Bayern und PSG: ein Ziel, zwei Philosophien
9. März 2023Der größte Unterschied zwischen dem FC Bayern München und Paris St. Germain ist aus glänzendem Silber, 74 Zentimeter hoch, acht Kilogramm schwer und hat an der Seite zwei große Henkel. Während die begehrteste Trophäe des europäischen Klubfußballs bereits mehrfach in die Hände der Bayern gegangen ist, waren die Pariser lediglich einmal ganz nah dran am Gewinn des Champions-League-Pokals. Doch dann kam Kingsley Coman: Der französische Außenstürmer des FC Bayern München beförderte den Ball im Finale der Königsklasse 2020 mit dem Kopf in das von Keylor Navas gehütete Tor. Comans Treffer brachte damals die Entscheidung im Finale von Lissabon . Der Wunsch der Pariser, endlich den Silberpokal in den Nachthimmel recken zu dürfen, wurde nicht erfüllt.
Im Achtelfinal-Hinspiel der diesjährigen Champions League vor drei Wochen erlebten die Pariser Verantwortlichen ein kleines Déjà-vu. Erneut war Coman beim 1:0-Erfolg der Bayern der Siegtorschütze. Ausgerechnet schon wieder Coman, schließlich war der Flügelstürmer mal eine der großen Nachwuchshoffnungen bei PSG. Coman ist in der französischen Hauptstadt geboren und wurde in der Jugend bei Paris St. Germain ausgebildet. Dort ließ man ihn jedoch nach neun Jahren gehen - die Qualitäten des damals 18-Jährigen wurden nicht gebraucht. Über Juventus Turin landete der Außenspieler dann schließlich bei Bayern München.
In Paris habe man, erklärte Coman später bei "Canal Football Club", nicht "die Geduld" junge Spieler zu entwickeln. "Das Schwierige an der Situation bei PSG ist, dass sie sofort Ergebnisse sehen wollen. Mit der Entwicklung der jungen Leute hat man nicht sofort Ergebnisse, sondern muss drei oder vier Jahre warten."
Bayern mit eigenem Nachwuchs erfolgreich
Coman ist nicht der einzige Jugendspieler, der es bei Paris nicht geschafft hat und stattdessen woanders landete: Christopher Nkunku (RB Leipzig) und Moussa Diaby (Bayer Leverkusen) sind zwei weitere Beispiele, die nicht passend für die Ziele von PSG zu sein schienen, dann aber bei Bundesliga-Klubs zu Führungsspielern reiften.
Im Gegensatz dazu standen beim deutschen Rekordmeister FC Bayern selbst bei den größten Erfolgen immer auch Spieler aus dem eigenen Nachwuchs im Kader. 2001 beim Sieg im Champions-League-Finale waren es Owen Hargreaves und Sammy Kuffour. 2013 mit Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, David Alaba und Thomas Müller fast die halbe Startelf.
Im aktuellen Kader kommen neben Dauerbrenner Müller noch Alphonso Davies, Jamal Musiala, Josip Stanisic und Paul Wanner aus dem eigenen Nachwuchs. Bei PSG stammt dagegen mit dem derzeit verletzten Presnel Kimpembe lediglich ein aktueller Stammspieler aus der eigenen Jugend.
Bayerns Rekordtransfers wie "Schnäppchen"
Dennoch gibt es in Sachen Transferpolitik eine große Gemeinsamkeit beider Klubs. Bayern und auch die Pariser kaufen fertige Spieler - und schwächen damit meist die nationale, manchmal auch internationale Konkurrenz. Allerdings bewegen sich die investierten Summen bei den Münchenern auf einem deutlich geringeren Niveau als beim Pariser Hauptstadtklub.
So zahlte der FC Bayern für Lucas Hernandez die Rekordsumme von 80 Millionen Euro, für Matthijs de Ligt zuletzt immerhin 67 Millionen. Das Geld dafür kam teilweise vom berühmten "Festgeldkonto" der Münchener, das über die vergangenen Jahrzehnte immer voller geworden ist und sinnbildlich für nachhaltiges Wirtschaften beim FC Bayern steht. Gegenüber den Pariser Rekordtransfers (Neymar 222 Millionen, Kylian Mbappé 145 Millionen) wirken die beiden teuersten Münchener Neuzugänge aber immer noch wie "Schnäppchen".
Paris setzt auf große Namen, die ihren Preis haben. Denn für den katarischen Staatsfond "Qatar Sports Investment" (QSI), der den französischen Hauptstadtklub 2012 für 130 Millionen Euro gekauft und Geschäftsmann Nasser al-Khelaïfi die Rolle des Präsidenten gegeben hatte, gibt es seit dem Einstieg bei den Parisern nur ein Ziel: die Marke "PSG" so groß wie möglich zu machen. Und dazu soll vor allem der Gewinn der Champions League beitragen.
