Belastendes Material gegen Kronprinz Salman
13. November 2018Ein Mitglied des Kommandos, das Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul umgebracht habe, habe kurz nach der Tat Anfang Oktober einem Vorgesetzten am Telefon gesagt, er möge "seinem Chef" Bescheid geben, schrieb das Blatt.
Amerikanische Geheimdienstler glauben, dass mit dem "Chef" Mohammad bin Salman (Artikelbild) gemeint sei, auch wenn dieser nicht namentlich genannt wurde. "Ein Anruf wie dieser ist so nahe an einem handfesten Beweis, wie er nur sein kann", sagte der frühere CIA-Offizier Bruce O. Riedel dem Blatt.
Verspätete Erklärung
Khashoggi, ein Kritiker Salmans, hatte am 2. Oktober das Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul betreten, um Dokumente für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten abzuholen. Er tauchte nie wieder auf. Saudi-Arabien bestritt lange, mit seinem Verschwinden etwas zu tun zu haben. Auf internationalen Druck gab Riad eine offizielle Erklärung ab, wonach es zwischen Khashoggi und mehreren Personen zu einer Schlägerei mit tödlichem Ausgang gekommen sei.
Riad beschuldigte in der Folge hochrangige Regierungsmitarbeiter, ein 15-köpfiges Spezialteam zur Ausführung der Tat auf eigene Faust losgeschickt zu haben. Insgesamt ließ die saudische Führung 18 Verdächtige festnehmen. Damit habe sie offensichtlich den mächtigen Kronprinzen aus der Schusslinie nehmen wollen, meinen Kritiker.
Nach Einschätzung der "New York Times" wird mit dem belastenden Material gegen Salman der Druck auf US-Präsident Donald Trump zunehmen, gegen Riad vorzugehen.
Am Wochenende hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara offiziell die Existenz von Tonaufnahmen von der Ermordung Khashoggis bestätigt. Diese habe man mit einer Reihe von Ländern geteilt, darunter auch die USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Kanada. Berlin und Toronto haben bestätigt, dass sie Informationen erhalten haben. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian hatte dagegen hatte erklärt, dass sein Land keine Kenntnis über türkische Informationen zum Mord an Khashoggi habe.
Informationen in Häppchen
Die türkische Zeitung "Sabah" berichtet zudem, dass die saudische Delegation, die kurz vor Khashoggis Tod nach Istanbul reiste, Spritzen, Defibrillatoren, Funkgeräte, Tacker, Scheren und einen Störsender im Gepäck gehabt hatte. "Sabah" veröffentlichte Scans, die den Inhalt der Koffer des Kommandos zeigen sollen.
Die türkische Regierung hat Informationen über den Mord an Khashoggi bislang scheibchenweise und teilweise über regierungsnahe Medien veröffentlicht. Mit dieser Strategie hält Ankara den Druck auf Riad aufrecht. Die Türkei unter Erdogan und Saudi-Arabien unter König Salman ibn Abd al-Aziz sind Rivalen in der Region. Die Türkei unterstützt etwa das mit Riad verfeindete Emirat Katar und hat dort Truppen stationiert. Außerdem steht die türkische Führung den Muslimbrüdern nahe, die in Saudi-Arabien wiederum als Terrororganisation eingestuft sind.
cgn/se (afp, dpa)