First Class - die Renaissance des Luxus
16. Juni 2015Die Fluggesellschaften schotten ihre besondere Klientel vom Fußvolk ab, am Boden und in der Luft. Dabei schien die First spätestens nach der letzten Finanzkrise eine sterbende Spezies zu sein. Doch inzwischen erlebt das Reisen erster Klasse sogar eine Renaissance.
So stellt die IATA fest, dass im laufenden Jahr die Buchungen in der Premiumklasse im Vergleich zu 2014 global um gut zwei Prozent gestiegen sind. OAG, ein englischer Dienst für Luftfahrtdaten, ermittelt sogar einen Anstieg um ein Drittel seit 2009.
Regionale Unterschiede
Doch gibt es regional starke Unterschiede. So gingen die Märkte Südamerika und Afrika stark zurück, den höchsten Anstieg bei Premiumtickets gab es innerhalb Ostasiens. Europäische, US- und die Airlines der Golfstaaten haben ihre First vor allem auf den "Rennstrecken" der Nordhalbkugel ausgebaut. Qantas bedient Australien fast im Alleingang.
Daten, die allein nicht viel aussagen, denn der fundamentale Relaunch, der auch durch die immer bessere Business Class nötig wurde, um den höheren Preis der First zu rechtfertigen, zeigt sich weniger quantitativ als qualitativ. So reduzierten Air France, British Airways und Lufthansa zwar die Anzahl der Sitze in der Ersten, nicht aber den Raum, der Komfort stieg also. Und die First präsentiert sich deutlich ex-klusiver als je zuvor.
Der A380 brachte die Wende
Das hat viel mit der Einführung des Airbus A380 zu tun. Der Riesenrumpf des größten Flugzeugs in der Zivilluftfahrt läutete den Trend zum neuen Luxus ein. Er bot den Airlines den Raum, für reiche Kunden alle Annehmlichkeiten zu verbauen, die ihnen wichtig erschienen. Er wurde ihr Showroom.
Singapore Airlines führte mit dem ersten ausgelieferten A380 überhaupt gleich eine neue Benchmark ein mit abtrennbaren Kabinen für maximale Privatsphäre. Andere setzen auf kühle Farben und nüchterne Formensprache (Air France, BA, Korean) oder besonders barockes Ambiente mit Tischlämpchen zwischen Gold und Mahagoni (Emirates).
Die Konfiguration ist fast immer 1-2-1, nur Qantas verbaut pro Reihe lediglich drei Sitze, die auch noch schräg gestellt werden können und so den Platz pro Passagier erhöhen. Dazu kommen Skybars, in denen man Cocktails schlürft (u.a. Etihad, Qatar), Emirates baute sogar Duschen ein.
Die Doppeldecks des A380 geben weiteren Spielraum. Carrier, die ihre Erste da ansiedeln, wo sich das Gros der Kunden selbst wähnt, nämlich oben (u.a. Qatar, Etihad, Thai, LH), haben weniger Platz zur Verfügung als die, die sie im breiteren Hauptdeck unten haben (wie Qantas, BA, Singapore). Zudem teilen die Airlines verschieden große Bereiche des Rumpfs für die First ab, mit acht bis vierzehn Sitzen.
Relaunch bis ins Detail
"Unsere First ist ein Gesamtkunstwerk", sagt Joachim Schneider, Leiter Produktmanagement bei Lufthansa, "erst alle Details zusammen machen das Erlebnis aus". Neue First-Sitze, jeder mit eigenem Garderobenschrank, Trennwände, die aus dem Ambiente einer Lounge auf Wunsch einen Rückzugsort machen, eine eigene Schallisolierung, damit das Zischen der Espressomaschine nicht stört, und, weltweit einzigartig, eine Luftbefeuchtungsanlage, um das Wohlbefinden zu erhöhen - all dies verhalf der Erste Klasse-Flotte der LH zu fünf Sternen beim Portal Skytrax.
Kein Detail bleibt unbeachtet. Bei den amenities (Annehmlichkeiten) an Bord (vom Pyjama zum Vanity Kit) dürfen es Bulgari und Bogner sein, Flugbegleiter werden eigens für die Topkundschaft gecastet. Auch beim Catering lassen sich die Fluggesellschaften nicht lumpen. Kaviar, Hummer, Champagner und erlesene Weine gehören nun zum Standard, diniert wird nur, wann der Passagier es wünscht. Berühmte Chefs stellen die Speisenfolge zusammen.
Höchste Standards
"Wir nehmen unseren Gästen alle Mühsal ab, das erwarten sie von uns", definiert Schneider das LH-Konzept, "vom Check-In bis zum Boarden". Und Hannah Roberts, zuständig für Marketing bei BA, weist schlicht darauf hin, dass "First Class-Passagiere eben sehr anspruchsvoll sind, für die der höchste Standard immer gerade der mindeste ist".
Wer die kapriziösen Gäste sind, dazu schweigen beide. Neben CEOs, Unternehmern, Promis auch verstärkt Menschen, die sich einmal im Leben etwas leisten wollen, auf Flugportalen First-Angebote vergleichen können und so sogar zum Wettbewerb im Premium-Segment beitragen.
Auch am Boden nur vom Feinsten
Der Luxus beginnt schon am Boden. First Class-Lounges sind mit Spas und Restaurants die Aushängeschilder der Carrier, die jedes Jahr um die Toprankings der internetaffinen Kunden buhlen, die nicht mal ein Prozent des globalen Passagieraufkommens ausmachen.
Qantas First in Sydney besticht mit utopischem Design (beste beim Portal DesignAir), Thai Airways Lounge in Bangkok (1. Platz bei Skytrax) und der Londoner Commodore Room von BA sind wie die Lobbys von Luxushotels. Lufthansa hat für seine First-Gäste gar ein eigenes Terminal in Frankfurt mit Pass- und Sicherheitskontrolle sowie Limousinenservice direkt zum Flieger.
Golfstaaten-Carrier als Maß für Luxus
Schneider und Roberts geben zu, dass es auch die aggressiven Golf-Carrier waren, die die viele Millionen teuren Relaunches nötig machten, um weiterhin das Image als Top-Airlines zu halten. Qatar Airways, Emirates und Etihad sahen ihre Flotten von Anfang an als Gateway zu einem modernen Nahen Osten und wollten daher Managern und Investoren die Anreise dahin so angenehm wie möglich gestalten.
Die First Classes gelten als Branding-Tool - beim neuen Luxus über den Wolken sind sie immer noch das Maß der Dinge. Wie weit das gehen kann, zeigt Etihad. Seit kurzem kann man zwischen London und Abu Dhabi die Drei-Zimmer-Suite The Residence buchen, mit Butler, eigenem Schlafzimmer und Bad - ein kleines Eigenheim in zehntausend Metern Höhe für schlappe 17.200 Euro - one way.