Feilschen um Almosen
30. August 2002Weltweit sind nach einer Definition der Vereinten Nationen mehr als eine der rund sechs Milliarden Menschen arm. Weniger als einen US-Dollar am Tag haben die Ärmsten der Welt zur Verfügung. 800 Millionen Menschen hungern, anderthalb Milliarden haben keinen Zugang zu Elektrizität. Vor allem die ländlichen Regionen sind davon betroffen. Gerade die Frauen in den armen Ländern trifft es doppelt hart. Sie verbringen den Großteil des Tages damit, ihre Familien zu ernähren. Dazu benötigen sie Brennholz ebenso wie Früchte und Vieh – und das alles möglichst vielfältig.
Geld vor Umweltschutz
Deshalb sieht die Staatengruppe der G77, der ärmeren Länder, den Gipfel unter Entwicklungs-, und weniger unter Umweltgesichtspunkten. Es geht um sauberes Wasser, um Energiezugang. Im Jahr 2000 haben die UN feierlich beschlossen, die Anzahl der Menschen in Armut bis 2015 zu halbieren. Für die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Gila Altmann, ist Armut nicht nur eine Frage des Geldes, sondern "eine Querschnittsaufgabe, zu der auch die Stärkung der Menschen– und Frauenrechte dazugehört. Dieses Thema gerate auf dem Gipfel in den Hintergrund, vor allem islamische Staaten, aber auch die USA blockierten die Diskussion darüber.
Großprojekte nützen nur den Eliten
Gerade die klassische Entwicklungspolitik ist oft zu zentral angelegt. Große Kraftwerke nützen auch in den ärmeren Ländern nur den dortigen Reichen. Das kritisieren Umweltaktivisten wie Wilfried Steen vom Evangelischen Entwicklungsdienst: "Wir wissen schon seit längerer Zeit, dass Stärken und Erfolge dort liegen, wo die Menschen selbst beginnen können, für ihre Wasserversorgung zu sorgen, wo sie die Brunnen selbst in Ordung halten." Wenn große Staudämme gebaut werden, dann sei die Bevölkerung in den meisten armen Staaten einfach ausgeschlossen.
Schecks statt Hilfe zur Entwicklung
Moderne Armutsbekämpfung setze sich auch für die Wiederbelebung traditioneller Produktionsformen ein, die lange von westlichen Produktionsformen verdrängt wurden. Sie sind oft auch umweltfreundlicher, aber das ist Zukunftsmusik. Auf dem Johannesburger Gipfel geht es ums Geld. Vor zehn Jahren versprachen die reichen Staaten in Rio, jeweils 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für die Entwicklungshilfe auszugeben. Daran hat sich indes fast kein Land gehalten. Die EU hat in Johannesburg erneut versprochen, bis 2006 weiter 22 Milliarden Euro bereitzustellen, um auf einen Anteil von 0,39 Prozent zu kommen. Das ist die Realität: Für viele Umweltgruppen sind Investitionen in erneuerbare Energien, die Wasserbereitstellung und die Hilfe zur Selbsthilfe die beste Armutsbekämpfung. Doch die Regierungen vieler ärmerer Länder sehen das ganz anders.