Der Wert von einer Million Menschen
16. November 2018Allein im November kamen bisher 1750 neue Flüchtlinge aus der Demokratischen Republik Kongo und dem Südsudan nach Uganda. Damit wurden dort allein in diesem Jahr schon 100.000 Flüchtlinge aus den beiden Ländern aufgenommen. Insgesamt leben laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) 1,14 Millionen Flüchtlinge in Uganda - Männer, Frauen und Kinder, die sich eine neue Lebensgrundlage aufbauen wollen. Sie müssen essen, brauchen ein Dach über dem Kopf und medizinische Versorgung.
Uganda, selbst Entwicklungsland, gilt weltweit als Spitzenreiter in Sachen fortschrittlicher Flüchtlingspolitik. Duniya Aslam Khan, UNHCR-Sprecherin für Uganda, erklärt: "Die Flüchtlinge dürfen sich frei bewegen, sie haben Zugang zu medizinischen und schulischen Einrichtungen und dürfen arbeiten." Doch Schulen, Krankenhäuser und Anlaufstellen seien nicht gut genug ausgestattet und es gelte, auch die lokale Bevölkerung zu versorgen. "Uganda möchte den Flüchtlingen ein lebenswertes Leben bieten, und teilt daher alles, was es hat. Da sollten sich die reicheren Staaten in Europa und Amerika ein Beispiel nehmen, wenn sie über Kosten reden", sagt Khan im DW-Interview. So erhält jede Flüchtlingsfamilie nach der Registrierung und Zuerkennung des Flüchtlingsstatus ein Stück Land zum Wohnen und Bewirtschaften.
Die internationale Gemeinschaft in der Pflicht
Doch das alles kostet. Im Oktober hat Uganda daher eine stärkere Unterstützung der internationalen Gemeinschaft bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme gefordert. Das Land solle sich dafür kein Geld leihen müssen. Doch dazu sähe es sich gezwungen, wenn die Welt Uganda nicht unterstütze, sagte Parlamentssprecherin Rebecca Kadaga bei einem Treffen mit dem neuen Weltbank-Länderchef für Uganda, Tony Thompson. Wenn aber Hilfsgelder aus dem Ausland ausbleiben, bleibt dem Land nichts anderes übrig, als in die eigene, fast leere Tasche zu greifen. Khan von UNHCR sieht klar die internationale Gemeinschaft in der Pflicht, hier für Abhilfe zu sorgen.
Man könne den Flüchtlingen nicht Geld und andere Unterstützungen zukommen lassen und die lokale Bevölkerung von diesen Maßnahmen auszuschließen. "Daher verfolgt UNHCR das 30-70-Prinzip", erklärt Khan. Demnach sollen mindestens 30 Prozent aller Maßnahmen, in die investiert wird, auch der lokalen Bevölkerung zu Gute kommen. Das Ziel sei aber eine 50-50-Verteilung. "Das stabilisiert eine harmonische Koexistenz der lokalen Bevölkerung und der Flüchtlinge", bekräftigt Khan. Wenn auch die Ugander selbst mit eingebunden werden, könne eine gut funktionierende Gemeinschaft entstehen - und aus einer Notfallmaßnahme eine entwicklungsorientierte Flüchtlingspolitik werden.
Flüchtlinge tragen in Uganda zur Wirtschaft bei
"Wir dürfen Flüchtlinge nicht mehr als Bürde sehen, die abhängig sind von der Wohltätigkeit eines Landes", betont Khan. Wenn geflüchtete Menschen arbeiten dürfen, können sie durchaus zur Wirtschaft eines Landes beitragen. So habe die große Zahl von Flüchtlingen im Norden Ugandas dazu geführt, dass dort das Mobilfunknetzwerk ausgebaut wurde, um den Neuankömmlingen den Kontakt in ihr Heimatland zu ermöglichen. Doch die Versorgung der vielen Menschen ist teuer. Eine Studie des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) fand im vergangenen Jahr heraus, dass die Flüchtlinge Ugandas Staatshaushalt jährlich mit 323 Millionen US-Dollar zusätzlich belasten. Der Grund: Von anderen Staaten komme zu wenig Unterstützung, sagt Jennifer Bose. Sie arbeitet für Care International, eine Hilfsorganisation, die sich vor allem für Frauen und Kinder einsetzt. "Für Uganda haben wir drei Millionen US-Dollar für die nötigste Hilfe eingeplant, die wir leisten wollen. Davon haben wir bis jetzt nur 763.000 US-Dollar erhalten. Das sind etwa 25 Prozent."