Dank der katarischen Finanzquelle hat der Klub bereits hunderte Millionen Euro in Superstars wie Zlatan Ibrahimovic Neymar, Lionel Messi und Kylian Mbappe investiert. Da die französische Ligue 1 sportlich nicht mit der englischen Premier League oder der spanischen La Liga mithalten kann, stattete PSG seine Topspieler mit fürstlichen Gehältern aus, teilweise fernab jeglicher Realität. Die eigene Jugend bzw. das regelmäßige Hochziehen und geduldige Fördern eigener Jugendspieler wurde dagegen - wie im Falle von Coman - vernachlässigt. Der internationale Erfolg blieb aber ebenfalls aus, denn seit der katarischen Übernahme konnte Paris noch keinen großen Titel gewinnen.
Der heutige Ehrenpräsident und damalige Manager des FC Bayern, Uli Hoeneß, brachte das Geschäftsgebaren der Katarer und ihres "Statthalters", dem katarischen PSG-Präsidenten Nasser Al-Khelaifi, bereits 2011 im Podcast "11 Leben" auf den Punkt: "Der Unterschied zwischen ihm und mir ist: Ich habe das Geld hart erarbeitet und er hat es geschenkt bekommen."
Umsatz auf Augenhöhe
Blickt man auf die aktuellen Zahlen und lässt die großen Unterschiede bei den Transfersummen beiseite, so bewegen sich die beiden Klubs, was den reinen Umsatz angeht, trotz unterschiedlicher Geschäftsmodelle auf Augenhöhe: Paris (654,2 Mio.) und Bayern München (653,6 Mio.) belegen in der neuesten Football Money League, der Rangliste der umsatzstärksten Klubs im Weltfußball, die das Wirtschaftsunternehmen Deloitte jährlich herausgibt, den fünften und sechsten Rang - gerade einmal 600.000 Euro trennen die beiden Klubs. Transferausgaben und -einnahmen werden in der Money League nämlich nicht berücksichtigt.
Sportlich aber stehen drei Champions-League-Titel bei den Münchenern (zusätzlich zu drei Titeln im Europapokal der Landesmeister aus der Zeit vor der Champions League), zwei FIFA-Weltpokale und diverse andere internationale Erfolge null internationalen Titeln bei Paris St. Germain gegenüber. Diese Tatsache verleitete Uli Hoeneß vor einigen Jahren zu einer weiteren deutlichen Ansage: "Euer Scheiß-Geld, das reicht nicht!", ließ er die Pariser und den katarischen Besitzer wissen. Bislang hat er recht behalten.
Dabei profitiert auch der FC Bayern von Geld aus Katar. Der deutsche Rekordmeister fliegt seit Jahren ins Trainingslager nach Doha. Die katarische Fluglinie "Qatar Airways" ist Premiumsponsor und hat es auf den Trikot-Ärmel der Münchener geschafft. Genau wie PSG lässt sich also auch der FC Bayern zum Sportswashing-Instrument der Katarer machen und ist ein wesentlicher Baustein in der "Soft-Power-Politik" des kleinen, aber sehr finanzkräftigen Landes - sehr zum Unmut vieler Bayern-Fans, die sich wünschen, dass ihr Verein die umstrittene Partnerschaft beendet.
Al-Khalifi: "Wir müssen weitermachen"
Was die direkten Duelle angeht, so ist die Bilanz so gut wie ausgeglichen. Der 1:0-Erfolg der Bayern im Champions-League-Achtelfinal-Hinspiel war der sechste Sieg für die Münchener im insgesamt elften Duell. Fünf Spiele hat PSG gewonnen. Die wichtigste Begegnung 2020 in Lissabon entschieden die Bayern für sich. 2021, beim bislang letzten Aufeinandertreffen vor dem jetzigen Achtelfinal-Duell, gelang Paris im Viertelfinale der Königsklasse eine Art kleine Revanche für das zuvor verlorene Endspiel.
"Wir haben uns diese Saison gegen Manchester United, Barcelona und Bayern durchgesetzt, das größte Team", sagte PSG-Präsident Al-Khelaifi anschließend bei "Radio Monte Carlo Sport" und gab preis, was ihn antreibt. "Unser Ziel, und wir haben es vom ersten Tag an offen gesagt, ist es, die Champions League zu gewinnen. Dafür haben wir viel in diesen Verein investiert. Wir haben alles, um die Champions League zu gewinnen. Die Arbeit ist noch nicht beendet. Wir müssen weitermachen."
Am Ende scheiterte der Klub im Halbfinale jedoch an Manchester City und verpasste einmal mehr den Titel in der Champions League. Auch im diesjährigen Achtelfinal-Duell mit dem FC Bayern zog PSG den Kürzeren - und das, ohne ein eigenes Tor zu erzielen. Nach dem 0:1 in Paris im Hinspiel, verloren Mbappé und Co. das Rückspiel in der Münchener Arena mit 0:2. Nach über zehn Jahren und astronomisch hohen Transfer-Investitionen, entwickelt sich das Projekt "PSG" damit immer mehr zu einem "Multi-Millionen-Grab" für die Scheichs aus Katar. Dessen ungeachtet werden sie wohl weiter Geld in den Klub stecken - bis der begehrte Silberpokal endlich doch in Paris in der Vitrine steht.
Der Artikel wurde am 9. März aktualisiert.