Feuerbestattungen immer gefragter
29. Oktober 2018Zwei Särge liegen in einem großen, düsteren Raum in einem Essener Krematorium vor verschlossenen Toren. Als sich ein Tor langsam öffnet, wird der erste Sarg von einer Art Hebebühne in den Brennofen geschoben. Der Ofen ist mehr als 600 Grad heiß, innerhalb weniger Sekunden fängt das Holz an, lichterloh zu brennen. Das Tor schließt wieder. Das Prozedere wiederholt sich wenige Minuten später am rechten Brennofen. Nach gut zweieinhalb Stunden ist von zwei Leichnamen nur noch Asche übrig.
Das Essener Krematorium ist eines von rund 150 bundesweit - wegen einer steigenden Nachfrage nach Feuerbestattungen eröffneten in den vergangenen acht Jahren 20 neue Einrichtungen. Nach Schätzungen des Bundesverbandes der Deutschen Bestatter wurden im vergangenen Jahr bereits 64 Prozent der rund 930.000 Gestorbenen in Deutschland verbrannt - 2010 lag der Anteil noch bei geschätzt 50 Prozent. Damals starben laut Statistischem Bundesamt noch rund 80 000 Menschen weniger in Deutschland.
5000 Bestatter, 32.000 Friedhöfe
Nach Schätzungen des Bundesverbandes Bestattungsbedarf arbeiten in Deutschland rund 5000 Bestatter. Auf rund 32.000 Friedhöfen finden Menschen ihre letzte Ruhe. Unabhängig von Verbrennung oder Erdbeisetzung wird ein Sarg benötigt. Dieses Geschäft gehört eher ausländischen Firmen, besonders aus Osteuropa.
Rund 4000 vorwiegend mittelständische Bestattungsunternehmen haben im vergangenen Jahr in Deutschland nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Bestatter einen weitgehend unveränderten Umsatz von knapp zwei Milliarden Euro erwirtschaftet. Die Zahl der Todesfälle sei zwar wegen des demografischen Wandels gestiegen, der Umsatz je Verstorbenem sei jedoch geringer ausgefallen.
Günstig und pflegeleicht
Doch warum werden immer mehr Verstorbene verbrannt? Ein nicht unwesentlicher Grund ist der Preis. "Feuerbestattungen sind die preiswertere Variante", sagt Krematoriumsleiter Reinhold Velten. Laut Bestatterverband sind zwischen 300 und 600 Euro "marktüblich" für eine Verbrennung in Deutschland. Ein Erdgrab kann durchaus das Vierfache kosten. Allerdings kann es laut Verband enorme Preisunterschiede geben bei den Beisetzungen durch unterschiedliche Kosten für den Sarg oder die Urne sowie bundesweit sehr unterschiedliche Friedhofsgebühren.
Die Preise in dem Essener Krematorium sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Laut Krematoriumsleiter Velten beträgt die aktuelle Gebühr 316,14 Euro. Vor zwei Jahren kostete es noch rund 20 Euro weniger - damit bewegt sich die Einrichtung im Ruhrgebiet aber noch im unteren Preissegment. In Deutschland wird etwa die Hälfte der Krematorien von Kommunen und die andere Hälfte von privaten Firmen betrieben.
Im Winter steigen die Preise
Mit Beginn des Winters nimmt in dem Essener Krematorium die Zahl der Verbrennungen zu, da mehr Menschen im Winter sterben als im Sommer. "Im Winter sind es hier bis zu 600 Einäscherungen im Monat, in Sommermonaten zwischen 350 und 400." In mehr als 40 Jahren wurden in Essen knapp 150.000 Menschen eingeäschert.
Ein weiterer Grund, aus dem mehr Gestorbene verbrannt werden, ist der geringere Pflegeaufwand für das Grab. "Urnengräber sind auch pflegeleichter. Es macht schon einen Unterschied, ob ich als Angehöriger ein Grab mit einer Größe von 1,20 Meter mal 2,50 Meter pflegen muss oder eines mit einem Meter mal einem Meter", sagt Velten. Das wirkt sich auch auf das Portemonnaie aus.
Regionale Unterschiede
"Die steigende Anzahl an Feuerbestattungen könnte aus unserer Sicht ein Hinweis darauf sein, dass für viele Menschen die Kosten für eine Erdbestattung nicht mehr zu bewältigen sind", sagt der Sozialverband VdK.
Nicht überall in Deutschland sind Verbrennungen die gefragteste Bestattungsform. Das hat historische Gründe. Regional gibt es in Deutschland enorme Unterschiede bei den Bestattungsarten, wie Völkerkundler Professor Norbert Fischer von der Universität Hamburg feststellt. "In ländlichen oder katholischen Gegenden in Deutschland ist der Anteil an Feuerbestattungen deutlich geringer als zum Beispiel in den neuen Bundesländern." Verbrennungen machten demnach bereits in der ehemaligen DDR mehr als 90 Prozent aus. Bei den Katholiken waren Verbrennungen bis Mitte des 20. Jahrhunderts verboten.