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Wenn alle zwei Jahre Fußball-WM ist

21. Dezember 2021

FIFA-Präsident Gianni Infantino lockt mit Milliardengewinnen, die Gegner präsentieren andere Zahlen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur geplanten und umstrittenen WM-Reform.

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FIFA Museum Zürich | Gianni Infantino mit WM-Pokal
FIFA-Präsident Gianni Infantino würde den WM-Pokal künftig gerne häufiger vergebenBild: Pressebildagentur ULMER/picture alliance

"Wie man so schön sagt: Der Kuchen wird größer. Am Ende des Tages wird jeder profitieren: der Kleine und der Große, der Arme und der Reiche", sagte FIFA-Chef Gianni Infantino am Montag nach einem zweieinhalbstündigen Online-Meeting der 211 Mitgliedsverbände zu seinem umstrittenen Plan: Der Schweizer will die Fußball-Weltmeisterschaften der Frauen und Männer künftig nicht mehr wie bisher alle vier, sondern alle zwei Jahre austragen lassen. . Das Projekt hat das Potential, den Weltfußball zu spalten.

Wer unterstützt die WM-Pläne von Gianni Infantino?

Der afrikanische Verband CAF hat sich klar für einen kürzeren WM-Rhythmus positioniert. "Einer der größten Nutznießer von Fußball-Weltmeisterschaften alle zwei Jahre sind die Entwicklungsländer", sagte CAF-Präsident Patrice Motsepe im Oktober bei einem Besuch in Ghana. "Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der afrikanische Fußball wächst und erfolgreich ist. Der afrikanische Fußball muss in die Lage versetzt werden, finanziell zu profitieren." Ende November unterstützte die CAF-Generalversammlung in Kairo den FIFA-Plan.

Patrice Motsepe
CAF-Chef Motsepe ist für die ReformBild: Fareed Kotb/Sports Inc/empics/picture alliance

Offen für diesen ist auch der ozeanische Verband OFC. Der träumt davon, regelmäßig zwei Teams zu Weltmeisterschaften zu schicken und "die Kluft im Wettbewerbsfußball zwischen Ozeanien und den anderen Kontinentalverbänden zu schließen". Das teilte der OFC Mitte September mit. Bisher ist Ozeanien mit maximal einem Team bei der WM vertreten.

Auch viele Mitglieder des asiatischen Verbands AFC fühlen sich vom bisherigen System benachteiligt. So unterstützten im September die Fußballverbände Nepals, Bangladeschs, Sri Lankas und der Malediven, die noch nie bei einer WM dabei waren, offen Infantinos Plan. In einer gemeinsamen Erklärung wiesen sie darauf hin, dass in fast einem Jahrhundert WM-Geschichte weniger als ein Viertel der AFC-Mitglieder an den Finalrunden teilgenommen hätten.

Noch nicht klar positioniert hat sich die CONCACAF, der Verband Nord- und Mittelamerikas sowie der Karibik. CONCACAF-Präsident Victor Montagliani brachte Anfang Dezember einen Kompromissvorschlag ein: Statt die Schlagzahl der Weltmeisterschaften zu verdoppeln, könnte man den Confederations Cup wiederbeleben oder eine globale Nations League einführen, so der Kanadier.

Wer ist dagegen?

Die beiden Kontinentalverbände, die bisher alle 21 Fußballweltmeister stellten, lehnen den kürzeren WM-Rhythmus rigoros ab: der europäische Verband UEFA und der südamerikanische Verband CONMEBOL. "Es gibt keine Gründe, Vorteile oder Rechtfertigung für die von der FIFA propagierte Änderung", ließ der CONMEBOL-Rat, das höchste Gremium des Verbands, Ende Oktober wissen. "Die zehn Länder der CONMEBOL beschließen daher, dass sie nicht an einer alle zwei Jahre stattfindenden Weltmeisterschaft teilnehmen werden. Das fragliche Projekt wendet sich von der fast 100-jährigen Tradition des Weltfußballs ab und ignoriert die Geschichte eines der wichtigsten Sportereignisse der Welt."

Auch die UEFA wendet sich entschieden gegen den von der FIFA geplanten Zweijahresrhythmus von Weltmeisterschaften. "In Übereinstimmung mit den wiederholt vorgebrachten klaren Einwänden europäischer Interessenträger und dem entschiedenen und motivierten Widerstand der Fanorganisationen ist die UEFA der Ansicht, dass radikale Änderungen nur vorgeschlagen werden sollten, wenn sie dem Fußball und seinen Akteuren einen eindeutigen und unbestreitbaren Nutzen bringen", erklärte der Verband Mitte Dezember.

