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Interview Firtasch

Eugen Theise6. März 2015

Der ukrainische Milliardär Dmytro Firtasch verspricht, sein Geschäft aus Offshore-Zonen in die Ukraine zu verlegen. Dafür braucht es Reformen, so der Geschäftsmann. Im DW-Interview sagt er, wie er sie unterstützen will.

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Ukraine Dmytro Firtasch (Foto: DW/E. Theise)
Bild: DW/E. Theise

Der ukrainische Milliardär Dmytro Firtasch ist einer der Initiatoren und Hauptsponsor des Projektes "Ukraine Tomorrow". Mehr zu dieser Initiative in einem exklusiven Interview von Dmytro Firtasch für die DW. Das Gespräch fand in Wien (3.3.2015) am Tag der Präsentation des Projekts statt.

Deutsche Welle: Herr Firtasch, Sie sind ein einflussreicher Mann in der Wirtschaft und seit mindestens zehn Jahren in der Politik. Warum haben Sie einen Plan für eine Reform und Modernisierung der Ukraine gerade jetzt initiiert?

Dmytro Firtasch: Weil es heute mehr denn je Probleme gibt, die gelöst werden müssen. Ich muss sagen, wir sind heute in einer sehr schlechten Situation. Die Ukraine ist faktisch bankrott. Wir haben zwei Möglichkeiten: entweder wir unternehmen etwas oder wir tun nichts. Meiner Meinung nach sollten wir etwas tun. Gerade das, was die Regierung innerhalb eines gesamten Jahres nicht getan hat.

Halten Sie, während Sie sich hier in Wien befinden, Kontakt zu Politikern in der Ukraine?

Natürlich, ich stehe mit der Ukraine in Kontakt. Für mich ist das wichtig. Wenn ich mich in Wien befinde, bedeutet dies nicht, dass ich mich nicht mit dem Land beschäftige. Ich bin in alle Prozesse einbezogen. Erstens habe ich dort mein Geschäft. Zweitens bin ich der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes. Mich kommen viele Politiker, viele Geschäftsleute, viele Beamte besuchen. Das einzige ist, dass ich nirgendwo hinfahren kann. Alle wissen das und kommen hierher. Ich sehe darin kein Problem.

Kommen auch Mitglieder der Regierung zu Ihnen?

Nein, Mitglieder der Regierung kommen nicht. Ich treffe mich mit Abgeordneten, Geschäftsleuten und Vertretern der Öffentlichkeit.

Im Rahmen der Initiative "Ukraine Tomorrow", die Sie in Wien vorgestellt haben, soll ein Investitionsfonds zur Unterstützung der Modernisierung der ukrainischen Wirtschaft geschaffen werden. Auf dem Forum haben Sie gesagt, dass man für den Fonds Milliarden von Euro gewinnen wolle. Wie viel sind Sie persönlich bereit, zu diesem Fonds beizutragen, um anderen Unternehmern ein Vorbild zu sein?

Nun, wir werden sehen, wie das sein wird. Ich werde auf jeden Fall investieren. Da einige der Sektoren und Branchen (im Programm der Modernisierung - Anm. d. Red.) meine sind. Ich werde investieren. Das steht auf unserem Plan. Ich denke, dass wir dafür eine Menge Geld geben werden.

Ukraine Konferenz Wien 2015 (Foto: DW/E. Theise)
Konferenz "Ukraine Tomorrow" in WienBild: DW/E.Theise

Und andere Vertreter der Großindustrie in der Ukraine - Herr Achmetow, Herr Kolomojskyj, Herr Pintschuk - haben Sie mit ihnen schon über Ihre Initiative gesprochen und sind sie auch bereit, in diesen Fonds zu investieren?

Ja, ich habe Gespräche geführt, manche sind bereit, manche denken noch nach. Und nicht nur sie, es gibt noch genügend ukrainische Geschäftsleute, die bereit sind, sich daran zu beteiligen.

Können Sie schon verraten, wer dazu bereit ist?

Nun, ich möchte nicht für andere sprechen, warum sollte ich. Ich werde für mich selbst sprechen, und sie werden über sich selbst sprechen, dann wenn sie es wollen.

