Faktencheck: Warum Hitler kein Kommunist war
10. Januar 2025Der reichste Mann der Welt und die Kanzlerkandidatin der rechtspopulistischen, in Teilen auch rechtsextremen Partei Alternative für Deutschland (AfD), führten am Donnerstag auf der Plattform X ein Gespräch über diverse Themen. Dabei stellten Elon Musk und Alice Weidel viele Behauptungen auf, die das DW-Faktencheck-Team bereits überprüft hat.
Gerade eine Behauptung über den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg fällt aber schwer ins Gewicht: Alice Weidel behauptet, Adolf Hitler sei nicht "rechts” gewesen, sondern ein "Kommunist”. Diese geschichtsrevisionistische Behauptung, also der Versuch, die Geschichte in Bezug auf den Nationalsozialismus umzudeuten, ist nicht neuund wird immer wieder überprüft. Ein DW-Faktencheck.
Behauptung: "[Die Nationalsozialisten] verstaatlichten die gesamte Industrie. (…) Der größte Erfolg nach dieser schrecklichen Ära unserer Geschichte war es, Adolf Hitler als rechts und konservativ zu bezeichnen. Er war das genaue Gegenteil. Er war nicht konservativ. Er war dieser sozialistisch-kommunistische Typ", behauptete Alice Weidel im X-Gespräch. In einem Nachgesprächmit dem deutschen Privatsender ntv betonte sie wiederholt: "Ich weiche auch davon nicht ab: Adolf Hitler war ein Linker."
DW-Faktencheck: falsch
Die Behauptung ist falsch und verharmlost die Gräueltaten, die unter der nationalsozialistischen Führung Adolf Hitlers zwischen 1933 und 1945 begangen wurden. Die AfD, die in Deutschland zum Teil als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, versucht sich immer wieder von Nazis abzugrenzen, und auch mächtige US-amerikanische Männer wie der gewählte Vize-Präsident JD Vance verbreiten zum Teil falsche Aussagen über die Nazi-Geschichte Deutschlands (hier unser Faktencheck dazu).
Hitler war kein Kommunist
"Was Frau Weidel von sich gibt, ist schierer Blödsinn, den ich nicht durch ernsthafte Beschäftigung aufwerten möchte", schreibt der deutsche Historiker Thomas Sandkühler auf eine Interviewanfrage der DW. Gleichzeitig scheinen viele Nutzer im Netz die Behauptung von Alice Weidel zu glauben oder zu teilen.
Auch der Historiker Michael Wildt, mit Schwerpunkt Nationalsozialismus, bezeichnet Weidels Behauptung als "großen Quatsch". "Hitler hat von Anfang an den Marxismus heftigst und brutal bekämpft und die ersten Opfer, die 1933 in den Konzentrationslagern eingesperrt, gefoltert und getötet wurden, waren Linke, Kommunisten, Sozialdemokraten, Sozialisten.", erklärt Wildt im DW-Interview. Auch aus ökonomischer Sicht sei er nicht links gewesen. "Die NSDAP hat die Eigentumsverhältnisse nicht angetastet", sagt der Historiker.
"Gerade aus ökonomischer Sicht war Hitler kein Kommunist", bestätigt Thomas Weber, der Historiker und Autor des Buches "Becoming Hitler: The Making of a Nazi", gegenüber der DW. "Der Kommunismus hat aus ökonomischer Sicht die Überwindung des Privateigentums, die Überwindung einer profitorientierten Wirtschaft und die Überführung der wichtigsten Produktionsmittel (z.B. Bergwerke und Fabriken) und der natürlichen Ressourcen in Gemeinschaftseigentum zum Ziel", so Weber. Dies alles habe Hitler abgelehnt.
Hitler war ein Antisemit und Rassist
Hitler könne zudem nicht als Kommunist bezeichnet werden, "weil er ein Antisemit und Rassist war. Und das hat mit dem Gedanken einer kommunistischen Gesellschaft, in der die Menschen gleich sind, nichts zu tun, sondern ist genau das Gegenteil", sagt der Historiker Wildt.
Die politische Bewegung des Nationalsozialismus war kein Sozialismus. Sie entstand auch nicht erst zu Zeiten Hitlers, sondern bereits nach dem Ersten Weltkrieg. Zum Zweiten Weltkrieg hin festigte sie sich aber immer mehr. Die brandenburgische Zentrale für politische Bildung beschreibt die Ideologie wie folgt: "Der Nationalsozialismus war extrem nationalistisch, antidemokratisch, antipluralistisch, antisemitisch, rassistisch, imperialistisch und antikommunistisch." Zudem spielte die rassistische Ausgrenzung von Minderheiten bis zum Völkermord eine zentrale Rolle.
Es gab einen sozial-revolutionären Flügel der NSDAP
Dem Nationalsozialismus kamen einige Ideen des Sozialismus und die Begriffe wie "sozialistisch" und "Arbeiterpartei" zugute, um die Stimmen der Arbeiterschaft für sich zu gewinnen und 1933 an die Macht zu kommen. Das Arbeits- und Sozialrecht der Nazis nach der Machtübernahme jedoch sorgte für Unterdrückung, Verfolgung und Ermordung von Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern.
Thomas Weber betont: "Der wesentliche Punkt hierbei ist, dass aus der Sicht Hitlers und vieler Nationalsozialisten der "Sozialismus" im Parteinamen keine leere Formel oder ein Trick war. Vielmehr definierte er, wie Hitler sich selbst sah und wie er die Welt umbauen wollte. Das hat er immer wieder im Privaten und öffentlich betont."
In der Frühzeit der NSDAP gab es einen selbst ernannten sozialistischen Flügel, der aber schon vor der Machtübernahme 1933 ausgeschaltet wurde. Eine Führungsfigurdieses Flügels, Gregor Strasser, ließ Hitler ebenso wie andere innerparteiliche Gegner im Juni 1934 umbringen. Dieser so genannte Strasser-Flügel, so der Historiker Wildt, wollte einen völkischen Sozialismus zugunsten der deutschen Arbeiterschaft, blieb aber ebenso rassistisch und antisemitisch wie die übrige NSDAP.
Deswegen sind sich die meisten Historiker schon lange einig, dass man den Nationalsozialismus mit dem Sozialismus nicht gleichsetzen kann. Genau das versuchen aber viele Menschen aus politischen Gründen, so Thomas Weber.
"Diese Frage wird in der Regel - nach dem Motto: war Hitler links oder rechts - zu eng diskutiert. Und dann wird entweder der Versuch von rechter Seite unternommen, Hitler als klassischen Sozialisten und Linken darzustellen, was keinen Sinn ergibt. Oder es wird der Versuch unternommen, den Gebrauch des Begriffs "Sozialismus" durch Hitler und die Nationalsozialisten auf einen Wahlkampftrick zu reduzieren. Auch das ergibt keinen Sinn, denn es lässt außer acht, wie Hitler und die Nationalsozialisten sich selbst definierten, wie sie die Welt sahen und wie sie versuchten, die Welt zu verändern".