Klimaschutz, was kann ich denn schon machen?
1. Juli 2021China und die USA sind laut der EU-Datenbank EDGAR (Emissions Database on Global Atmospheric Research) die größten CO2-Emittenten weltweit. Angesichts dieser Tatsache fragen sich nicht nur in Deutschland viele Menschen, ob es unter diesen Umständen überhaupt einen Unterschied macht, sich einzuschränken und den individuellen CO2-Verbrauch zu verringern.
Der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Aufklärungsplattform "klimafakten.de", hält dieses vielfach vorgetragene Argument für unlogisch. "Klar könnte man die Welt in fünfzig Gruppen einteilen, von denen jede zwei Prozent der globalen Emissionen verursacht - folgt daraus dann, dass niemand etwas machen muss?", fragt er im Blog des Wissenschaftsmediums Spektrum.
Ökologischer Fußabdruck
Wenn es um den persönlichen Beitrag zum Klimaschutz geht, ist es sinnvoll, die CO2-Emissionen pro Kopf zu vergleichen. In dieser Rangliste lagen die USA 2019 mit 15,52 Tonnen pro Einwohner weit vorn. In China lag der Wert bei 8,12 Tonnen und in Deutschland bei 8,5 Tonnen. Der weltweite Durchschnitt liegt knapp unter fünf Tonnen.
Diese Tendenz zeigt sich auch beim ökologischen Fußabdruck pro Person. Mit dieser Maßeinheit wird errechnet, wie viel Fläche ein Mensch benötigt, um seinen Bedarf an Ressourcen zu decken.
Kriterien sind unter anderem die Herkunft und Art der Lebensmittel, die verbraucht werden, Mobilität und Produktionsbedingungen von Konsumgütern. In den USA liegt dieser im Durchschnitt bei acht Globalen Hektar pro Einwohner, in Deutschland bei 4,7 Globalen Hektar, und in China bei 3,7 Globalen Hektar (siehe Grafik).
Die Vergleiche zwischen Deutschland, China und den USA zeigen, dass ein niedriger individueller ökologischer Fußabdruck kein Argument dafür sein kann, Klimaschutzmaßnahmen anderen zu überlassen. Denn Chinas 11,5 Milliarden Tonnen Treibhausgase mögen umgerechnet auf die Einwohnerzahl zwar weniger drastisch wirken. In absoluten Zahlen jedoch ist China laut EDGAR der größte Treibhausgasverursacher weltweit und bläst mehr als doppelt so viel CO2 in die Atmosphäre wie die USA (5,1 Milliarden Tonnen).
Alle in der Pflicht
Dennoch kann ihnen nicht alleine die Verantwortung zu handeln zugeschoben werden.Das Aufklärungsportal rechnet vor: "Selbst wenn China und die USA ab sofort keine einzige Tonne Kohlendioxid mehr emittierten, wäre der CO2-Ausstoß im Rest der Welt immer noch so hoch, dass bis 2050 mehr Emissionen zusammenkämen, als für ein Einhalten des 1,5-Grad-Limits bei der Erderwärmung noch erlaubt wären."
Mehr als die Hälfte der jährlichen Emissionen stamme von anderen Ländern. Die Schlussfolgerung von Klimafakten.de lautet daher: "Es müssen alle Staaten mitmachen".
Anteil der privaten Haushalte
Angesichts des hohen CO2-Ausstoßes pro Kopf in Deutschland gewinnt die Frage des persönlichen Ressourcenverbrauchs politisch an Bedeutung. Denn rund 90 Millionen Tonnen der 2020 emittierten 740 Millionen Tonnen Treibhausgase stammen aus privaten Haushalten. Eingeschlossen sind darin beispielsweise der Ausstoß fürs Heizen und Kochen sowie Strom für technische Geräte.
Diesem Sektor kommt beim Erreichen der Klimaschutzziele eine wichtige Rolle zu, genauso wie dem Verkehr, der im vergangenen Jahr 146 Millionen Tonnen Treibhausgase (rund 20 Prozent) verzeichnete. Größter Emittent ist weiterhin die Energiewirtschaft mit 221 Millionen Tonnen.
In Deutschland gibt es deshalb viele Initiativen, die Verbraucher dabei unterstützen, ihren Energieverbrauch zu verringern. Wichtigstes Instrument ist der CO2-Rechner des Umweltbundesamtes.
Fleischkonsum und Flugreisen
Auf dieser Grundlage errechnete zum Beispiel ein Team der Technischen Brandenburgischen Universität, dass in Gebäuden sechs Prozent der Heizenergie eingespart werden könnte, wenn im Winter die Heizung um ein Grad heruntergeregelt würde.
Auch beim Stromverbrauch gibt es in privaten Haushalten noch großes Einsparpotenzial: Nach Angaben des Bundesumweltministeriums (BMU) könnten bundesweit etwa 15 Millionen Tonnen CO2 jährlich vermieden und rund 10 Milliarden Euro eingespart werden, wenn der individuelle Stromverbrauch bewusst gesenkt würde.
Ein weiterer Bereich, in dem jeder einzelne durch sein Verhalten einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, ist der Verkehrssektor, der im vergangenen Jahr 146 Millionen Tonnen Treibhausgase ausgestoßen hat. Laut "Eco-Tipp" der Brandenburgischen Technischen Universität ist zum Beispiel ein Hin- und Rückflug von Frankfurt nach Teneriffa so klimaschädlich, wie ein komplettes Jahr das Auto zu nutzen.
Entscheidend ist auch das Thema Ernährung. Würden die Menschen, die in Deutschland leben, ihren jährlichen Fleischkonsum von 88 Kilo auf 46 Kilo Fleisch pro Kopf verringern, sänke der CO2-Ausstoß von 15 Millionen auf knapp acht Millionen Tonnen. Dies geht aus den Berechnungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung hervor, die im "Fleischatlas 2021" veröffentlicht wurden.
Ohnmacht und Empowerment
Helfen Fleischverzicht und Fahrradfahren beim Kampf für Nachhaltigkeit und Klimaschutz also weiter? Fazit: Der Beitrag eines jeden Einzelnen ist wichtig und lässt sich nicht mit dem Verweis auf größere CO2-Emittenten kleinreden.
Dennoch entfalten individuelle Maßnahmen erst in einem bestimmten Kontext eine politische Wirkung, die zu wirklichen Veränderungen führen kann. "Welche Produkte der Einzelne bewusst nicht kauft, wird oft nicht wahrgenommen", erklärt Robbie Andrew, Wissenschaftler am Klimaforschungsinstitut CICERO in Norwegen, im DW-Gespräch. Am wirkungsvollsten sei es, politischen Verantwortungsträgern zu vermitteln, das dies für die Gesellschaft ein wichtiges Thema ist. Deswegen seien Bewegungen wie "Fridays for Future" entscheidend.
Für den Gründer und Präsident des Netzwerkes "Global Footprint Network", Mathis Wackernagel, ist Klimaschutz Selbstschutz: "Das Warten auf China oder die USA hilft nicht", erklärt er der DW. "Besser ist es, das eigene Boot klimatauglich zu machen und dadurch die eigenen Zukunftschancen zu erhöhen."
Dieser Artikel ist Teil einer Serie, in der die DW Mythen zum Klimawandel einem Faktencheck unterzieht.
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Teil 2 - Warum 0,5 Grad Erderwärmung einen Unterschied machen