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Flexible Regeln für Flüchtlingsheime

Wolfgang Dick15. September 2015

Viele Gesetze und Verordnungen in Deutschland behindern derzeit noch die schnelle Einrichtung von regulären und winterfesten Flüchtlingsunterkünften. Das soll sich jetzt ändern.

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Zeltstadt für Flüchtlinge in Berlin (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

"Zelte sind keine dauerhaften Hilfsmaßnahmen", bringt es Norbert Portz vom Städte- und Gemeindebund auf den Punkt. Er leitet den "Ausschuss für Städtebau und Umwelt", der Anfang der Woche in Neuwied darüber diskutiert hat, welche Vorschriften für Kommunen bundesweit gelockert werden müssten, um angemessen schnell auf die steigenden Flüchtlingszahlen reagieren zu können.

Baurecht anpassen

Im deutschen Baurecht zum Beispiel ist für jede Wohnanlage eine bestimmte Anzahl von Parkplätzen vorgeschrieben. So unglaublich es klingen mag - Stellplätze sind auch Voraussetzung für ein Flüchtlingsheim. "Das muss entfallen", sagt Portz. "Flüchtlinge kommen doch nicht mit dem Auto!"

Viele Bürgermeister aus ganz Deutschland, die am Ausschuss teilgenommen haben, schildern ähnliche Probleme. So gestattet es die Baurechtsordnung vieler Bundesländer auch nicht, Flüchtlinge regulär in einem Gewerbegebiet unterzubringen. An ungenutzten Gebäuden fehlt es dort wohl nicht.

"Der bestehende Leerstand muss offiziell genutzt werden können", sagt Portz. "In Rheinland-Pfalz zum Beispiel gibt es viele nicht mehr belegte ehemalige Militäranlagen von den Amerikanern, aber auch von der Bundeswehr, die verkehrstechnisch gut angebunden sind." Mit einem geänderten Baurecht soll die Ansiedlung von Flüchtlingsunterkünften in Gewerbegebieten möglich sein. Zudem sollen viele Vorschriften entfallen, die nicht sicherheitsrelevante Baustandards betreffen, wie Abstandsflächen, bestimmte Aspekte der Barrierefreiheit oder Energiesparvorgaben. Auch von bestehenden Bebauungsplänen soll abgewichen werden dürfen.

Norbert Portz Porträt leitet den Ausschuss für Städtebau und Umwelt. (Foto: DStGB)
Portz: "Städte und Gemeinden brauchen dringend Rechtssicherheit"Bild: DStGB

Schnelligkeit mit Rechtssicherheit verbinden

Bisher mussten sich Kommunen an ein strenges Vergaberecht für Aufträge an Bauträger oder sonstige Dienstleister halten. In einem offenen EU-Verfahren gelten 52 Kalendertage als Mindestangebotsfrist. "Wenn jetzt für Flüchtlingswohnungen Entscheidungen innerhalb von drei, vier Stunden gefordert sind, ergeben solche langen Ausschreibungen keinen Sinn", so Portz.

Längst erscheinen solche Diskussionen über die Abschaffung vieler Vorschriften von den tatsächlich getroffenen Entscheidungen überholt. Städte und Gemeinden haben sich in den vergangenen Tagen notgedrungen über vieles hinweggesetzt, was eigentlich vorgesehen ist.

Im Verband deutscher Städte und Gemeinden sagt man aber klipp und klar: "Das kann nicht sein. Kommunen brauchen Rechtssicherheit!" Es müsse dringend vermieden werden, dass im Nachhinein Haftungsprobleme oder gar Rückforderungen und endlose Prozesse die Städte belasten und viele Entscheidungen aufgrund der Unsicherheit doch verschoben werden.

Zelte für Flüchtlinge (Foto: Sven Hoppe/dpa)
Viele Flüchtlingsunterkünfte sind noch provisorischBild: Picture-Alliance/dpa/S. Hoppe

Abschied von der Bürokratie?

In Berlin sind die Rückmeldungen auf die Forderungen des Städte- und Gemeindebundes positiv. "Der Bund ist dabei, ein sogenanntes Artikelgesetz bis zum 1. November zu schaffen, dass viele der vorgeschlagenen Vereinfachungen berücksichtigt", erklärt Norbert Portz. Der Bundesrat werde ebenfalls bis November entscheiden.

Das Wirtschaftsministerium habe mit Hilfe der EU-Kommission bereits im Grundsatz gesagt, dass in der Regel von einem Dringlichkeitsfall ausgegangen werden kann, der eine freihändige Auftragsvergabe durch die Städte erfordert.

Mehr Geld für sozialen Wohnungsbau

Die bisherige Beteiligung des Bundes am sozialen Wohnungsbau von 518 Millionen Euro soll auf eine Milliarde Euro aufgestockt werden. Diese Erhöhung habe die Bundesministerin für Städtebau bereits signalisiert. Nach Ansicht des Städte- und Gemeindebundes seien die bisherigen Zahlungen des Bundes die unterste Stufe, die eigentlich vervierfacht werden müsse. Das würde zwei Milliarden an Unterstützung im Haushaltsjahr bedeuten.

Es gehe schließlich darum, Sozialwohnungen für bedürftige Bevölkerungsgruppen und Flüchtlinge gleichermaßen zu schaffen. "Man darf die einen nicht gegen die anderen ausspielen", fordert Norbert Portz. Zur Stimmungslage bei den Bürgermeistern fügt er nur hinzu: "Wir sind absolut am Limit. Das bürgerschaftliche Engagement, das wirklich groß ist, wird auf Dauer nicht haltbar sein, wenn wir nicht schnell Unterstützung bekommen."