Fluch und Segen des Ölpreis-Tiefs
12. Dezember 2014Die alten Spielregeln gelten nicht mehr. Jedenfalls nicht beim Ölpreis. Vor wenigen Jahren noch reichte die Explosion einer Pipeline in Nigeria, um den Preis für das "Schwarze Gold" nach oben zu treiben. Kamen weitere Krisenherde dazu, waren die Auguren schnell dabei, einen Ölpreis zu prognostizieren, der nie mehr unter 150 Dollar für das Fass fallen, wohl aber bald die 200-Dollar-Marke knacken würde. 2008 war das, damals musste man für ein Barrel um die 100 Dollar berappen.
Nun ist an Krisen in diesem Jahr 2014 kein Mangel. Eigentlich müsste der Ölpreis durch die Decke gehen, zumal auch Förderländer wie Russland, Libyen und Irak ebensolche Krisenherde sind. Geht er aber nicht - im Gegenteil: Seit Juni verläuft die Linie auf den Charts von links oben nach rechts unten. Und alle fragen sich: Wie weit fällt der Ölpreis noch? Keiner, der die Antwort kennt.
Natürlich sind die Länder, die Öl einkaufen müssen - wie Deutschland - auf der Gewinnerseite. 90 Milliarden Dollar sind dafür jedes Jahr fällig. Nicht in diesem Jahr. Ein schwacher Euro verhindert noch größere Einsparungen, weil Öl in Dollar bezahlt werden muss. Gleichzeitig aber verhilft der derzeitige Wechselkurs deutschen wie europäischen Exporteuren zu guten Geschäften. Das ergibt zusammen ein schönes Konjunkturprogramm, auch, weil die Leute einfach mehr Geld für andere Dinge ausgeben können, die sie beim Tanken oder Heizöl-Kaufen sparen.
Anders bei der Förderländern: In Russland läuten längst schrill die Alarmglocken, auch wenn der Kreml so tut, als habe er die Lage im Griff. Der Ölpreis-Verfall in Verbindung mit den EU-Sanktionen: Ein gefährlicher Cocktail für die Herrscher im Kreml. Auch Venezuela ist so ein Fall: Wo es Benzin fast für umsonst gibt, wo der Staatshaushalt fast ausschließlich auf Einnahmen aus dem Ölgeschäft beruht, sind die niedrigen Preise wie eine Lunte an einem Pulverfass. Für Präsident Maduro wird die Luft dünner.
Natürlich ist man da schnell mit Verschwörungstheorien bei der Hand, wie dieser Tage Irans Präsident Rouhani. Er wittert eine politische Verschwörung bestimmter Länder gegen die Interessen der islamischen Welt. Andere sehen einen US-Öl-Feldzug gegen Russland, um Putin zu bestrafen. Wieder andere haben die Saudis im Verdacht, die die konkurrierende US-Fracking-Branche platt machen wollen. Alles Kokolores.
Denn dafür ist der Ölmarkt schlicht zu groß und hat zu viele Mitspieler. Die Sache ist viel einfacher: Seit mit den USA ein neuer Player auf dem Markt ist, der nicht nur Unmengen an Öl importiert, sondern per Fracking eben selbst fördert, ist zu viel Öl auf einem Markt, der gleichzeitig von einer sinkenden Nachfrage geprägt ist. Es wird eher so sein, das irgendein Mitspieler demnächst aus diesem Markt ausscheidet, weil sich die gigantischen Investitionen ab einem bestimmten Preis des Öls nicht mehr lohnen. Das kann die Amerikaner genau so treffen wie die Kanadier, die mit ihren teuren Ölsand-Projekten derzeit schon Schiffbruch erleiden. Es kann politische Unruhen geben, zum Beispiel in Venezuela, wenn dort der Benzinpreis von lächerlichen zwei auf fünf Cent angehoben werden muss.
Früher, als die alten Spielregeln noch galten, wäre in solch einer Situation das Ölkartell Opec zusammen gekommen, hätte beschlossen, die Fördermenge zu drosseln und so den Preisverfall zu stoppen. Nur: Die USA, auch nicht Russland, sitzen gar nicht mit am Tisch. Und an die Mengenfestlegungen der Opec halten sich auch die Mitgliedsländer schon längst nicht mehr. Somit verkam auch das jüngste Treffen der Opec Ende November zur Farce. Das wird beim nächsten Mal im Juni 2015 nicht anders sein - wenn es diese unnütze Institution dann überhaupt noch geben sollte. Aber im Moment sollten die Ölverbraucher der Opec noch dankbar ob ihrer Handlungsunfähigkeit sein. Ein solches Konjunkturprogramm hätte kaum eine Regierung der Welt auf den Weg bringen können. 500 Milliarden Dollar mehr Kaufkraft für die Welt - Weihnachten kann kommen.