Krise und Obamania
23. Dezember 2008Barack Obamas Siegeszug als Präsidentschaftskandidat der Demokraten begann im Januar mit den ersten Vorwahlen im US-Bundesstaat Iowa. In dem überwiegend von Weißen bewohnten Bundesstaat im Herzen der USA gelang dem Senator aus Illinois der Überraschungssieg. Der Sohn einer Mutter aus Kansas und eines Vaters aus Kenia verwies seine Konkurrenten klar auf die Plätze.
Die zweite große Überraschung der Vorwahl in Iowa: Favoritin Hillary Clinton, die ehemalige First Lady, wurde nur dritte. Doch schon bei der nächsten Abstimmung in New Hampshire lag sie vorne – ein Hin und Her, das sich über Monate hinziehen sollte – so lange wie kaum ein Wahlkampf vorher. Dabei wurde die Auseinandersetzung härter. Clinton stellte sich selbst als die erfahrene Politikerin hin, während sie Barack Obama vorwarf, außer schönen Worten nichts bieten zu können und sich über ihn lustig machte.
Obama flogen die Herzen zu
Doch der Spott nützte nichts, Barack Obama übernahm schon bald die Führung bei den entscheidenden Wahlmänner-Stimmen.
Obama dagegen war generalstabsmäßig vorgegangen. Er machte so gut wie keinen Fehler, blieb seinem Motto vom notwendigen Regierungswechsel treu und es gab auch keine Skandale. Er nutzte das Internet und moderne Kommunikationsmedien wie E-Mail und SMS, um Millionen von Freiwilligen zu motivieren. Die Spendengelder flossen, mit 750 Millionen Dollar stellte er einen Spendenrekord auf. Doch nicht nur das Geld, auch die Herzen flogen ihm zu.
Als sich die ehemalige First Lady Hillary Clinton schließlich geschlagen geben musste, hatte aber auch sie Geschichte geschrieben. 18 Millionen Wählerinnen und Wähler hatten für sie gestimmt, so viele wie noch niemals zuvor für eine Präsidentschaftskandidatin.
Mit dem Wahlkampf von Barack Obama und Hillary Clinton wurde klar: In den USA wird es künftig sowohl für Afroamerikaner als auch für Frauen eine Selbstverständlichkeit sein, nach dem höchsten Amt im Staat zu streben. Doch noch in einer anderen Beziehung hat dieser Wahlkampf in den USA Maßstäbe gesetzt: So viele Menschen wie noch niemals zuvor haben sich politisch engagiert und sind schließlich auch zu den Wahlurnen gegangen.
Comeback für John McCain
Diese Begeisterung setzte bereits bei den Vorwahlen der Demokraten ein, die sich dieses Mal vergleichsweise lange hinzogen, bis die Würfel gefallen waren. Bei den Republikanern dagegen war der Kampf um die Präsidentschaftskandidatur relativ schnell entschieden. Auch hier gab es eine Überraschung. Denn die Präsidentschaftsambitionen des damals 71-jährigen John McCain waren von den Medien schon abgeschrieben worden. Im Jahr zuvor hatte er sein Wahlkampfteam feuern müssen und kaum noch finanzielle Reserven gehabt.
Doch der Senator aus Arizona, der eine fünfjährige Kriegsgefangenschaft in Vietnam überstanden und sich 2000 schon einmal um das Präsidentenamt beworben hatte, ließ seine Konkurrenten hinter sich. Nach einer Schlappe in Iowa konnte er bei den zweiten Vorwahlen in New Hampshire sagen, sein Team habe "allen gezeigt, wie ein Comeback ausieht."
"Frau sein" reicht nicht
Und für das "Comeback Kid" der Republikaner sah es für eine kurze Zeit auch so aus, als könnte es mit dem Demokraten Barack Obama mithalten. Kurz nach dem Nominierungsparteitag der Republikaner lag McCain in den Umfragen teilweise vor Obama. Denn dem Mann, der einst viele Demokraten und Unabhängige zu seinen Fans zählte und von der republikanischen Basis wegen seiner wenig konformen Ansichten etwa beim Einwanderungs- und Steuerrecht mit Skepsis betrachtet wurde, gelang auf einem Parteitag in St. Paul ein Coup: die Nominierung der selbsternannten "Hockey-Mom" Sarah Palin als seine Kandidatin für das Vizepräsidentenamt.
Die 44-jährige Gouverneurin des US-Bundesstaats Alaska konnte die republikanische Basis begeistern – mit einer klaren Haltung gegen Abtreibung, gegen staatliche Interventionen, für das Recht auf Waffenbesitz. Doch schon bald offenbarte sie in den wenigen Interviews, die sie gab, fundamentale Wissenslücken. Und John McCain, der auf die Stimmen der Clinton-Anhänger spekuliert hatte, musste erkennen, dass "Frau sein" allein als Qualifikation nicht ausreicht.
Es geht um die Wirtschaft
Doch das entscheidende Problem für John McCain war die Abwärtsbewegung der amerikanischen Wirtschaft. Sein Spezialgebiet ist die Außen- und Sicherheitspolitik. Von Wirtschaft verstehe er nicht viel, hat er einmal unumwunden zugegeben. Doch das ganze Jahr über wiederholte er seinen Satz von den starken Grundlagen der amerikanischen Wirtschaft: "The fundamentals of our economy are strong", war lange Zeit sein Mantra.
Einige Fundamente der amerikanischen Wirtschaft, die zu zwei Dritteln auf Konsum beruht, erwiesen sich indes als äußerst porös. Immer mehr Amerikaner hatten sich in den letzten Jahren ein Haus auf Kredit gekauft, zum Schluss hatten die Banken nicht einmal mehr Gehaltsnachweise oder andere Unterlagen verlangt, dafür aber nach den niedrigen Anfangszinsen die Rückzahlungsforderungen kräftig angehoben. Die Folge: Immer mehr Hauseigentümer konnten ihre Raten nicht mehr bezahlen. Gleichzeitig fielen landesweit die Häuserpreise. Eine Spirale setzte sich in Gang, die weltweit die Börsenkurse in die Tiefe stürzen ließ.
Die US-Regierung, bis dahin eine Verfechterin der freien Marktwirtschaft, griff in den Markt ein: Der Verkauf der Investmentbank Bear Stearns wurde mit Steuergeldern abgesichert, die Indymac Bank, genauso wie die Kreditgiganten Fannie Mae und Freddie Mac, praktisch verstaatlicht, und die Regierung Bush pumpte Millionen in die Wirtschaft.
Hoffnungsträger Barack Obama
Eine Hauptaufgabe des nächsten Präsidenten wird es also sein, die amerikanische Wirtschaft wieder auf stabile Grundlagen zu stellen. Und seit 23 Uhr Ostküstenzeit am 4. November 2008 ist klar, dass dieser Präsident Barack Obama heißt. Die Wahl des ersten afroamerikanischen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika wurde weltweit gefeiert.
Trotz der gravierenden Probleme schauen viele Amerikaner, ganz gleich welcher Hautfarbe, mit Zuversicht in die Zukunft. Sie setzen auf den neuen Präsidenten, der am 20. Januar sein Amt übernimmt. Denn wer es geschafft hat, innerhalb weniger Jahre vom Nobody zum mächtigsten Mann der Welt zu werden, dem traut man auch zu, das Land aus der schlimmsten Krise seit Jahrzehnten zu führen.