zoll auf jedes einzelne Auto erheben, das über die Grenze kommt, und Sie werden diese Autos nicht mehr verkaufen können, wenn ich gewählt werde".

"Wenn ich jetzt nicht gewählt werde, wird es ein Blutbad geben," fügte er hinzu, "ein Blutbad für das ganze Land. Das wird das Mindeste sein. Aber sie werden diese Autos nicht verkaufen."

Damals stellten Trumps Sprecher gegenüber den Medien - auch der Washington Post und NBC News - klar, dass Trump lediglich von der Wirtschaft sprach.

Anna Bakoivc und Saad Said Abubakar haben zu diesem Artikel beigetragen, der aus dem Englischen übersetzt wurde.

DW Fact Checking-Team | Kathrin Wesolowski
Kathrin Wesolowski Reporterin und Faktencheckerin zu politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Themenwiesokate