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Faktencheck: Kamala Harris im Fokus der Desinformation

Veröffentlicht 25. Juli 2024Zuletzt aktualisiert 26. Juli 2024

Nach Bidens Rückzug vom US-Präsidentschaftswahlkampf steht die Vizepräsidentin im Zentrum der Aufmerksamkeit – und auch im Zentrum von rassistischer und sexistischer Desinformation. Wir haben drei Behauptungen überprüft.

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Tablet Ausgabe der Indian Times - Kamala Harris
Kamala Harris ist als potenzielle Nachfolgerin Bidens im Fokus der ÖffentlichkeitBild: IMAGO/ZUMA Press Wire

Es wäre eine Premiere in mehrfacher Hinsicht, wenn Kamala Harris die neue Präsidentin der Vereinigten Staaten würde: Zum ersten Mal eine Frau und zum ersten Mal eine Frau mit jamaikanischen und indischen Vorfahren. Noch ist die bisherige Vizepräsidentin nicht offizielle Kandidatin der Demokraten - aber nach Joe Bidens Rücktritt vom US-Präsidentschaftswahlkampf vergangenen Sonntag ist sie die Favoritin. Damit einher geht auch eine Welle oftmals altbekannter Falschbehauptungen - nicht wenige rassistisch und sexistisch.

Damit ist Harris übrigens leider nicht allein - Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, sind Diskreditierung durch Fake News und Desinformation tendenziell stärker ausgesetzt als Männer, Stichwort "Gendered Disinformation". So haben etwa laut einer Studie von 2016 fast 42 % der weltweit befragten Politikerinnen "extrem erniedrigende oder sexuell aufgeladene Bilder von sich selbst" online gesehen. 

DW Faktencheck hat drei prominente Behauptungen zu Harris genauer unter die Lupe genommen.

Ja, Kamala Harris ist US-Staatsbürgerin und kann Präsidentin werden

Claim: Angeblich soll die 59-Jährige wegen Ihrer Herkunft nicht Präsidentin der Vereinigten Staaten werden können. In einem über eine Million mal gesehenen X-Post heißt es etwa, "dass Kamala Harris verfassungsrechtlich weder als Präsidentin noch als Vizepräsidentin wählbar ist und derzeit unrechtmäßig als Vizepräsidentin fungiert."

DW Faktencheck: Falsch

Harris' US-Staatsbürgerschaft und Wählbarkeit wurden schon angezweifelt, als sie vor vier Jahren als Joe Bidens Vize kandidierte. Ähnliche Zweifel hatten Verschwörungstheoretiker seinerzeit auch gegen Barack Obama gestreut, den ersten afroamerikanischen Präsidenten des Landes. Dieses Infragestellen der Herkunft und Nationalität entgegen jeder Logik aufgrund der Hautfarbe trägt rassistische Züge - die Legitimität weißer Amtsträgerinnen und Amtsträger wurde in der Vergangenheit kaum jemals infrage gestellt.

Grundsätzlich gilt: Wer in den USA geboren wird, erhält dadurch die US-Staatsbürgerschaft. Das ist Abschnitt 1 des 14. Zusatzartikelsder US-amerikanischen Verfassung zu entnehmen: "Alle Personen, die in den Vereinigten Staaten geboren oder eingebürgert sind und ihrer Gesetzeshoheit unterstehen, sind Bürger der Vereinigten Staaten und des Einzelstaates, in dem sie ihren Wohnsitz haben."

Vizepräsidentin Kamala Harris hört bei einer Rede in Washington zu (Foto: TingxShen)
Muss viel über sich ergehen lassen: Juristin und Politikerin HarrisBild: Ting Shen/UPI Photo/IMAGO

Nach offiziellen Angaben zog Harris' Mutter Shyamala Gopalan als 19-Jährige aus Indien in die USA, um an der Universität Berkeley in Kalifornien zu promovieren. Ihr jamaikanischer Vater Donald J. Harris zog ebenfalls in die USA, um in Berkeley zu promovieren. Dort, in Kalifornien, kam am 20. Oktober 1964 Kamala zur Welt. 

Man kann online sogar die Geburtsurkunde von ihr einsehen, die 2020 - als die Diskussion um ihre Herkunft schon einmal stattfand - in einem Onlineartikel von The Mercury News beigefügt worden war. Der Autor antwortet auf DW-Anfrage, dass jeder in Kalifornien zu Informationszwecken für 25 US-Dollar Kopien von Geburtsurkunden erhalten könne und er so die Urkunde erlangt habe.

Kamala Harris ist also US-Staatsbürgerin durch Geburt und erfüllt so die Voraussetzungen, um als (Vize-)Präsidentin gewählt zu werden. In Artikel 2, Abschnitt 1 der Verfassung steht: "In das Amt des Präsidenten können nur in den Vereinigten Staaten geborene Bürger oder Personen, die zur Zeit der Annahme dieser Verfassung Bürger der Vereinigten Staaten waren, gewählt werden; es kann niemand in dieses Amt gewählt werden, der nicht das Alter von 35 Jahren erreicht und seinen Wohnsitz seit 14 Jahren im Gebiete der Vereinigten Staaten gehabt hat."