Sie haben in unserem Gespräch Ihre Geschäfte erwähnt. Inwiefern hat es sich auf ihre Geschäfte ausgewirkt, zum Beispiel auf die Chemie-Branche, dass Sie nach dem Machtwechsel in der Ukraine aus Russland kein Gas mehr zu einem günstigen Preis beziehen?

Für die Chemie ist der Gaspreis das Wichtigste, er macht 70 Prozent der Kosten aus. Daher ist Gas für uns eine sehr sensible Geschichte. Noch sind gegenwärtig zwei Fabriken zu 100 Prozent ausgelastet. Zwei stehen still, weil sie sich im Osten der Ukraine befinden. Das Werk in Sewerodonezk ist zu 30 Prozent ausgelastet, da es Elektrizitätsengpässe gibt. Und in Horliwka arbeiten wir gar nicht mehr, weil wir noch nicht wissen, wie wir überhaupt dorthin kommen können (die Stadt Horliwka befindet in dem von den Kämpfern der selbsternannten "Donezker Volksrepublik" kontrollierten Gebiet - Anm. d. Red.).

Das heißt, bislang hatten Sie keinen Kontakt mit Vertretern der Separatisten bezüglich der Unternehmen?

Nein, wir wissen nicht einmal mit wem wir Kontakt aufnehmen könnten.

Die Separatisten versuchen dort, Steuern einzutreiben... Sind Sie bereit, ihnen Steuern zu zahlen? Sie müssen doch dort die Fabriken wieder ans Laufen bekommen...

Ich glaube, dass wir die Fabriken ans Laufen bekommen müssen. So weit ich es verstehe, ist das Territorium der Ukraine und deshalb werden wir natürlich Steuern zahlen. Sollen doch die Regierung, der Präsident und das Parlament klären, unter welchen Bedingungen wir arbeiten werden und wie es sein soll. Wir werden uns der Gesetzgebung der Ukraine unterordnen, das ist, was wir normalerweise tun.

Wie sieht es auf der Krim aus? Sie haben dort ihre Unternehmen neu registriert, nach russischem Recht. Das heißt, Sie haben dies als Gebiet Russlands anerkannt...

Nein, ich denke einfach, dass wir keine andere Wahl hatten. Wir hatten zwei Möglichkeiten: das Geschäft verlieren und das zu tun, was die Ukrainer im Donbass gemacht haben, als sie ihre Banken abzogen, als sie alles abzogen und aufhörten, den Rentnern Geld zu zahlen. Ich kann das aber so nicht machen, weil ich dort eine Belegschaft habe. Entschuldigen Sie, das sind 6000 in einer Fabrik, 4000 in einer anderen. Insgesamt 10.000 arbeiten in zwei Unternehmen, und natürlich zahle ich Gehälter, natürlich ordne ich mich der Lage unter die besteht, sonst wäre es unmöglich, zu arbeiten.

Dmytro Firtasch (Foto: DW/E. Theise)
Dmytro Firtasch: "Will in die Zukunft der Ukraine investieren"Bild: DW/E.Theise

Hat sich der Machtwechsel in der Ukraine auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

Ich denke, wir haben nicht so sehr durch den Machtwechsel verloren, sondern die gesamte ukrainische Geschäftswelt hat dadurch verloren, was im Land geschieht. Dadurch, dass Krieg war, das war das schrecklichste. Dadurch, dass die Regierung bei uns nicht wusste, was zu tun ist, wegen der Inflation, der Wirtschaftsprobleme - das hat dazu geführt, dass wir alle verloren haben. Nicht wegen des Machtwechsels, sondern dadurch, was in diesem Jahr passiert ist. Natürlich, wir haben sehr schwere Verluste erlitten, aber diese hat die ganze Ukraine erlitten.

Haben Sie errechnet, zu welchen Verlusten der Krieg im Donbass bei Ihnen geführt hat?

Sehr viel, hunderte Millionen Dollar allein im vergangenen Jahr.

Viele bezichtigen einflussreiche ukrainische Unternehmer, dass sie oft Geschäfte "offshore" führen. Unter anderem werden Ihre Geschäfte über mehr als einhundert Firmen auf Zypern, in Österreich, den Kaiman-Inseln und den britischen Jungferninseln geführt. Warum mussten Sie auf solche Mechanismen zurückgreifen?

