Neues Interesse am Deutschen Film
3. Juli 2016Ein paar Altmeister und die Talente von morgen zeigen derzeit in München ihre neuen Filme - und auch bei der 34. Ausgabe des Filmfests steht das "Neue Deutsche Kino" im Fokus des internationalen Publikums. Christoph Gröner sprach mit der DW darüber, warum der deutsche Film im Aufwind ist.
Deutsche Welle: Warum spricht plötzlich jeder wieder über das deutsche Kino? Liegt das am großen Erfolg von "Toni Erdmann" in Cannes?
Christoph Gröner: Das deutsche Kino kämpfte international gegen eine Mauer des Desinteresses. Und endlich, und das ist ganz toll, und dafür ist "Toni Erdmann" ein ganz wichtiger Markstein, aber beileibe nicht der einzige, scheint das zu bröckeln. Die Leute aus dem Ausland schauen jetzt ganz überrascht und sagen: "Mensch da gibt's ja richtiges Kino in Deutschland!" Dieses Kino gab es auch vorher schon. Das Desinteresse wankt jetzt und dafür war "Toni Erdmann" der Türöffner. Aber es gibt noch andere Beispiele aus den letzten Jahren, die sehr wichtig waren.
Warum war das denn in den letzten Jahren so?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Der österreichische Film war vielleicht über Jahre der bessere deutschsprachige Film, weil dort der Output kleiner war und das Kreieren eines Images möglicherweise besser funktioniert hat. Das ist aber im deutschen Kino auch besonders schwer, weil es rund 250 neue Filme pro Jahr gibt - und die lassen sich natürlich nicht auf einen Nenner bringen.
Und das große Kino ging eher in das Historisierende, das ging oft ins Pädagogische. Darauf hat man sich vielleicht ein bisschen ausgeruht, da hat man immer gedacht, das muss funktionieren.
Das, was jetzt zu funktionieren beginnt, kommt aus einem anderen, wilden Impuls für das reine Kino, und da muss man mindestens auch "Wild" von Nicolette Krebitz nennen, der beim Festival in Sundance für große Furore gesorgt hat. Dann kann man auch Maria Schraders "Vor der Morgenröte" nennen, der euphorische Kritiken bekommen hat. Und wenn man all das zusammen nimmt, kann man sagen, dass geht vor allem von Frauen aus.
Wie sieht es denn nun mit dem aktuellen Programm "Neues Deutsches Kino" beim Filmfest München aus? Interessiert sich auch das Ausland dafür?
Die ganze Reihe erfährt in den letzten Jahren eine sehr hochkarätige internationale Auswertung, und gerade aus dem letzten Jahr waren mit "Babai" und "Der Nachtmahr" und "Schau mich nicht so an" wirklich drei Filme dabei, die international sehr hohe Wellen geschlagen haben. Vor allem die ersten beiden wurden nach München auf 60 bis 70 Festivals gezeigt und haben die Regisseure auch international bekannt gemacht. Das erwarte ich auch dieses Jahr wieder.
Man merkt es auch, weil die Produzenten wieder größeres Vertrauen haben. Es gibt ja viele sehr gute deutsche Co-Produzenten mit internationaler Ausstrahlung; die starten gern bei uns, um danach auf internationale Festivals zu gehen, nach Moskau, nach Karlovy Vary, nach Tallin oder Toronto.
Was sind denn die vorherrschenden Themen beim deutschen Kino?
Es sind Stoffe, die sehr zeitgeistig sind, die zünden. "Oh Boy" hatte 2012 bei uns Premiere. Das war auch ein Türöffner, weil er deutlich gemacht hat, das ernsthafte, tiefe Stoffe in Deutschland produziert werden können, die auch mit einem Augenzwinkern, mit Humor, mit Ironie arbeiten. Diese Zeitgeistigkeit ist sehr stark in der Reihe enthalten, und das interessiert natürlich international schon, nach dem Motto: Wie ticken die Deutschen heute - durch die Brille der deutschen Filmemacher gesehen? Da nimmt das Interesse sehr, sehr stark zu. Die neuen Kraftimpulse sind also: die Komödie und der Zeitgeist in Deutschland.
Welche Reaktionen spüren Sie als Festivalmacher denn aus dem Ausland?
Wir locken ja auch Journalisten aus dem Ausland nach München, mit denen haben wir viel Kontakt, die spiegeln mir Reaktionen. Die bleiben die ganze Woche. Es kommen auch die Kollegen anderer internationaler Festivals zu uns, beispielsweise aus Busan in Südkorea, aus Warschau, aus Rotterdam, auch kleinere US-amerikanische Festivals sind da. Die kommen zu uns, informieren sich über das Programm.
Ich arbeite auch für Festivals in Zürich und Tallin, ich habe sehr viel Kontakt mit internationalen Kollegen, ich bekomme deren Reaktionen mit. Die scheinen oft noch ein Klischee im Kopf zu haben und sagen jetzt: "Das Deutsche Kino ist ja viel spannender, als ich gedacht habe." Das Interesse am deutschen Kino ist auf jeden Fall gewachsen. Es gibt eine Neugier, eine neue Lust aufs deutsche Kino. Die ist wieder zu spüren.
Das Gespräch führte Jochen Kürten.