Familienpolitik im Namen Gottes
29. Januar 2016Eine Kriegserklärung gegen die Armut, ausgesprochen von Kardinal Charles Maung Bo aus Myanmar, der den Papst beim diesjährigen 51. Internationalen Eucharistie-Kongress in der philippinischen Stadt Cebu repräsentiert. Die Philippinen müssten "einen Dritten Weltkrieg gegen die Armut und wirtschaftliche Ungleichheit erklären", eröffnete Bo seine Ansprache. Der Geistliche beklagte unter anderem, dass "Hunde mit gediegenem Bio-Essen gefüttert werden, während arme Kinder sich mit Krümeln zufriedengeben müssen."
Mehrere zehntausend Menschen hatten sich auf dem Platz der Unabhängigkeit in Cebu versammelt, um dem Auftakt des katholischen Weltkongresses, der alle vier Jahre an wechselnden Orten stattfindet, beizuwohnen. Stundenlang trotzten die Gläubigen der gleißenden Hitze. "Die Schwüle, der Verkehr, die fehlenden Sitzplätze - all das macht uns gar nichts aus", sagt die Besucherin Marie Andrada und lacht: "Das ist wegen unseres Glaubens. Es ist der Glauben, der sich in jedem von uns manifestiert."
Predigt gegen die Armut
Mehr als achtzig Prozent der 100 Millionen Filipinos sind meist tiefgläubige Katholiken. Der Inselstaat ist bevölkerungsmäßig das größte katholische Land in Asien. Ein entsprechendes Großereignis war der Papstbesuch im Januar 2015, wo das Kirchenoberhaupt mit sieben Millionen Gläubigen in Manila die größte Papstmesse und Menschenansammlung aller Zeiten feierte. Gleich in seiner ersten Rede im Präsidentenpalast von Manila hatte Papst Franziskus gegen die Armut im Land gepredigt, die skandalöse soziale Ungleichheit und die weitverbreitete Korruption angeprangert. Er hatte damit direkt die anwesenden Eliten des Landes und Ihre Aufrichtigkeit im Kampf gegen die Armut angesprochen.
Gleichzeitig hatte der Pontifex den Schutz der Familie ausgerufen und die konservative Haltung der katholischen Kirche gegen künstliche Verhütung bekräftigt. Rund ein Viertel der philippinischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze, für die meisten ist Familienplanung ein Fremdwort. In der Folge wachsen Millionen Kinder in bitterer Armut und Aussichtslosigkeit auf, das Land hat laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine der größten Geburten- und Müttersterblichkeitsraten in Asien. Zudem stellt das rasante Bevölkerungswachstum auf den Philippinen eine immer größere Herausforderung für Umwelt und Wirtschaft dar.
Budget für Geburtenkontrolle gestrichen
Das 2012 nach einem jahrzehntelangen, erbitterten Streit zwischen Kirche und Regierung eingeführte Gesetz zur Geburtenkontrolle sollte Abhilfe schaffen. Es sieht unter anderem die kostenlose Verteilung von Verhütungsmitteln, Beratung zur Familienplanung in lokalen Gesundheitszentren, sowie Sexualkunde in der Schule vor.
Doch dieselbe katholische Bischofskonferenz auf den Philippinen, die den diesjährigen Eucharistie-Weltkongress zu Themen wie Hoffnung und Armutsbeseitigung organisiert, ist der größte Gegner des Gesetzes. Mit landesweiten Kampagnen und Petitionen kämpft sie seit Jahren eisern gegen seine Umsetzung - mit der Folge, dass der philippinische Haushaltsauschuss nicht genügend Mittel für die Programme zur Verfügung stellt.
Der jüngste Paukenschlag gelang den Bischöfen Anfang dieses Jahres. Unter dem Druck der Kirche wurden die für die Umsetzung eines Familienförderprogramms geplanten 21 Millionen US-Dollar gestrichen. Rund sieben Millionen Frauen sind davon betroffen. "Das wird enorme Konsequenzen mit sich ziehen, denn viele Mütter sind auf die Hilfe des Gesundheitsministeriums angewiesen", kritisiert Ressortchefin Janette Garin. Ihr Ministerium könne nun lediglich auf private Spenden hoffen, um Gelder für Verhütungsmittel einzutreiben, so Garin weiter.
Kampfflugzeuge statt Kondome
Kirchenvertreter zeigten sich hoch erfreut über die Budgetkürzung. Ramon Arguelles, Erzbischof von Batangas, betonte etwa, das Geld finde sicher bessere Verwendung als Investition in das Bildungssystem. Das ist jedoch Wunschdenken, denn laut Aussage der Senatorin Loren Legarda wurden die 21 Millionen US-Dollar bereits genutzt, um angesichts des andauernden Konfliktes im Südchinesischen Meer Kampfflugzeuge zu beschaffen.
Gesetzgeber und Vertreter der Zivilgesellschaft kritisierten die Haushaltsbeschneidung scharf. Romeo Dongeto, Direktor der Stiftung der Abgeordnetengruppe für Bevölkerung und Entwicklung (PLCPD), warnt vor möglichen Spätfolgen. "Wenn man Paaren den Zugang zu reproduktiver Gesundheit verwehrt, dann wird das drastische Folgen für die Volksgesundheit haben und die Möglichkeit unterbinden, Kindern angemessen Nahrung, Gesundheitsfürsorge und Bildung zur Verfügung zu stellen", sagt Dongeto, "langfristig wird eine solche Politik die Produktivität der Arbeitskräfte und somit die nationale Wirtschaft stark beeinträchtigen."
Illegale, lebensgefährliche Abtreibungen
Das Gesetz zur Geburtenkontrolle sieht eigentlich auch eine medizinische Nachsorge für Frauen vor, die eine ungewollte Schwangerschaft abbrechen - trotz der Tatsache, dass Abtreibung selbst auf den Philippinen nach wie vor illegal ist und von der Kirche verdammt wird. Konkret passiert ist jedoch bisher nichts.
Laut einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO lassen jedes Jahr rund 800.000 philippinische Frauen auf eigene Faust abtreiben - und das unter größten Risiken für die eigene Gesundheit. Diese Frauen sind gezwungen, mit mittelalterlichen Methoden in nicht-lizenzierten Kliniken ihrer Schwangerschaft ein Ende zu bereiten. Menschenrechtler kritisieren die Situation seit Jahren, doch sie bleibt unverändert. Laut WHO enden rund 70 Prozent der ungewollten Schwangerschaften auf den Philippinen in Abtreibung, meistens, weil die Frauen sich keine Kinder mehr leisten können.
Manche Ärzte führen in ihren eigenen Kliniken geheime Abtreibungen durch, für umgerechnet 40 bis 100 Euro. Die Frauen, die sich das nicht leisten können, müssen auf Quacksalber und deren dubiose Methoden zurückgreifen. So werden den schwangeren Frauen "Zaubertränke" mit teils hochgiftigen Mischungen angeboten, etwa auf dem Marktplatz vor der katholischen Quiapo-Kirche in Manila. Aufgrund lebensgefährlicher Abtreibungsmethoden, berichtet das Gesundheitsministerium, landen jährlich rund 100.000 Frauen im Krankenhaus. Direkt vor Gottes Augen.