Dreckige Dieselautos? Nichts im Vergleich zu Schiffen!
29. August 2017Stahlblauer Himmel und "kuschelige" 14 Grad. Soweit ich das nach acht Tagen auf See beurteilen kann, zeigt sich der August hier in Cuxhaven heute von seiner besten Seite. Die starken Gezeiten geben in diesem Teil der Nordsee den Ton an. Will man in den Hafen oder hinaus aufs Meer, so ist es sinnlos gegen die Strömung anzukämpfen, insbesondere wenn man auf einem Traditionssegler wie unserem sitzt.
Heute fahren wir raus, um die Feinstaubemissionen von Schiffen zu messen, und wir haben es nicht weit. Blickt man von Cuxhaven aus aufs Meer, so sieht man eine endlose Karawane von Schiffen, die entlang der Küste von und nach Hamburg fahren, Deutschlands größten Hafen. Viele von ihnen sind maritime Giganten, deren riesige Motoren man Tag und Nacht in der Ferne stampfen hören kann.
"Sieh Dir diesen Ausschlag an!" sagt Sönke Diesener, als die Ryvar, unser 101 Jahre alter Logger hinter einem riesigen Tanker den Schifffahrtsweg kreuzt. Diesener, der beim "Naturschutzbund Deutschland" (NABU) im Bereich Verkehrspolitik arbeitet, hält einen Metallstab über die Reling. Daran hängt ein Gerät, das die Feinstaubbelastung in der Luft misst. Innerhalb von Sekunden schießt die Zahl auf seinem Display von 800 Partikeln pro Kubikzentimeter auf über 50.000. Der Höchstwert liegt am Ende bei 73.000.
"An einer viel befahrenen Kreuzung einer großen Verkehrsader in einer Großstadt kommt man so auf die 16.000", sagt Diesener in der reservierten Art eines Hanseaten. Die Zahlen sprechen für sich.
Dreckiger Sprit
Das wirkliche Problem ist nicht, dass diese Schiffe viel Treibstoff verbrauchen, auch wenn sie das tun. Das Problem ist, dass sie oft dreckigen Treibstoff verbrennen und wie sie es tun.
"Auf hoher See verbrennen die meisten Schiffe bis heute hochgiftiges Schweröl", erklärt Diesener. "Schweröl ist im Endeffekt ein Restprodukt der Treibstoffproduktion. Es wird Benzin hergestellt, es wird Diesel hergestellt und was übrig bleibt, ist Schweröl."
Und das zu verbrennen, sei in Bezug auf Schwefeldioxid 100 Mal dreckiger als Marinedieselöl und unglaubliche 3500 Mal dreckiger als der Dieselkraftstoff für Autos, fügt er hinzu. Neben jeder Menge Kohlendioxid blasen diese Schiffe riesige Mengen davon in die Luft, und Schwefeldioxid erzeugt sauren Regen.
Sie stoßen auch Stickoxide aus, die den Boden übersäuern und Seen und Küstengebiete überdüngen und damit das Gleichgewicht in diesen Ökosystemen zerstören. Und nicht zuletzt pumpen diese Schiffe auch noch große Mengen Feinstaub und Ruß in die Atmosphäre.
Eine relativ einfache Möglichkeit, Emissionen drastisch zu senken, wäre damit aufzuhören, Schweröl zu verfeuern und stattdessen Diesel zu verwenden. Dann könnte man auch Dieselpartikelfilter (DPFs) einbauen, was die Ruß- und Feinstaubemissionen um bis zu 99,9% senken würde. Ein spezieller SCR-Katalysator wiederum könnte 70 bis 80 Prozent der Stickoxidemissionen eliminieren. Beide Systeme werden bereits bei mehreren Fähren und Kreuzfahrtschiffen eingesetzt.
Und das Schweröl ließe sich immer noch anderweitig verwenden. Es ließe sich weiter herunterbrechen, sagt Diesener. "Die Feststoffe, die man am Ende übrig hat, könnte man im Straßenbau einsetzen oder als Brennstoff in Kraftwerken verwenden."