Nein, Kamala Harris hat nicht betrunken wirres Zeug geredet

Claim: "Heute ist heute. Und gestern war heute gestern. Morgen wird heute morgen sein. Also lebe heute, damit die Zukunft heute so sein wird wie die Vergangenheit heute, wie sie morgen ist. " Diese wirren Worte scheint Kamala Harris in einem Video zu sagen, dass unter anderem auf X und Telegram zirkuliert.

Screenshot eines Fake-Videos zu Harris (Screenshot: X.com)
Manipuliertes Video: Im Abgleich mit der Originalrede hört man das geänderte Audio.Bild: X/@MonicaLaredo2

DW Faktencheck: Fake.

Mehrere Aspekte des vielfach geteilten Videos machen stutzig. Kamala Harris' Mundbewegungen und Gestik passen oft nicht richtig zum Gesagten. Zudem scheint sie fast zu lallen. Die Videoqualität ist schlecht - was typisch für zu Manipulationszwecken wiederverwendetes Bildmaterial ist.

Eine Bilderrückwärtssuche zeigt, dass das Video in Kombination mit der Tonspur schon seit Mai 2023 zirkuliert, und schlussendlich, dass es manipuliert ist, womöglich auch mithilfe Künstlicher Intelligenz. In Wirklichkeit spricht Kamala Harris über reproduktive Rechte im vergangenen Jahr bei einer entsprechenden Veranstaltung an der Howard University. Dies zeigt der Abgleich mit dem auf Facebook gefundenen Originalvideo. Darin beginnt Harris ab Minute 57 zu sprechen - und ab Timecode 01:01:08 ist die Stelle, bei der das Fake-Video einsetzt. 

Hinweise auf die Thematik von Harris' Rede liefern auch die Schilder, die Menschen hinter ihr hochhalten und auf denen "Reproduktive Freiheit" (reproductive freedom) steht – so wie auch in einigen Fake-Versionen vor Kamala Harris' Redepult. Eine Bilderrückwärtssuche mit diesen Elementen im Bild führt zu entsprechenden Medienberichten zu der Veranstaltung an ihrer ehemaligen Uni.

Dieser Fake lässt die Vizepräsidentin desorientiert erscheinen - man könnte darin sogar die Anspielung auf ein Alkoholproblem sehen. Zumindest ist es nicht der erste Fake zu Harris, der sie in Verbindung mit unangemessenem Alkoholkonsum bringt. Zwar wird sich durchaus auch über Männer auf solche oder ähnliche Weise lustig gemacht, dennoch wird das (digitale) Beschämen besonders gegen Frauen eingesetzt, wie etwa die US-Soziologin Sarah Sobieraj feststellt.

Harris-Aussage zur Ukraine ohne Kontext

Screenshot eines irreführenden Posts zu Harris (Screenshot: X.com)
Harris sollte in einfacher Sprache den Ukraine-Konflikt erklären. Diese Aussagen werden ihr negativ ausgelegt und Kontext weggelassen.Bild: X

Claim: Viele Accounts haben zuletzt einen Screenshot in Verbindung mit einem Audio geteilt, in dem Harris auf sehr simple Weise Russlands Krieg in der Ukraine beschreibt: "Die Ukraine ist ein Land in Europa. Es liegt neben einem anderen Land, das Russland heißt. Russland ist ein größeres Land. Russland ist ein mächtiges Land. Russland hat sich entschieden, in ein kleineres Land, das Ukraine heißt, einzumarschieren. Und das ist falsch." Angesichts dieser sehr simplen Darlegung machen sich viele, etwa dieser X-Post mit über 10 Millionen Views, lustig über Harris begrenzt scheinendes Verständnis vom Ukraine-Krieg.

DW Faktencheck: Irreführend

Auch diese Behauptung zur US-Vizepräsidentin ist nicht neu - entsprechende Posts zirkulierten etwa schon 2022, wie eine Bilderrückwärtssuche offenbart. Tatsächlich hat Kamala Harris diese Worte so gesagt, und zwar im März 2022 kurz nach Beginn von Russlands Krieg in der Ukraine, in der Radiosendung "The Morning Hustle". Die Folge findet sich auch hier auf Youtube, Harris Zitat beginnt bei 03:12:

Doch wenn man auch die Frage des Radiomoderators hinzunimmt, wird klarer, warum Harris so simple Worte findet. Denn dieser fragt sie dezidiert, ob sie die Geschehnisse in der Ukraine "für Laien herunterbrechen" könne, die nicht verstehen, was vor sich geht. Harris' Statement ist also aus dem Kontext gerissen und erweckt einen falschen Eindruck, zumal ihre Ausführungen danach noch konkreter werden.

Ein solches Absprechen der Expertise kann ebenfalls als "Gendered Disinformation" betrachtet werden - neben Einschüchterung und Beschämung ist Diskreditierung laut Expertin Sobieraj eine der drei grundlegenden Spielarten von digitalem Sexismus. Derartige Attacken stellen die Glaubwürdigkeit von Frauen in öffentlichen Sphäre infrageund vermitteln den Eindruck, sie seien nicht ernst zu nehmen und ungeeignet.

 

Dieser Artikel wurde am 26.07.2024 ergänzt, um die Beispiele genauer in den Kontext von "Gendered Disinformation" einzuordnen.

DW Fact Checking-Team | Ines Eisele
Ines Eisele Faktencheckerin, Redakteurin und AutorinInesEis