Da es keine Garantie auf Eigentum gibt. Dies ist das größte Problem. Das ist, warum wir sagen, dass man jetzt bei dieser Reform es so machen muss, dass das Privateigentum garantiert wird. In jedem Staat, wenn es keine Garantie auf Eigentum gibt, werden Eigentümer danach suchen, wie sie sich schützen können. Also, ich glaube, dies ist gerade eine der Fragen, die sich bei dieser Reform stellt (Reformprogramm, erarbeitet durch die Initiative "Ukraine Tomorrow" - Anm. d. Red.). Wir müssen bei den Ukrainern wieder Hoffnung und Zuversicht herstellen. Sie sollen nicht in irgendwelchen anderen Ländern nach rechtlichem Schutz suchen, sie sollten es in ihren Heimatländern haben. Wir haben kein Vertrauen in die Rechtssysteme in unseren Ländern. Weil wir wissen, dass das, was wir haben, keinen Schutz bedeutet. Bei uns kann es jede Minute eine feindliche Übernahme geben. Sowohl politische als auch andere... Also das ist viel mehr eine Maßnahme zur Absicherung, als alles andere... Wenn doch nur alle wieder in ihre Heimländer mit dem gesamten Geschäft nach Hause zurückkehren würden... Und dies betrifft eben nicht nur mich, sondern die gesamte ukrainische Geschäftswelt. Jedes kleine oder große Unternehmen. Es ist nicht wichtig, ob es drei Beschäftigte oder 20.000 oder 100.000 hat, sie alle sind gleich strukturiert.

Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann , CDU, Peer Steinbrück und der ukrainische Geschäftsmann Dmytro Firtasch (Foto: DW/E. Theise)
An der Konferenz in Wien nahmen auch der Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann, CDU (links) sowie und Peer Steinbrück (rechts) teilBild: DW/E.Theise

Aber dem ukrainischen Haushalt geht Geld verloren, da es günstiger ist, über Zypern oder Österreich Geschäfte zu führen.

Absolut richtig, deswegen sagen wir, dass wir eine solche Reform machen müssen, darunter eine Steuerreform, dass nicht nur ukrainische Unternehmen nach Hause zurückkehren, sondern auch europäische Unternehmen sagen, warum sie in der Ukraine investieren sollten.

Steuern auf Dividende betragen beispielsweise in der Ukraine - wenn Geld nach Zypern überwiesen wird - fünf Prozent und in Deutschland beispielsweise 25 Prozent.

Ich muss Sie enttäuschen. Ich hatte noch nie eine Steuer auf Gewinne. Ich habe noch keine Dividende erhalten, bislang investiere ich nur. Noch kann ich also davon nicht sprechen. Aber im Grunde haben Sie absolut Recht. Wir müssen einen richtigen Masterplan machen und die Steuergesetze erneuern. Wir brauchen nicht nur die Bereitschaft zu zahlen, sondern es muss auch Geld fließen. Heute ist es kein großes Problem Geld irgendwo auszugeben, es gibt viele Orte, wo man Geld investieren kann. Und man muss klar machen, warum in die Ukraine, und nicht in ein anderes Land, wie beispielsweise die Slowakei.

Sind Sie bereit, auf Offshore-Dienste zu verzichten?

Bitte. Wenn ich von der Gesetzgebung überzeugt sein werde, die es geben wird, dann werde ich das natürlich tun. Warum sollte ich in einem solchen Fall viele Leute [für die Offshore-Struktur – Anmerkung der Redaktion] beschäftigen – dies sind doch nur zusätzliche Kosten. Wir haben das alles, dann können wir im Land bleiben.

Also ist jetzt eines Ihrer Ziele, das Offshore-Geschäft aufzugeben?

Ja, wenn wir es richtig machen, dann ist es mein wichtigstes Ziel, das gesamte Geschäft ins Heimatland nach Hause zurückzuführen. Es muss so einfach sein, dass es die Gesetzgebung den Investoren erlaubt, im Land Steuern zu bezahlen.

Herr Firtasch, vielen Dank für das Interview

Ein ungekürztes Video des Interviews finden Sie hier.