Frankfurts Kampf ums Image als Finanzzentrale
11. Mai 2016Nach 46 Jahren war Schluss. Im März 1970 hatte Fidel Helmer zum ersten Mal das Frankfurter Börsenparkett betreten, kurz vor Ostern räumte er sein Büro, wenn auch nicht ganz freiwillig. Über Jahrzehnte hatte Helmer den Aktienhandel des Bankhauses Hauck & Aufhäuser verantwortet. Zuletzt war er aber nur noch beratend tätig und stand ansonsten den Medien als beliebter und kompetenter Ratgeber, Erklärer und Interviewpartner zur Verfügung.
Die Börse wollte jedoch, dass Helmers Arbeitgeber weiterhin 15.000 Euro Jahresgebühr entrichtet, wie sie für Parketthändler erhoben wird. Deshalb steht das Büro nun leer, so wie viele Büros auf dem Börsenparkett leer stehen. Die Tremmels, die Belgers, die Ballmayers gibt es nicht mehr. Die Umsätze auf dem Parkett sind dünn. Fast alle Aktiengeschäfte werden über das Handelscomputersystem Xetra abgewickelt.
Absturz im Ranking
Wie Wertpapiergeschäfte abgewickelt werden, hat freilich keinen Einfluss auf die Bedeutung eines Finanzplatzes. Doch gerade Frankfurt droht, den Anschluss an die internationale Konkurrenz zu verlieren. Das zeigt auch der kürzlich erschienene "Global Financial Centres Index", eine Umfrage unter über 2500 Mitgliedern der Weltfinanzgemeinde. Die sieht recht klar London als wichtigste Finanzdrehscheibe der Welt, knapp gefolgt von New York.
Frankfurt ist in diesem Ranking in diesem Jahr sogar um vier Plätze abgerutscht und rangiert hinter Luxemburg, Dubai und Schanghai und sogar hinter Städten wie Boston oder Toronto. Platz 18 ist kein Ruhmesblatt. Doch so richtig wollen sich die Frankfurter ihre Laune von der Umfrage nicht verderben lassen.
Das müssen sie auch nicht. Denn faktisch wirft die Region einiges in die Waagschale. Auf dem europäischen Kontinent ist Frankfurt ein Bankenmagnet. 161 Auslandsbanken unterhalten einen Sitz in der Main-Metropole, ebenso wie 40 deutsche Banken. Dass sich hier nicht mehr 400 Institute tummeln, wie vor ein paar Jahren, ist vor allem Ergebnis der Finanzkrise. Aber auch Resultat der Konsolidierung der Branche. Die Commerzbank hat die Dresdner Bank übernommen, die Bayerische Hypothekenbank und die Vereinsbank fusionierten zur HypoVereinsbank, um dann in der italienischen Unicredit aufzugehen. Und das Fusionskarussell dreht sich weiter.
Niedrigzins und Regulierung
Außerdem haben die Banken generell mit niedrigen Zinsen und hohen Regulierungsauflagen zu kämpfen. Nicht nur in Frankfurt sucht die Branche ihr Geschäftsmodell und das bedeutet vor allem: weniger Investmentbanking. Mehr und mehr Institute setzen dabei auf Beratung. In diesem Geschäftsfeld ist Frankfurt schon lange führend. Viele große und kleine Fusionen und Unternehmenskäufe werden am Main angebahnt, viele deutsche Unternehmen werden hier fit für die Börse gemacht.
Solche Angebote kommen allerdings nicht nur von Banken, sondern zunehmend von bankähnlichen Unternehmen, den so genannten Fintechs, die momentan wie Pilze aus dem Boden sprießen. Die Deutsche Börse will dieses Geschäft mit Unternehmensgründungen beherrschen und hat zu diesem Zweck einen Fintech-Hub eröffnet. Das Unternehmen flankiert damit eine Gründerinitiative des Landes Hessen. "Damit tragen wir zur Entstehung und Entwicklung einer Fintech-Szene am Finanzplatz Frankfurt bei", sagte Karsten Kengeter, Vorstand der Deutschen Börse AG. "Frankfurt soll Deutschlands führendes Fintech-Zentrum werden."
Sitz wichtiger Finanz-Institutionen
Doch bis dahin ist noch ein weiter Weg. Zürich beansprucht ebenfalls für sich, zu einem Fintech-Mekka heranwachsen zu wollen, London ist es schon. Die City hat im vergangenen Jahr 2,3 Milliarden US-Dollar an Wagniskapital eingesammelt. in Frankfurt haben gerade vier Jungunternehmen ihre Büros im Fintech-Hub bezogen.
Alles in allem braucht sich Frankfurt nicht zu verstecken, heißt es in der Bankenszene. Immerhin betreibt die Commerzbank direkt am Hauptbahnhof den größten Handelssaal Europas. Außerdem befinden sich Bundesbank und Europäische Zentralbank (EZB) am Main. Hinzu kommen die Bankenaufsicht (EBA) und die Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen (EIOPA) und natürlich die Börse selbst. Die liegt mit einem Marktwert von knapp 16 Milliarden Euro einen Platz vor London und auf Rang vier der weltweiten Handelsplätze. Durch die geplante Fusion mit London dürfte dieser Wert deutlich steigen.