In einem "Refugee Response Plan" halten verschiedene Hilfsorganisationen gemeinsam fest, auf wie viel Geld sie angewiesen sind, um wirkungsvoll ihre Arbeit in einem Land leisten zu können. Für Uganda sind nach diesem Plan insgesamt 947 Millionen US-Dollar nötig, um die Regierung dabei zu unterstützen, ihre Flüchtlingspolitik fortzuführen. Internationale Organisationen wie die UN und Care International unterstützen den "Refugee Response Plan". "Doch das Flüchtlingsprogramm ist kritisch unterfinanziert. Bis jetzt wurden nur 41 Prozent des versprochenen Budgets für den 'Refugee Response Plan' in Uganda wirklich bezahlt", sagt Khan von UNHCR.
Wenn das Geld zur Krisenbekämpfung ausbleibt
Problematisch wird es, wenn das Geld ganz ausbleibt. Im Februar 2018 kündigte die britische Regierung an, ihre millionenschwere Unterstützung auszusetzen - als Antwort auf den Missbrauch von Geldern aus dem Fonds für die humanitäre Hilfe in Uganda. Offenbar wurden Flüchtlinge mehrfach registriert, deshalb sollen nun die biometrischen Daten aller Flüchtlinge erfasst werden.
Trotzdem kritisiert Khan die Entscheidung der britischen Regierung. "Das ist tödlich", sagt sie. Die Konsequenzen trügen die Menschen, und vor allem die Kinder, die 61 Prozent der Flüchtlinge in Uganda ausmachen. Fehlende Unterkünfte, mangelnde medizinische Versorgung und schlechte Sanitäranlagen seien die Folge. Khan erklärt: "Wenn die Hilfe ausbleibt, wenden sich diese Menschen an die falschen Leute. Was dann folgt, sehen wir auf dem Mittelmeer zwischen Afrika und Europa."
Auch in Äthiopien fehlt das Geld
In Tansania und Äthiopien ist die Situation ähnlich. So bestätigt UNHCR, dass Äthiopien Ende Dezember 2017 insgesamt 892.555 Flüchtlinge beheimatete, hauptsächlich aus dem Südsudan, Somalia, Eritrea und Sudan. Das macht es hinter Uganda zum zweitgrößten Aufnahmeland für Flüchtlinge in Afrika. Bose von Care International war Anfang November selbst dort: "In Äthiopien sind eine Million Menschen aus dem Süden des Landes in die umliegenden Regionen geflüchtet und haben dabei Heimat, Familie und Lebensgrundlage verloren. Geholfen werden muss also auch den Binnenflüchtlingen im eigenen Land, und das sowohl in Camps als auch vor Ort, mit Wasser, Sanitäranlagen und Hilfsgütern. Von den benötigten fünf Millionen US-Dollar sind aber auch hier erst 1,3 Millionen geflossen."
Das Problem in der heutigen Zeit, so Bose, sei schlichtweg die Fülle an Krisen auf der ganzen Welt. "Da ist es schwer, das Augenmerk der Welt auf eine bestimmte Problemsituation zu richten. Gerade bei langanhaltenden Krisen sprechen wir daher auch von vergessenen Krisen." Denn sie seien einfach wenig präsent, auch bei der internationalen Gemeinschaft.