Der Widerstand gegen den FIFA-Plan hat UEFA und CONMEBOL enger zusammengeschmiedet. Selbst eine Abspaltung vom Weltverband gilt nicht mehr als ausgeschossen. Die beiden Verbände arbeiten an gemeinsamen Projekten: So sollen Brasilien, Argentinien und Co. schon ab 2024 an der europäischen Nations League teilnehmen.

Welche finanziellen Auswirkungen hätte die Reform?

Darüber gehen die Meinungen auseinander. Die UEFA führt ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten der britischen Unternehmensberater Oliver & Ohlbaum ins Feld. Darin werden für den Zeitraum zwischen 2026 und 2030 bei einem zweijährigen WM-Rhythmus Verluste der nationalen Verbände Europas zwischen 2,5 und drei Milliarden Euro vorausgesagt. Grund dafür sei vor allem das zu erwartende nachlassende Interesse von Sponsoren und Medien infolge der Vielzahl an Großereignissen. Besonders eklatante Einnahmeverluste in Höhe von bis zu 57 Prozent errechneten die Unternehmensberater für Frauen-Europameisterschaften, wenn sie zeitgleich mit Männerwettbewerben ausgetragen werden sollten.

Die FIFA hält zwei Machbarkeitsstudien der Marktforschungsunternehmen Nielsen und Open Economics dagegen. Laut Weltverband werden darin für die ersten vier Jahre Mehreinnahmen von rund 4,4 Milliarden US-Dollar (3,9 Milliarden Euro) prognostiziert. Das Geld solle an die 211 Mitgliedsverbände ausgeschüttet werden: Statt bisher sechs Millionen Dollar (5,3 Millionen Euro) würden sie dann aus dem FIFA-Solidaritätsfond 16 Millionen US-Dollar (14,1 Millionen Euro) erhalten. Das restliche Geld solle in das seit 2016 bestehende FIFA-Entwicklungsprogramm "Forward" fließen. Die Ausschüttungen daraus an die Mitglieder erhöhten sich dadurch um 50 Prozent, so der Weltverband.

Welche weiteren Argumente führen die Gegner ins Feld?

UEFA und CONMEBOL sprechen von einer sportlichen Entwertung der Weltmeisterschaften durch den geplanten kürzeren Rhythmus. Zudem würden die kontinentalen Wettbewerbe gefährdet. Den Spielerinnen und Spielern - so formulierte es die UEFA - drohe eine "steigende mentale und körperliche Belastung".

Die WM-Qualifikation - nach Vorstellung der FIFA soll sie etwa einen Monat lang am Stück laufen - würde die nationalen Ligen zusätzlich aus dem Rhythmus bringen und auch für eine Wettbewerbsverzerrung sorgen, findet die UEFA: "Eine einmonatige Länderspielperiode würde dazu führen, dass Spieler, die keiner Auswahlmannschaft angehören, keine Wettbewerbsspiele bestreiten, während die Nationalspieler ein intensives Pensum absolvieren müssen."

FIFA Frauen-WM 2019 Finale | USA vs. Niederlande | Weltmeister USA | Rapinoe & Infantino
Bald kein Publikum mehr für Weltmeisterinnen wie Megan Rapinoe aus den USA (l.)?Bild: Getty Images/A. Grimm

Der europäische Verband weist auch auf negative Folgen für den Frauenfußball hin: Da auch die WM der Frauen alle zwei Jahre ausgetragen werden solle, "würden die Topturniere [der Frauen - Anm. d. Red.] keine exklusive Periode des Spielkalenders mehr besetzen und somit auch nicht exklusiv im Rampenlicht stehen, was sich eindeutig negativ auf die Sichtbarkeit sowie das Publikums- und Medieninteresse auswirken würde".

Wie geht es jetzt weiter?

Im Januar soll es weitere Gespräche über den geplanten neuen WM-Rhythmus geben. Ziel des Weltverbands ist es, bis zum nächsten ordentlichen FIFA-Kongress am 31. März in Doha im WM-Gastgeberland Katar einen Vorschlag zu erarbeiten. "Wenn ich morgen zur Abstimmung aufrufen würde, würde wahrscheinlich die Mehrheit für Weltmeisterschaften alle zwei Jahre stimmen", sagte FIFA-Chef Infantino an diesem Montag. UEFA und CONMEBOL sind sowohl im FIFA-Kongress (zusammen 65 von 211 Stimmen) als auch im FIFA-Rat (14 von 37 Mitgliedern) in der Unterzahl. Der aktuell gültige weltweite Spielkalender läuft noch bis Ende 2024. Sollte sich eine Mehrheit für das neue WM-Modell finden, könnte es also ab 2025 in Kraft treten.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter