Geothes Faust als Comic
19. März 2010Mephisto trägt Prada. Nun, beinah: Jeans und Hemd immerhin, den Teufelsfuß in Turnschuhen verborgen. Nur die Hörner sind noch gut zu sehen. "Ich bin die Lösung all Ihrer Probleme", stellt er sich dem verdatterten Faust vor, gescheiterter Akademiker, Single und arbeitsloser Taxifahrer. Wir schreiben das Jahr 2009, der Ort ist Berlin, in dieser aktualisierten Fassung von Goethes "Faust"-Stoff.
Margarete arbeitet im Bioladen
Premiere hat dieses Buch, das so kreischend gelb gestaltet ist wie die berühmten Reclam-Leseheftchen, aber keine echte Zeile Klassiker enthält, ausgerechnet in Leipzig, dem Ort von Auerbachs Keller, in dem Faust und Mephisto bei Goethe dereinst so markant abstürzten.
Mehrmals während der Leipziger Buchmesse liest Flix alias Felix Görmann, aus seinem "Faust" vor. Der, das muß man erwähnen, kein Roman, sondern ein Comic ist. Gott hat der Berliner Comiczeichner, Jahrgang 1976, in dieser Geschichte mit Schnauzbart und Pferdeschwanz gezeichnet ("Wie mein alter Chemielehrer", erinnert sich Flix), und die berühmte Wette mit dem Teufel geht der Allmächtige nur ein, weil sein Weltenschöpfungsprogramm gerade abgestürzt ist – auf dem Notebook. Es ist eine Komödie, keine Tragödie, in der Gretchen mit einem hinreißenden Lächeln und einer Knubbelnase in einem Kreuzberger Bioladen Lebensmittel mit gefälschten Biosiegeln verkauft.
Flix liest Stille vor
Comics in Lesungen vorzustellen, ist selten. Das liegt in der Natur der Sache: Comics sind ein visuelles Medium. Was sie erzählen, erzählen sie zu großen Teilen durch Bilder, und die kann man nicht vorlesen. Flix weicht dem Dilemma elegant aus. Die Zeichnungen seiner Erzählung werden auf eine Leinwand über ihm projiziert. Möglicherweise muss man sich so den Schöpfungsprozeß des Zeichners vorstellen. Zum Strom der Bilder lesen Flix und sein Kollege Ralph Ruthe, ebenfalls Comiczeichner, die Dialoge mit verstellten Stimmen, schreien, schmeicheln, hecheln, wenn es um den berühmten Pudel mit seinem Kern geht, oder verfallen in tiefes Schweigen, wenn in der Szene gerade kein einziges Wort gesprochen wird. Flix bringt mit seinem Buch das paradoxe Kunststück fertig, Stille vorzulesen.
Mit 27 die Autobiographie geschrieben
Schon immer war er der Mann für ungewöhnliche Ideen. Bereits mit siebenundzwanzig Jahren hat er seine Autobiographie veröffentlicht, unter dem Titel "Held". Ein versponnenes Werk, in dem er sein ganzes Leben von der Vergangenheit bis in die Zukunft abhandelte. "Dann hab ich das wenigstens gleich hinter mir", erklärte er damals selbstironisch das ungewöhnliche Projekt, das zugleich seine Diplomarbeit darstellte - Görmann war Student an der Hochschule der Bildenden Künste in Saarbrücken. "Held" bekam die Bestnote seiner Professoren.
Mehr als zehn Bücher hat er seither veröffentlicht, bis zu zwei pro Jahr. Nicht nur aus seinem Leben erzählt er. Für sein Buch "Da war mal was" sammelte er Erinnerungen ungefähr gleichaltriger an die DDR und die Wende, die er in kurze Comicepisoden umarbeitete.
„Faust“ ist für Flix eine Rückkehr zu seinen Wurzeln. "Who the F*** is Faust?" hieß 1998 seine allererste professionelle Comicveröffentlichung, die längst vergriffen ist. Für den neuen "Faust" hat er die ganze Geschichte entlang des Goethe-Textes umgearbeitet, umgebaut, neu gezeichnet und in der Gegenwart verortet. Die Pest, so bietet Mephisto Gott da an, könnte man doch auch mal wieder beleben. Als Klingelton zum Runterladen.
Flix: Faust. Der Tragödie erster Teil.
Carlsen Comics, 100 S., 14,90 €
Autor: Stefan Pannor
Redaktion: Sabine Oelze