Viel Spaß auf der Kreuzfahrt
Aber warum scheren wir uns um Schiffsemissionen? Große Schiffe verbringen schließlich einen Großteil ihrer Zeit weit draußen auf See und die meisten von uns nicht. Zunächst einmal ist da der Klimawandel. Einer Studie im "Journal of Geophysical Research" zufolge ist Ruß die zweitwichtigste Klimaemission nach CO2. Unter anderem absorbiert er die Energie der Sonne und heizt dadurch die Atmosphäre auf. Wenn er auf Schnee fällt, wie beispielsweise in der Arktis, sinkt dadurch das sogenannte Rückstrahlvermögen des Schnees, weil er weniger weiß ist. Dadurch wird weniger Sonnenenergie reflektiert, was wiederum zur Klimaerwärmung beiträgt.
Hinzu kommt, dass diese großen Schiffe oft näher sind, als man vielleicht denkt. In Hafenstädten liegen Kreuzfahrtschiffe oft in Innenstadtnähe und lassen ihre Motoren dabei die ganze Zeit weiter laufen. Das ist auch fast unvermeidbar, denn es sind ja quasi große schwimmende Hotels, bei denen auch im Hafen der Pool geheizt und die Klimaanlage betrieben werden muss. Ein modernes Kreuzfahrtschiff braucht etwa so viel Strom wie eine Stadt mit 20.000 Einwohnern. Da lässt sich nicht einfach der Motor abstellen und ein Verlängerungskabel einstöpseln, so wie wir es auf der Ryvar tun, wenn wir im Hafen liegen.
Hybridmotoren und Segel
Ganz so einfach ist es nicht, unmöglich aber auch nicht. 2012 einigte man sich nach langen Verhandlungen endlich auf einen internationalen Standard für die Landstromversorgung von Schiffen (OPS). Es geht nur langsam voran, aber immerhin bietet eine wachsende Zahl von Häfen nun OPS an und mehrere Fährlinien und Kreuzfahrtschiffbetreiber sind dabei, ihre Schiffe entsprechend umzurüsten oder verwenden bereits OPS.
Eine Herausforderung lag darin, dass Schiffe verschiedene Spannungen an Bord verwenden, je nachdem wie alt sie sind oder woher sie stammen. Auch die große Menge Strom, die benötigt wird, könnte bedeuten, dass das Stromnetz in manchen Häfen den Bedarf nicht decken kann und dort zusätzliche Kraftwerke gebaut werden müssten, was die Kosten für eine Landstromversorgung stark erhöhen würde. Der Hafen von Göteborg in Schweden hatte bereits Strom zur Verfügung, als dort im Jahr 2000 das erste OPS-System überhaupt installiert wurde. Inzwischen ist man dort noch einen Schritt weiter gegangen und hat mehrere Windstromanlagen installiert - nicht, weil man den zusätzlichen Strom bräuchte, sondern weil die Betreiber grünen Strom liefern wollten.
Um noch grüner zu fahren, gibt es auch Flüssiggas (LNG) als Treibstoff, das viel sauberer verbrennt als Diesel oder Öl. Mehrere Fähren und sogar ein Containerschiff verwenden diese Technologie inzwischen. Scandlines setzt auf Fährverbindungen zwischen Dänemark, Deutschland und Schweden Hybridschiffe ein. Ähnlich wie Hybridautos kombinieren sie Verbrennungs- und Elektromotoren.
"Die Fähre kann so ihren Treibstoffverbrauch optimal an die Auslastung anpassen. Auf diese Weise können bis zu 15 Prozent der CO₂-Emissionen eingespart werden", sagt Anette Ustrup Svendsen, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei Scandlines. "Unser langfristiges Ziel ist null Emission."
Eine elektrische Fähre in Norwegen hat das bereits geschafft. Der 80 Meter lange Katamaran dreht seit 2014 in Norwegens größtem Fjord seine Runden und der Strom dafür kommt aus klimaneutraler Wasserkraft. Es gibt sogar solarbetriebene Fähren,die allerdings auch deutlich kleiner sind. Berlins Verkehrsbetriebe haben bereits seit einigen Jahren vier Stück davon im Einsatz.
Zurück auf der Ryvar unterbricht ein Ruf vom Heck Dieseners Ausführungen. Der Kapitän hat eine Wende eingeleitet und der Baum unseres Hauptmastes donnert über unsere Köpfe hinweg auf die andere Seite des Schiffs. Wir müssen schleunigst an die Taue - an unseren zugewiesenen Posten an Haupt- und Fockmast. Manchmal ist selbst das Reisen auf einem emissionsfreien Schiff etwas anstrengend.