Gefängnisstrafe für Ex-Trump-Berater Stone
21. Februar 2020Wer am Donnerstagmorgen vor dem Federal Court Gerichtsgebäude in Washington DC vorbeikam, konnte eine Ratte vor dem Eingang sitzen sehen. Das ist für Washington nicht unbedingt ungewöhnlich; die Nager sind in der US-Hauptstadt in großen Zahlen vertreten. Aber diese Ratte war mehrere Meter groß, hatte blonde Haare und trug einen Anzug. Protestler hatten den aufblasbaren Nager am Tag der Strafmaß-Verkündung für den ehemaligen Trump-Wahlkampfberater Roger Stone vor dem Gericht aufgebaut. "Weil Stone eine Ratte ist, die für eine andere Ratte gearbeitet hat", erklärte einer der Demonstranten, der neben der Riesenratte in einem Campingstuhl saß.
Stone war im November 2019 von einer Jury verurteilt worden, weil er im Zuge der Untersuchung über Russlands Rolle bei der Präsidentschaftswahl 2016 Falschaussagen vor dem Kongress gemacht, die Ermittlungen behindert und einen Zeugen bedrängt hatte. Die Ankläger hatten vergangene Woche zunächst eine Strafe von sieben bis neun Jahren empfohlen.
Am Donnerstag verkündete Richterin Amy Berman Jackson nach einer langen Auflistung von Stones Fehlverhalten und mehreren Gesprächen mit der Verteidigung und den Staatsanwälten das Urteil: Stone soll für drei Jahre und vier Monate ins Gefängnis. Die Richterin betonte, wie ernst die Verbrechen Stones waren, und dass man sie nicht, wie von der Verteidigung versucht, einfach mit "Roger ist eben Roger" abtun könne. "Die Wahrheit ist immer noch wichtig", so Berman Jackson in ihrer Verkündung. Stones Verbrechen "sollten Entsetzen und Ekel über Parteigrenzen hinaus" hervorrufen. Trotzdem: Die tatsächliche Strafe, die Stone jetzt absitzen soll, ist wesentlich kürzer als von der Staatsanwaltschaft ursprünglich gefordert.
Kürzere Strafe "vernünftig"
Ursprünglich ist hier allerdings das Schlüsselwort. Nur einen Tag, nachdem die Ankläger ihre Empfehlung abgegeben hatten, mischte sich Präsident Donald Trump persönlich in die Sache ein. "Das ist eine furchtbare und sehr ungerechte Situation", schrieb der US-Präsident auf Twitter über die bevorstehende Gefängnisstrafe seines Vertrauten. Solch eine falsche Interpretation der Rechtsprechung dürfe man nicht durchgehen lassen.
Das Justizministerium zog prompt nach. Von ganz oben wurden die Ankläger, die am Fall Stone gearbeitet hatten, quasi übergangen: In der neuen Empfehlung direkt aus dem Ministerium hieß es, eine "sehr viel kürzere" Strafe als sieben bis neun Jahre sein "unter den gegebenen Umständen vernünftig".
Trump versicherte zwar, das Justizministerium habe unabhängig gehandelt, er habe niemandem irgendetwas diktiert. Aber die Empörung über den Vorgang war trotzdem groß. Alle vier Staatsanwälte des Anklageteams gaben den Fall Stone ab.
Justizministerium sieht schlecht aus
Auch andere Experten in Washington zeigen sich immer noch schockiert darüber, dass sich ein Präsident in die eigentlich unabhängige Judikative einmischt. "Trump nutzt die Macht der Präsidentschaft dafür, den Ausgang dieses Falls zu beeinflussen", sagt Stephen Saltzburg, Professor an der Law School der George Washington University und ehemaliger Mitarbeiter im US-Justizministerium.
Es ist möglich, dass sich die Führung des Justizministeriums tatsächlich unabhängig von Trump für eine Änderung der Strafempfehlung entschieden hat. Aber wenn der Justizminister die Vorschläge von Staatsanwälten ändern möchte, sollte das eigentlich geschehen, bevor die erste Empfehlung ans Gericht und damit an die Öffentlichkeit geht, erklärt Saltzburg der DW. "So macht es jetzt einen schlechten Eindruck, weil die geänderte Empfehlung erst nach Trumps Tweets kam", sagt der Rechtsexperte. "Niemand wird nach dieser Geschichte gut aussehen."
"Unmöglich, meine Arbeit zu tun"
Justizminister William Barr verteidigt unterdessen sein Territorium mit ungewöhnlich deutlichen Worten. Die Angriffe von Trump auf seine Staatsanwälte hätten es ihm "unmöglich gemacht, meine Arbeit zu tun", sagte der Justizminister in einem Interview mit dem Fernsehsender ABC. "Es ist Zeit, damit aufzuhören, über Straffälle des Justizministeriums zu twittern." So eine klare Ansage gegen Präsident Trump und seine Twitter-Ausfälle gab es bisher noch von keinem Kabinettsmitglied.
Das schützt Barr aber nicht vor scharfer Kritik. Mehr als 2600 [Stand: 20. Februar 2019] ehemalige Mitarbeiter des Justizministeriums haben bisher einen öffentlichen Brief unterzeichnet, in dem sie Barrs Rücktritt fordern. "Die Taten von Mr. Barr und wie er den Wünschen des Präsidenten folgt, sagen leider mehr als seine Worte", heißt es in dem Brief. "Diese Taten und der Schaden, den sie dem Ruf des Justizministeriums als Institution mit Integrität zugefügt haben, erfordern es, dass Mr. Barr zurücktritt."
Stones Fall ist nach Verkündung des Strafmaßes noch lange nicht vorbei. Seine Anwälte haben beantragt, den Fall komplett neu aufzurollen, weil eine Geschworene in dem Fall Trump-kritische Beiträge auf Twitter gepostet hatte. Bei der Jury-Auswahl zu Beginn des Prozesses soll sie ihre tatsächliche politische Überzeugung verschwiegen haben. Sollte Richterin Berman Jackson der Forderung stattgeben, wäre das Urteil null und nichtig.
Wenn das Urteil bestehen bleibt, würden Stones Anwälte höchstwahrscheinlich in Berufung gehen. Sollte auch das nicht funktionieren, könnte Stone möglicherweise ein letztes Mal auf seinen Freund, den Präsidenten zählen. Am Donnerstagmittag rollten Stone-Unterstützer vor dem Gerichtsgebäude in Washington ein großes Plakat mit einer Aufforderung an Präsident Trump aus: "Pardon Roger Stone" (Begnadige Roger Stone).